Nach Hanau: Wie die AfD auf den Beinahe-Absturz regiert
Weil die AfD nach dem Anschlag am Pranger steht, bemüht sich die Spitze um Abgrenzung zu Rassismus. In einem Brief wenden sich die AfD-Chefs an die Mitglieder.
Fast wäre die AfD aus der Hamburger Bürgerschaft gekippt. In der Parteispitze sorgt das für erhebliche Unruhe, weil der Beinahe-Absturz das Ergebnis einer bis dato beispiellosen Ausgrenzung der jungen Partei ist. Noch nie wurde die AfD so scharf angegriffen wie nach der rassistischen Wahnsinnstat von Hanau. Von allen Seiten wurde mit dem Finger auf sie gezeigt und „Schande“ gerufen.
Erschütterte die AfD vor drei Wochen mit dem Coup von Erfurt die Republik, als mit ihren Stimmen der FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, kommt sie jetzt ins Trudeln. Ihren Gegnern gilt die Partei als das Treibhaus eines vergifteten gesellschaftlichen Klimas, das den Attentäter anstachelte, neun Menschenleben mit Migrationshintergrund auszulöschen. „Die Berichterstattung hat uns fast mehr geschockt als das Verbrechen“, sagt Parteichef Tino Chrupalla.
Meuthen und Chrupalla haben nach Hanau einen offenen Brief an die AfD-Mitglieder geschrieben
Mit seinem Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen hat er einen offenen Brief an die Mitglieder verfasst. „Wer sich rassistisch und verächtlich über Ausländer und fremde Kulturen äußert, handelt ehrlos und unanständig und damit gegen Deutschland und gegen die AfD“, lautet der Kernsatz des Schreibens. Der Appell der Chefs ist eine Reaktion auf die drohende Gefahr für die zentrale Strategie der Partei. Die AfD will als konservativ-bürgerlich wahrgenommen werden.
Chrupallas Vorgänger Alexander Gauland kann sich langfristig eine Koalition mit der CDU vorstellen. Das wird der AfD nicht gelingen, wenn sie als geistige Brandstifterin und Ideengeberin für Terroristen gilt. „Warum kann man es uns so leicht in die Schuhe schieben?“, fragt Chrupalla rhetorisch. Die AfD-Führung hat die Sorge, dass alle Parteien und seriöse Medien die letzten Brücken zu den Rechtsaußen abbrechen und sie völlig isoliert steht.
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Die AfD hat in Hamburg viele Wähler verloren, die 2017 noch für sie stimmten
Dass die Stigmatisierung die Wahlchancen schmälert, bestätigt eine aktuelle Analyse der Meinungsforscher vom Forsa-Institut. Das Wählerpotenzial der AfD lasse sich nicht durch Dialog und Verständnis verringern, „sondern nur durch klare Abgrenzung gegenüber dieser politischen Bewegung am äußerst rechten Rand“. Nach Berechnung von Forsa hat die Partei am Sonntag in Hamburg knapp die Hälfte ihrer Wähler eingebüßt, die in der Hansestadt bei der Bundestagswahl 2017 für sie gestimmt hatte.
Angesichts dieser Verluste soll Chrupallas Brief eine „Selbst-Reflexion“ auslösen. Sprachlich soll die AfD abrüsten. Berüchtigt ist die Partei wegen ihrer Ausfälle im Internet, aber auch im Bundestag, als Fraktionschefin Alice Weidel von Kopftuchmädchen, Messermännern und Taugenichtsen dröhnte. Die gezielte Provokation, die Empörung der etablierten Parteien darüber und die Empörung der AfD über die Empörung der anderen gehörten zum festen Repertoire. Der Tabubruch hatte Methode.
Es ist fraglich, wie glaubwürdig die Bemühungen der AfD sind
Die AfD hat sich immer weiter radikalisiert. Von der eurokritischen Professorenpartei der Anfangsjahre ist kaum noch etwas übrig geblieben. Der radikale Flügel der AfD hat seinen Einfluss stark ausgebaut. „Soll ich mich vom Flügel distanzieren? Das werde ich bestimmt nicht tun“, erklärt Ex-Parteichef Alexander Gauland. Das konservative Profil schärfe man nicht, indem andere Mitglieder ausgegrenzt würden.
Es ist also fraglich, wie glaubwürdig die Bemühungen sind, Extreme und Radikale aus der Partei zu entfernen. Sie fürchtet sich davor, offiziell vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden, weil ein solches Kainsmal Wähler vergraulen würde.
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Auch wenn einige in der AfD keine Hetzer sind und nur eine ander Politik in Deutschland möchten, solange ein Gauland und Höcke das sagen haben, bleibt die AfD eine Partei die ander jagen will (Gauland) und mit "wohltemperierter Grausamkeit" das undeutsche ausmerzen will (Höcke). Diese Rhetorik kennt man von der NSDAP.
