Hinter dem Kohleausstieg steht ein großes Fragezeichen. Im Zweifel müssen die Kraftwerke weiterlaufen, um Haushalte und Betriebe sicher mit Strom zu versorgen.
In gut 20 Jahren soll hierzulande das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Spätestens. So haben es Bund und Länder mit den Energieversorgern in nächtlicher Runde festgezurrt. Die Bundesregierung öffnet dafür die Geldbörse und stellt 50 Milliarden Euro zur Verfügung. Nur wenn die Kohlekraftwerke abgestellt werden, kann Deutschland so viel Kohlendioxid einsparen, wie es sich international verpflichtet hat. Auf einer Liste des Wirtschaftsministeriums ist deshalb mit Jahreszahlen genau festgelegt, wann welche Turbinen abgeschaltet werden.
2030 sollen zwei Drittel des Stroms aus grünen Quellen kommen
Doch diese Festlegung ist auf Sand gebaut. Die Kraftwerke können nur in die Zwangsrente geschickt werden, wenn gleichzeitig deutlich mehr Windräder und Solarfelder gebaut werden als zuletzt. Schon 2030 sollen zwei Drittel des in der Bundesrepublik erzeugten Stromes aus grünen Quellen kommen. Gerade die Windkraft als Lastesel der Energiewende hat allerdings mittlerweile ein massives Akzeptanzproblem. Bürgerinitiativen wehren sich überall in Deutschland erfolgreich gegen die "Verspargelung" der Landschaft. Die Folge: Es werden kaum noch Windräder gebaut.
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Wurden 2017 noch 1800 Windräder an Land aufgestellt, waren es 2018 lediglich 750 und im vergangenen Jahr gar nur 280. Das ist viel zu wenig. Nötig wäre mindestens das Niveau von 2017, damit das Klimaziel erreicht werden kann.
Sonnenenergie ist keine echte Alternative zur Windkraft
In der Praxis hakt es gewaltig. Von der Planung einer Windturbine bis zum Anschluss an das Stromnetz vergehen sieben Jahre. In der Zwischenzeit ist eine neue Generation von Windrädern entwickelt. Banken scheuen es, eine Kreditzusage bei derartigen Planungs-Unsicherheiten zu gewähren. Die Sonnenenergie ist keine echte Alternative zur Windkraft. Zwar stoßen Solarfelder den Bürgern nicht sauer auf, sie verbrauchen aber große Flächen, die von den Äckern abgeschnitten werden müssten.
Die Hoffnung in Berlin ist daher, dass sich die Windkraftgegner mit Geld besänftigen lassen. Von den Gewinnen eines Windrades ginge ein Teil an die Anwohner, so die Überlegung. Ob das funktioniert, ist völlig offen. In Bayern und Baden-Württemberg sind sie gut organisiert. Die Landschaft dort ist schön und die Gemeinden sind wohlhabend. Hinter dem Kohleausstieg steht deshalb ein großes Fragezeichen. Im Zweifel müssen die Kraftwerke weiterlaufen, damit Haushalte und Betriebe weiter sicher mit Strom versorgt werden können.
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Immer fest die Augen zu und den Wutbürger anzählen!
„ Gerade die Windkraft als Lastesel der Energiewende hat allerdings mittlerweile ein massives Akzeptanzproblem. Bürgerinitiativen wehren sich überall in Deutschland erfolgreich gegen die "Verspargelung" der Landschaft.“
Das es dieses Akzeptanzproblen gibt, stimmt sicher. Das ist aber nicht ursächlich für den Fakt des langsamen Ausbaus der Windkraft vor allem an Land.
Wenn Windparks ausgeschrieben werden, also gar keine Akzeptanz- oder baurechtlichen Probleme mehr bestehen, gibt es trotzdem keine Angebote, weil nach Wegfall des massivsten Teils der Subventionierung (der garantierte Abnahmepreis) eine Wirtschaftlichkeit der Anlagen kaum noch darstellbar ist. Ohne Subventionen keine Windkraft!
