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Geschichte
02.09.2017

40 Jahre Deutscher Herbst: Als linker Terror das Land erschütterte

45 Tage war Hanns Martin Schleyer in der Gewalt von RAF-Terroristen. Am 19. Oktober wird seine Leiche gefunden.
Foto: UPI, dpa

Am 5. September 1977 entführte ein RAF-Kommando Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Ein wochenlanger Nervenkrieg folgte. Warum der „Deutsche Herbst“ bis heute nachwirkt.

Und dann war es plötzlich still. Totenstill. Nach dem ohrenbetäubenden Lärm, nach weit über 100 Schüssen, die am 5. September 1977 um 17.28 Uhr durch die Kölner Vinzenz-Statz-Straße im vornehmen Stadtteil Lindental peitschten. Nur wenige Sekunden zuvor hatten sich dort Szenen wie in einem Mafia-Thriller abgespielt: Als der Konvoi mit Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer die Straße erreicht, schnappt die Falle des Kommandos der Roten-Armee-Fraktion (RAF) zu. Während ein Kinderwagen auf die Straße rollt, blockiert ein weißer Mercedes die Straße. Das Begleitfahrzeug kracht in den Wagen, in dem sich Schleyer befindet. Dann bricht die Hölle los, die Terroristen Sieglinde Hofmann, Willy-Peter Stoll, Stefan Wisniewski und Peter-Jürgen Boock eröffnen das Feuer.

Hanns Martin Schleyer: 43 Tage entführt und dann getötet

Die Polizisten Helmut Ulmer, 24, Roland Pieler, 20, und Reinhold Brändle, 41, haben keine Chance. Ulmer und Pieler erwidern zwar das Sperrfeuer der Angreifer, werden aber ebenfalls tödlich getroffen. Schleyers Fahrer Heinz Marcisz, 41, erliegt später seinen Verletzungen. Der Arbeitgeberpräsident drückt sich flach hinter den Vordersitz und überlebt den Kugelhagel wie durch ein Wunder unverletzt. So zerren die Attentäter den 62-Jährigen aus seinem durchlöcherten Wagen: Auf Schleyer wartet ein 43-tägiges Martyrium in der Hand der Terroristen. Seine Leiche wird am 19. Oktober im elsässischen Mühlhausen mit mehreren Projektilen im Kopf gefunden.

Am 5. September 1977 wird Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer in Köln-Braunsfeld entführt. Unser Bild zeigt Polizisten am Tatort.
Foto: imago

Es gibt wenige Bilder, die sich so intensiv in das Gedächtnis der Deutschen eingebrannt haben: der Kinderwagen, die verkeilten Autos, die Toten und natürlich die Fotos von Hanns Martin Schleyer als Gefangener der RAF. Bilder der Hilflosigkeit und der Erschöpfung.

Eindringlich blieb vielen Zeitzeugen die Atmosphäre im Herbst 1977 im Gedächtnis, der später der "Deutsche Herbst" genannt wurde: Polizisten mit Maschinenpistolen, gepanzerte Fahrzeuge, Kontrollen, Steckbriefe. Bis heute erinnern sich viele Deutsche an diese Wochen und Monate als eine düstere, ja bleierne Zeit. Und das, obgleich dieser Herbst als eher freundlich und sonnig in die Statistiken der Meteorologen eingegangen ist.

Die Protagonisten der RAF wiesen dem Jahr 1977 von vornherein eine besondere Bedeutung zu. Fieberhaft bereiteten sie die "Offensive’77" vor. Mit einer Reihe von spektakulären Attacken wollten sie den Staat so unter Druck zu setzen, dass er der Freilassung der inhaftierten Mitglieder der ersten Generation der RAF – allen voran Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe – zustimmt. Gründungsmitglied Ulrike Meinhof hatte sich im Mai 1976 im Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim erhängt.

Die Terror-Offensive bricht am 7. April 1977 mit voller Wucht über das Land herein: Generalbundesanwalt Siegfried Buback wird vom Sozius eines Motorrads aus in seinem Dienstwagen erschossen. Am 30. Juli wird der Chef der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, ermordet.

