Handelte es sich bei den Männern, die die US-Influencerin Kim Kardashian im Oktober 2016 in einem Pariser Hotel überfielen und ausraubten, um eigentlich harmlose „Opa-Räuber“? Schließlich gingen sie erstaunlich dilettantisch vor, was wenige Monate später zu ihrer Festnahme führte. Ihr berühmtes Opfer wollen sie nicht einmal gekannt haben. Oder sind sie trotz ihres überwiegend hohen Alters skrupellose Kriminelle, die immerhin Schmuck in Höhe von rund neun Millionen Euro erbeuteten?
Das Gericht in Frankreich hatte am Freitag über zehn Angeklagte zu urteilen, denen die Beteiligung an dem spektakulären Raubzug vorgeworfen wurde. Kardashian, die sich damals gerade bei der Fashion Week in Paris aufhielt, wurde in jener Nacht unter anderem ihr Verlobungsring entwendet, ein Geschenk ihres Ex-Mannes, des Rappers Kanye West, mit einem geschätzten Wert von 3,5 Millionen Euro. Wieder aufgetaucht ist er ebenso wenig wie die übrige Beute – mit Ausnahme einer Diamantkette, die die Räuber bei der Flucht auf der Straße verloren.
Staatsanwältin: Gericht solle sich nicht vom hohen Alter der meisten Angeklagten täuschen lassen
Fast neun Jahre später ist nicht nur einer der mutmaßlichen Täter gestorben, auch mehrere der übrigen Angeklagten traten deutlich geschwächt auf: Einer von ihnen ist mittlerweile taubstumm, ein anderer musste sich parallel zum Prozess wegen einer Krebserkrankung behandeln lassen, ein dritter leidet an Parkinson. Das Urteil wurde noch für Freitagabend erwartet.
Staatsanwältin Anne-Dominique Merville hatte in ihrem Plädoyer das Gericht dazu aufgerufen, sich angesichts des hohen Alters der meisten Angeklagten nicht von den „milde stimmenden Falten“ täuschen zu lassen. Sie sah alle als schuldig an und forderte Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Es handele sich um „erfahrene Räuber, die einen Coup geplant und erfolgreich durchgeführt haben“. „In diesem Alter bedeutet eine Verurteilung lebenslänglich“, betonte demgegenüber Franck Berton, der Anwalt des 69-jährigen Aomar Aït Khedache, eines der Hauptangeklagten. Dieser kann nicht mehr sprechen und notierte vor der Urteilsverkündung auf einem Notizblock, dass er um Verzeihung bitte.

Kim Kardashian: „Ich verzeihe Ihnen“
Von Khedache und seinem 72 Jahre alten Kompagnon Yunice Abbas waren DNA-Spuren am Tatort gefunden worden, beide haben ein Geständnis abgelegt, Abbas schrieb sogar ein Buch über den Raubüberfall. Die acht übrigen Angeklagten beteuerten ihre Unschuld. „Ich habe mit dieser Geschichte nichts zu schaffen“, versicherte etwa die 78-jährige Christiane Glotin, die von der Anklage als „kriminelle Sekretärin“ beschrieben wurde. Khedache entlastete die Mitangeklagten: Ein sogenannter „X“, dessen Namen er aus Angst vor Rache nicht nennen wolle, habe federführend am Raub mitgewirkt.
Seine Reue bewegte während des Prozesses Kim Kardashian zu Tränen. Sie war für ihre Aussage extra aus den USA angereist. In der Haft hatte Khedache ihr einen Entschuldigungs-Brief geschrieben. Die 44-Jährige, die durch eine Reality-TV-Serie berühmt wurde, erhielt das Schreiben allerdings nie, es wurde ihr vor Gericht vorgelesen. „Ich verzeihe Ihnen“, sagte sie. Und dass sie an eine „zweite Chance“ für alle glaube, „auch wenn das nichts an meinem Trauma ändert“. 2016 waren vier Männer in ihre Luxusresidenz eingedrungen. Sie gaben sich als Polizisten aus und hämmerten an ihre Hoteltür, welche sie öffnete. Als man sie fesselte, habe sie Todesängste ausgestanden, sagte Kardashian aus: „Ich war sicher, dass ich sterben würde.“ Seitdem veröffentliche sie erst Fotos über ihren Aufenthaltsort in sozialen Medien, wenn sie diesen verlassen habe. Auf das Tragen von Schmuck verzichtet sie nicht: Bei ihrer Aussage trug sie ein prunkvoll glitzerndes Collier.
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