Es gibt zwei Verhaltensmuster, die für die Höcke-Partei charakteristisch ist: Relativierung und die Opferrolle als Narrativ. Bei jeder Straftat mit rechtem bzw. rechtsextremen Hintergrund versuchen deren Anhänger und Mandatsträger mit dem Verweis auf Straftaten anderer Perosenen/Gruppen diese zu relativieren. Oder gar als nachvollziehbares Ergebnis einer in ihren Augen falschen Politik zu rechtfertigen. Ein infames Spiel. Gleichzeitig nimmt die Partei des Faschisten Höcke gerne die Opferrolle ein. Der Artikel greift dies unreflektiert auf. Und vergisst darauf hinzuweisen, dass hier versucht wird, die Wirklichkeit zu verdrehen. Die blauen Rechten sind Täter, keine Opfer. Da hilft es auch nicht, etwas Kreide fressen zu wollen. Ein Apfel kann essbar aussehen und doch im Kern braun und verrotten sein. Mal abgesehen, dass so Posts auf einer offiziellen Parteiwebsite wie "Deutschland auf dem Weg zum Multikuli-Drecksloch" eine ganz andere - und wohl wahre - Sprache sprechen. Kein Zufall auch, dass der hessische Ableger dieser Gruppierung zu dem schrecklichen Ereignis in Volkmarsen explizit darauf hinweist, dass man derlei "Delikte" vor allem aus dem Nahen Osten kenne. Bevor überhaupt etwas Genaueres zum Täter bekannt ist, versucht diese Hetzerpartei eine Verbindung zu islamischen Terroristen herzustellen.
Fast grotesk aber ist der dazugehörige Kommentar in meiner geschätzten Zeitng, in dem von den "Schmerzen der Isolation" geschrieben wird. Da ist von der "jungen Partei" (jung=schützenswert, wenn vllt. auch etwas wild) die Rede, die von den "etablierten Parteien" (etabliert=alt, besitzstandswahrend usw.) gemieden wird und - zurecht - mitverantwortlich gemacht wird für die wachsende Zahl rassistischer und rechtsradikaler Straftaten und Attentanten. Dann wird - ganz im Sebstverständnis der Höcke-Partei - der Täter zum Opfer. Fakt ist: Die "junge Partei" wird von alten, weißen Männern dominiert. Sie ist in großen Teilen rechtsradikal und demokratiefeindlich. Und könnte allein deshalb demnächst in Toto vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Alles andere als ein Opfer. Aber eine Hetzer- und Spalterpartei, die gottlob von den demokratischen (=etablierten) Parteien, die sich zum GG bekennen, an den Pranger gestellt wird.
Ach ja, es gibt auch Medien, die etwas differenzierter das Thema behandeln:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-ist-beleidigt-aufstand-der-unanstaendigen-a-fa14f9d8-34f4-401c-9e7f-d2ebbe40768d
Ist der Parteiführung wirklich jetzt erst die Rhetorik und Publikationen vieler ihrer Parteigenossen aufgefallen?
Brauchten die einen Dämpfer (kein Zuwachs, sogar bei Verlust bei einer Wahl), damit Ihnen das auffällt? Wieso erst nach der Wahl. Wieso nicht nach Hanau? Hat man sich an den bisherigen Ergebnissen so berauscht, dass man nicht gesehen hat, wer alles mit an Bord ist?
Das der Flügel die Partei quasi so gut wie übernommen hat? Das Spitzenpersonal und Funktionäre sich mit Nazisymbolen ablichten haben lassen? Das ihr bürgerlich-konservatives-europakritisches Personal großteils verschwunden bzw. bedeutungslos geworden ist?
Auf der einen Seite haben diese Spitzenkräfte der Partei das Vokabular der politischen Debatte erheblich negativ erweitert. "Politische Korrektheit gehörte auf den Müllhaufen der Geschichte." Der Anstand wurde bewußt über Bord geworfen.
Als Meinungsfreiheit hingestellt. Aber wehe, wenn man selber verunglimpft wurde. Dann wurde die Juristenkeule ausgepackt. Pauschalisierungen und ganze Bevölkerungsgruppen für Taten einzelner in Sippenhaft genommen.
(Angebliche) Straftaten von Südlandern groß in sozialen Medien veröffentlicht und geteilt. Die von Biodeutschen und Deutschen mit osteuropäischen Hintergrund dageen finden keine Erwähnung.
Beschweren sich aber im Gegenzug über die Mainzer Büttenrede. Wundern sich, wenn ein Täter mit gleichen Vokabular gezielt Mogranten tötet, mit Ihnen dann in Verbindung gebracht wird.
Ein Irrer zweifellos. Aber ein Irrer der "abgerichtet" wurde.
Das alles läßt mich persönlich zweifeln, ob wirklich Besserung beabsichtigt ist oder nur verschreckte Wähler zurück gewonnen werden sollen. Mit nur auf die "Zunge beißen" allein ist es nicht getan!