Nachdem die inhaftierten RAF-Mitglieder am 9. August in einen kollektiven Hungerstreik getreten sind, reifen die Pläne für die Entführung einer bekannten Persönlichkeit. Schließlich fällt die Wahl auf Schleyer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Nicht nur in dieser Funktion ein ideales Feindbild. Als junger Mann war Schleyer NSDAP-Mitglied, im Krieg war er unter anderem als SS-Offizier in Prag für die Organisation der tschechischen Industrie zuständig. Er galt in linken Kreisen als Paradebeispiel eines Ewiggestrigen, der nichts bereut.

Harte Linie: Helmut Schmidt plagten lange Schuldgefühle

Die RAF hatte durchaus Grund zu der Annahme, dass ihre Strategie Erfolg haben würde: Am 27. Februar 1975 entführte die "Bewegung 2. Juni" den Spitzenkandidaten der Berliner CDU, Peter Lorenz, drei Tage vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus. Tatsächlich gab die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt nach: Fünf inhaftierte RAF-Terroristen – unter ihnen Verena Becker und Rolf Heißler – wurden freigelassen und in den Jemen ausgeflogen.

Doch 1977 ging die Rechnung der Terroristen nicht auf. Schmidt blieb unnachgiebig – schon, weil die 1975 freigepressten Terroristen den Kampf sofort wieder aufgenommen hatten. Und weil die Fälle nicht zu vergleichen waren, wie der Anwalt Klaus Eschen heute erklärt. "Die Entführung von Schleyer war ein ganz anderes Kaliber. Da durfte sich der Staat nicht erpressen lassen."

Der Jurist und Fotograf, der von 1992 bis 2000 Richter am Verfassungsgericht Berlin war, verfügt über tiefe Einblicke in die Ereignisse von damals. 1969 gründete er zusammen mit Horst Mahler und Hans-Christian Ströbele das Sozialistische Anwaltskollektiv. Die Kanzlei wurde durch die Verteidigung von RAF-Mitgliedern bekannt. Eschen vertrat unter anderem Brigitte Asdonk, die 1970 an Banküberfällen beteiligt war. "Natürlich müssen auch Terroristen vor Gericht verteidigt werden. Doch wer das tat, galt schnell als Komplize", sagt der 78-Jährige. Allerdings habe es bei einigen Kollegen eine ungute Distanzlosigkeit zu den Mandanten gegeben.

Auch eines der Ereignisse, das den Herbst 77 prägte: Die Entführung der Lufthansa-Maschine  "Landshut".
Foto: dpa

Eschen zog sich Anfang der 70er Jahre aus der Verteidigung von RAF-Mitgliedern zurück – abgeschreckt auch vom Hochmut und Größenwahn seiner Klienten. "Der Ton der Gefangenen war den Anwälten gegenüber oft verachtungsvoll. Ich hatte den Spitznamen ,Ekelschwelle’, weil ich auch Kritik übte."

Später wuchs die Abscheu vor den immer brutaler werdenden Taten der RAF. Das gilt auch für die Schleyer-Entführung: Für Eschen war es unfassbar, dass die Täter darauf spekulierten, dass die ,Bullenschweine’ – also diejenigen, denen sie keine menschliche Regung zubilligten – entgegen der Dienstvorschrift anhalten, wenn ein Kinderwagen auf der Straße steht – "nur um dann, wenn der Wagen steht, selber die Todesarie zu spielen". Irgendwann, sagt Eschen, sei es nur noch um "Abknallerei" gegangen. "Der Mord an Schleyer hat gezeigt, dass da kleingeistige Faschisten am Werken waren."

Bis heute wird mitunter hitzig über die Unnachgiebigkeit von Helmut Schmidt im Fall Schleyer debattiert, über die harte Linie, die der Kanzler auch im Fall der Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" durch palästinensische Terroristen beibehielt, die sich zur gleichen Zeit zuspitzte. Doch Schmidts Haltung trug entscheidend zu seiner Beliebtheit bei. Gleichzeitig ist die Szene unvergessen, als sich der Kanzler bei Schleyers Trauerfeier vor dessen Witwe verbeugt. Waltrud Schleyer verbarg ihre Abscheu nicht. Sie konnte ihm nie verzeihen. Auch Schmidt räumte später ein, dass ihn Zeit seines Lebens Schuldgefühle pragten.

