"Germany: Zero points". So lautet der spöttische Spruch, den Kritiker des ESC hierzulande gern schadenfroh verkünden. Seinen Ursprung hat er in der mehr als dürftigen Erfolgsgeschichte Deutschlands in den vergangenen Jahrzehnten. Deutlich öfter als bei den meisten anderen Teilnehmern ging Deutschland in der Punktevergabe nämlich leer aus. Besserung in Sicht? Schon 2023 gab es immerhin 18 Punkte für die Rote Laterne, und 2024 landete unser Act mit sensationellen 117 (!) Punkten sogar auf Platz 12. Es war Isaak Guderian mit „Always on the Run“, der in Malmö am 11. Mai 2024 das beste deutsche Ergebnis seit 2019 erzielte.
Doch wie funktioniert dieses Voting-System überhaupt? Wir erklären Ihnen hier, wie sich die von den einzelnen Ländern vergebenen Punkte zusammensetzen. Außerdem erfahren Sie, wie die Verkündung der Punkte beim ESC Finale 2025 abläuft.
Punktevergabe beim ESC Finale 2025: So funktioniert das Voting-System
Die Punktevergabe beim ESC Finale ist eine Wissenschaft für sich. In nationalen Gesangwettbewerben wie "Deutschland sucht den Superstar" stimmen in der Regel entweder die Jury oder das Publikum über die vergebenen Punkte ab. Beim ESC gibt es hingegen verschiedene Abstimmungsverfahren für die einzelnen Wettkampf-Abschnitte und eine Mischung aus Jury- und Publikumsstimmen. Vor dem Finale werden die Teilnehmer in die beiden Wettbewerbe Halbfinale 1 und Halbfinale 2 aufgeteilt. Es sind nur die Länder für den Vorentscheid entscheidungsberechtigt, die auch am entsprechenden Halbfinale teilnehmen.
Deutschland muss sich diesem Prozedere allerdings nicht stellen. Die Bundesrepublik gehört gemeinsam mit Italien, Frankreich, Spanien und Großbritannien zu den sogenannten "Big Five". Diese sind als größte Geldgeber des Wettbewerbs automatisch für das Finale qualifiziert. In diesem sind im Gegensatz zum Halbfinale alle am ESC 2025 teilnehmenden Länder abstimmungsberechtigt – auch wenn sie im Halbfinale ausgeschieden sind. Lediglich für sich selbst dürfen die einzelnen Nationen nicht abstimmen. Die von ihnen vergebenen Punkte setzen sich aus den Stimmen einer Experten-Jury und dem Televoting zusammen. In jedem Land wird eine aus Musikexperten und interessierten Laien bestehende Jury damit beauftragt, die einzelnen Auftritte zu bewerten. Die Jury vergibt dann je einmal 12, 10, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2 und 1 Punkt(e). Alle übrigen Länder erhalten keine Punkte.
Nachdem jedes Land die Punkte seiner Experten-Jury vergeben hat, werden die Punkte aus dem Televoting dazugezählt. Dieses gibt es bereits seit 1998. Da sich die Punktevergabe der Jury deutlich von der des Publikums unterscheiden kann, bleibt es bis zum Schluss spannend. Denn eine gute Wertung durch das Publikum kann die Rangliste kurz vor Schluss noch einmal ordentlich durcheinanderwirbeln.
Sollte es zum Schluss zu einem Punktegleichstand zwischen mehreren Ländern kommen, entscheiden weitere Faktoren. Zunächst wird verglichen, von wie vielen Ländern die Kandidaten Punkte erhalten haben. Sollte das nicht ausreichen, wird die Anzahl der Höchstbewertungen zu Rate gezogen. Daraufhin die Anzahl der Vergabe von zehn Punkten, dann von 8, und so fort. Sollte wieder erwarten all dies zu keinem Ergebnis führen, werden die Kandidaten einfach nach ihrer Startnummer platziert.
Hier noch mal die Prozedur im Überblick:
Jury-Voting (50 % der Gesamtwertung)
- In jedem teilnehmenden Land gibt es eine fünfköpfige Fachjury (meist Musik-Profis).
- Sie bewerten die Songs nicht während des Live-Finales, sondern bei der Generalprobe am Abend davor (dem sogenannten „Jury-Finale“).
- Die Juroren vergeben individuell Punkte: 12, 10, 8–1 Punkte an ihre Top 10 (ohne für das eigene Land zu stimmen).
- Diese Punkte werden addiert, und daraus ergibt sich das Jury-Voting des Landes.
Televoting (50 % der Gesamtwertung)
- Das Publikum stimmt während der Show per Telefon, SMS oder ESC-App ab (je nach Land unterschiedlich).
- Auch hier werden die Stimmen gesammelt und in Punkte umgerechnet: 12, 10, 8–1 Punkte für die beliebtesten Beiträge – wieder nicht für das eigene Land.
Punktevergabe im Finale
- Zuerst gibt jedes Land die Jury-Punkte bekannt – traditionell von einer Live- oder Video-Spokesperson moderiert („Germany, 12 points go to...“).
- Danach werden alle Televoting-Ergebnisse zusammengefasst und nacheinander bekannt gegeben – von den wenigsten bis zu den meisten Punkten.
Änderungen seit 2023/2024
- Nicht-teilnehmende Länder (Rest der Welt) dürfen auch per Online-Voting abstimmen. Diese Stimmen werden als „ein zusätzliches Land“ gewertet.
- Halbfinale: Nur das Publikum entscheidet, wer ins Finale kommt (keine Jury im Halbfinale – außer bei Tiebreaks).
ESC 2025: So läuft die Bekanntgabe der Punkteverteilung ab
Genau wie die Punktevergabe hat sich auch die Bekanntgabe der Punkteverteilung im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Ursprünglich wurden alle von den jeweiligen Experten-Jurys vergebenen Punkte dem Publikum vorgelesen. Doch mit der Zeit nahm die Zahl der teilnehmenden Länder immer weiter zu. Mittlerweile nimmt sogar Australien am ESC teil. Daher musste der Prozess immer weiter verkürzt werden. Beim ESC 2025 ist es nun so, dass die Vertreter der Länder nur noch das Land vorlesen, das von der Jury 12 Punkte erhalten hat. Damit wird verhindert, dass sich die Punktevergabe allzu lang hinzieht und die ESC-Übertragung dadurch den zeitlichen Rahmen sprengt.
An die Bekanntgabe der Punkte aus der Jury-Wertung schließt sich die des Publikums-Votings an. Wie viele Punkte die einzelnen Länder insgesamt von den Zuschauern erhalten haben, wird der Reihe nach von einem Moderatoren-Team verkündet. Die Reihenfolge orientiert sich dabei an der Platzierung der Nationen nach der Jury-Wertung. Das kann durchaus zu einigen Überraschungen führen, wenn nämlich ein Teilnehmer aus dem Mittelfeld auf einmal durch ein herausragendes Ergebnis beim Publikums-Voting an die Spitze rückt.