„Ich glaube nicht an einen Gott, der ins Leben eingreift“: Diese Zeilen sang der Großkünstler Nick Cave im letzten Hamburger Fall. Es war Neujahr 2024, auf dem Bildschirm starb gerade Julia Grosz (Franziska Weisz), Falkes Gefährtin, niedergestochen in einer Gasse in St. Pauli. Falke (Wotan Wilke Möhring) ist nicht gläubig. Und trotzdem sitzt er jetzt im Kloster, um über den Verlust hinwegzukommen. Er ist auf „Retreat“, seine Auszeit besteht aus Arbeit, Gebet und Zechen in der Zelle mit seinem neuen Kumpel Daniel (Florian Lukas).
Der sah als Kind seinen Vater verbrennen, jetzt brennt auf dem Klostergelände ein Wohnwagen. Pastor Otto (Hannes Hellmann), imposanter Prediger und Trainer eines Nachwuchsfußballteams, stirbt in den Flammen. Der Ermittler in Falke kommt wieder durch, und es dauert nicht lange, bis er in einem Kellerloch eine Sammlung mit tausenden Dias von Kindern findet, daneben einen Betschemel und eine Geißel aus Leder. Die tiefgläubige örtliche Kommissarin Eva Pötter (Lena Lauzemis), die sich beim Anblick des Mordopfers bekreuzigt, ist eher Bremserin als Hilfe.
„Schweigen“ (Sonntag, ARD, 20.15 Uhr) ist die erste „Tatort“-Episode, die sich mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche auseinandersetzt (Regie: Lars Kraume, Buch: Stefan Dähnert). Erschütterndes Vorbild für den Krimi ist der Fall eines überdiözesanen Pädophilenrings von katholischen Würdenträgern in Trier. Die Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“ begrüßt die Ausstrahlung, deren Sprecher Matthias Katsch nennt die Episode in der Pressemappe „das Beste, was ich im fiktionalen Fernsehen zu katholischen Missbrauchsskandalen gesehen habe“.
Dennoch: Als Zuschauer bleibt man seltsam abgestumpft. Vielleicht, weil man alles nur zu gut aus den echten Medien kennt. Weil man es nicht mehr unvorstellbar findet zu hören, dass die Opfer „von einer Soutane zur anderen“ weitergereicht wurden, wie es in einer Szene heißt.
„Tatort“ mit Falke aus Hamburg: Top-Schauspieler im Fall über Missbrauch
Wer es trotzdem schafft, bis zum Schluss dabeizubleiben, hat am Ende immerhin die Topleistung eines deutschen Schauspiel-Starensembles gesehen. Sebastian Blomberg etwa als Domvikar, bei dem man den Satz „Wir nehmen es mit unserer Fürsorgepflicht sehr genau“ nicht eindeutig interpretieren kann. Florian Lukas, der die Naivität des kleinen Jungen, der im Grundschulalter Missbrauchsopfer wurde, rührend auf den erwachsenen Daniel Weinert überträgt. Auch der Schauplatz – der Fall spielt in der leer stehenden Trappisten-Abtei Mariawald in Nordrhein-Westfalen – packt einen sofort: der Verdächtige, der bei einer Befragung mit dem Kreuz im Hintergrund immer kleiner wird, die Sonne, die sich wie ein falscher Heiligenschein in den hohen Kirchenfenstern spiegelt. Vieles ist also geglückt an diesem Fall aus Hamburg. Dass die Realität mehr erschüttert als jeder noch so krasse Fernsehfall, dafür können die Macher nichts.
Ich fand es richtig gut, dass dieses Thema mal in einem Tatort behandelt wurde. Zumal es mit Unter- und Übertreibungen so ziemlich auch den Realitäten entsprach. In einer Klosterrealschule hatte ich ähnliches erlebt, nur hat sich der Priester bei mir den falschen ausgesucht und musste sein Brille aus einem Gebüsch holen nach der kräftigen "Schellen" die er von mir bekam. 2 Wochen später wurde er nach Afrika versetzt, wie wenn es dort keine Jungs gäbe, mehr ist wundersamer Weise nicht passiert. Das war vor ca. 50 Jahren und wie man allenthalben mitbekommt hat sich daran nicht wirklich viel verändert.
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