Bundeskanzler Helmut Schmidt neben der Witwe Waltrude Schleyer. Zeit seines Lebens plagten Schmidt Schuldgefühle, für den Tod von Hanns Martin Schleyer mitverantwortlich zu sein.
Foto: imago

Anne Ameri-Siemens, 43, wählt in ihrem aktuellen Buch "Ein Tag im Herbst" ganz bewusst den Blickwinkel des Opfers Schleyer und seiner Familie. Die Politikwissenschaftlerin lässt involvierte Politiker, Wissenschaftler, aber auch Schleyers Sohn Hanns-Eberhard zu Wort kommen.

Da geht es um haarsträubende Fehler bei der Fahndung. "Man weiß heute, dass fatalerweise auf den Kommunikationswegen der Ermittler Hinweise verloren gingen, die Aufschluss über das Versteck gaben. Er hätte möglicherweise gerettet werden können", ist sich Ameri-Siemens sicher. Die Entschlossenheit Schmidts habe auch eine Kehrseite: "Zu der Linie, sich nicht erpressen zu lassen, gehörte auch, nicht mit den Entführern und den Gefangenen zu verhandeln. Man hätte, denke ich, stattdessen verhandeln sollen – und zwar von Anfang an."

Bleibt der "Deutsche Herbst in der Erinnerung der Deutschen?

Die Familie Schleyer hatten in ihrer Verzweiflung das Bundesverfassungsgerichts angerufen, um die Bundesregierung zu zwingen, auf die Bedingungen der RAF einzugehen. Doch die Richter entschieden nach einer eilig anberaumten mündlichen Verhandlung am 16. Oktober, der Regierung den Handlungsspielraum zu bewahren. Begründung: Es müsse dem Staat möglich sein, nicht nur "seine Schutzpflicht gegenüber dem Einzelnen" auszuüben, sondern "auch gegenüber der Gesamtheit aller Bürger". Drei Tage später wurde Schleyer erschossen aufgefunden. Vielleicht trifft die Einschätzung des früheren Bundesjustizministers Hans-Jochen Vogel (SPD) den Kern: "Egal, welche Richtung wir eingeschlagen hätten, es wäre immer etwas daran falsch gewesen."

1977, aber auch schon in den Jahren zuvor, blickte Europa mit einer Mischung aus Besorgnis und Misstrauen auf die Bundesrepublik Deutschland. Wie würden der Staat und seine Bevölkerung 32 Jahre nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes auf die Terrorbedrohung reagieren? Es gab wachsende Zweifel, ob die junge Demokratie gefestigt genug sei.

Doch nicht wenige ausländische Beobachter, die in Deutschland lebten, zeigten sich beeindruckt von der Ruhe, mit der die Deutschen auf die RAF-Anschläge reagierten. Das belegen unter anderem interne Nachrichten, die der damalige US-Botschafter Walter John Stoessel und seine Mitarbeiter nach Washington kabelten.

Sie wurden vor einiger Zeit von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht. "Wir glauben, dass die Bundesrepublik Deutschland grundlegend gesund ist und dass die deutsche Demokratie eine anhaltende Entwicklung ist", bilanzieren die Autoren in einem Dossier, das während der Schleyer-Entführung ausgearbeitet wurde. Eine hellsichtige Prognose.

Die Bilanz des Terrors von links ist blutig: Bei Anschlägen, Banküberfällen, Entführungen und Schießereien wurden in 28 Jahren – von 1970 bis zur Selbstauflösung 1998 – 34 Menschen ermordet. Die RAF ist Geschichte. Doch Terror ist heute präsenter denn je. Die islamistische Spielart ist unberechenbarer. Sie richtet sich nicht gegen herausgehobene Personen, sondern schlägt wahllos zu. Getötet wird nach dem Motto: egal wer, Hauptsache viele.

Wer denkt heute angesichts dieser Gefahr noch an den "Deutschen Herbst"? "Ich denke, verändert wird die Erinnerung dadurch nicht, sie bleibt wach", sagt Anne Ameri-Siemens. Schließlich werde man nicht damit aufhören können, darüber nachzudenken, wie man "Menschen davon abhalten kann, sich für diesen gewaltsamen Weg zu entscheiden". Klaus Eschen sieht es etwas anders: "Der islamistische Terror überlagert heute natürlich die Erinnerung an die Taten der RAF. Er hat ganz andere, weltweite Maßstäbe", sagt Klaus Eschen.

Lesen Sie zum Thema "Deutscher Herbst" auch das Interview unseres Politik-Chefs Michael Stifter mit Monika Hohlmeier: Monika Hohlmeier: "Es hätte auch meinen Vater treffen können"

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