Und unabhängig von all dem - selbst wenn der Windpark schnell verdoppelt oder gar verhundertfach wird (Schon heute ist die installierte Leistung der EEG-Stromerzeugungsanlagen doppelt so hoch wie der maximale Bedarf), wenn kein Wind weht, stehen dann eben nur noch mehr Mühlen funktionslos in der Gegend herum.
Strom kommt dann aus dem Ausland, von dem wir gerade erhoffen, dass es sich an unserem leuchtenden Vorbild ein Beispiel nimmt. Nicht auszumalen, was passiert wenn Polen und Franzosen ihre Atommeiler und Kohlekraftwerke abschalten.
Drei Hinweise:
1. Es werden keine Windparks ausgeschrieben. Da haben Sie etwas verwechselt. Es werden allgemein Windkraftleistungen ausgeschrieben und dafür können sich Projektierer bewerben, die Genehmigungen für Windkraftanlagen haben.
2. Windräder bekamen und bekommen keine Subventionen. Das EEG gewährt ihnen Einspeisevorrang und eine von den nicht privilegierten Kunden (überwiegend ungerecht) zu zahlende Vergütung, deren Höhe über Ausschreibungen ermittelt wird. Für neue Anlagen können gegenwärtig je nach Standort die Vergütungen bei 3,5 bis 7 Cent je Kilowattstunde liegen. Hätten wir bei den Ausschreibungen nicht durch viel zu wenig genehmigte Windparks eine Unterzeichnung, lägen die Gebote und bezuschlagten Vergütungen höchstens bei rund 5,5 ct/kWh. Damit liefern sie die Kilowattstunde günstiger als jedes neue Atom-, Gas- oder Kohlekraftwerk! Von fehlender Wirtschaftlichkeit kann keine Rede sein. Natürlich muss man, wenn man volkswirtschaftlich rechnet, auch noch Netzumbau- und Speicherkosten einkalkulieren. Man musste vor vier Jahrzehnten auch viel in das Stromnetz investieren, um den Transport und die Verteilung des Stroms aus den neuen zentralen Groß-AKW und Groß-Kohlekraftwerken zu ermöglichen. Auch Pumpspeicherkraftwerke wurden gebaut, da die damals errichteten Atom- und Kohlekraftwerke schlecht in ihrer Leistung geregelt werden konnten. Wenn man endlich allen Kraftwerken auch ihre ansonsten von der Gesellschaft (Beispiele: Gesundheits- und Umwelt- und vermehrt auch Klimaschäden) oder unseren Nachkommen zu zahlende Folgekosten (Atommüll, Aufgabe von Land und Städten infolge Anstieg des Meeresspiegels, Zusammenbruch vieler Wälder, …) anrechnen würde, wären Photovoltaik und Windkraft heute schon viel preiswerter als Atom, Gas und Kohle!
3. Die VERSORGUNGSSICHERHEIT kann bei einer 100 % EE-Versorgung durch a) Mix der EE-Arten, b) Lastmanagement, c) deutschland- und europaweiter Verbund mittels verlustarmer HGÜ, d) Speicheraufbau gewährleistet werden. Frankreich und Polen hingegen waren wegen ihrer anfälligen Atom- und Kohlekraftwerke (Kühlwasserprobleme!) mehrmals in den letzten Jahren auf Stromimporte aus Deutschland angewiesen. Deutschland hingegen war nie auf Stromimporte angewiesen! Wir importieren dann Strom, wenn er beispielsweise billig aus Frankreich angeboten wird. Insgesamt haben wir 2019 wieder einen Stromhandelsüberschuss von über 30 Milliarden Kilowattstunden erzielt. Dabei haben wir im Schnitt je exportierter kWh mehr erlöst als wir je importierter kWh bezahlt haben. Quelle: https://www.energy-charts.de/trade_de.htm?year=2019&period=annual&source=sum_price
Raimund Kamm
ehrenamtlicher Vorsitzender der LEE Bayern, die für über 50 % der Stromversorgung in Bayern steht