Was eine globale Mindeststeuer bringt
Die G7-Finanzminister haben sich darauf verständigt, Großkonzerne künftig mit 15 Prozent zu besteuern. Warum das erst ein Anfang auf dem Weg zu mehr Steuergerechtigkeit ist.
15 Prozent. Das sind weniger als 21 Prozent aber doch mehr als 12,5 Prozent. Auf 15 Prozent, diesen Satz einer globalen Mindeststeuer für Großkonzerne, haben sich dieses Wochenende die Finanzminister der führenden Industrie-Staaten (G7) – nach jahrelangen Diskussionen – geeinigt. Multinationale Unternehmen wie Google, Facebook oder Apple sollen zudem künftig nicht nur am Ort ihres Firmensitzes Steuern zahlen, sondern auch wo sie ihre Umsätze machen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach nach der Londoner G7-Minister-Runde von einer „Steuerrevolution“.
Aber ist sie das wirklich? Im Gespräch – und von den USA favorisiert – war schließlich auch mal eine globale Mindeststeuer von 21 Prozent. Außerdem müssten sich die G20, die zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer im Juli auch erst mal einigen. Und auch in Europa dürfte der Vorstoß – nach wie vor – kritisch beäugt werden. Zum Beispiel in Zypern. Oder in Irland, wo Facebook seine Europazentrale hat. Und wo der Unternehmenssteuersatz bei 12,5 Prozent liegt.
CSU-Europaabgeordneter Markus Ferber: Das kann nur der Startschuss sein
Die Reaktionen sind positiv, aber nicht ganz so euphorisch wie beim wahlkämpfenden SPD-Kanzlerkandidaten. Markus Ferber, Vorsitzender der CSU Schwaben und Sprecher der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments, kommentierte den Beschluss auf Anfrage so: „Es ist begrüßenswert, wenn sich die G7 auf eine Steuer für Digitalkonzerne und einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent einigen. Das kann aber nur der Startschuss sein. Denn wir brauchen auch eine Einigung auf G20-Ebene und danach im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Erst wenn es da beschlossen ist, können wir die Mindeststeuer auch in Europa umsetzen.“
Ferber weist darauf hin, dass es auch in Europa eine ganze Reihe von Ländern mit niedrigen Sondersteuern gibt, die zunächst einmal gegen den nun gefassten G7-Beschluss seien. Nicht nur Irland oder Zypern, sondern etwa auch Luxemburg, wo Amazon seinen Europasitz hat. Die Mindesthöhe von 15 Prozent hält Ferber für angemessen. „Die würden uns – gerade mit Blick auf die genannten Länder – schon helfen.“
Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen sagt: Höherer Mindeststeuersatz wäre erstrebenswert
Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, spricht auch von einem „großen Fortschritt“. Allerdings hält Giegold einen höheren Steuersatz, etwa die von den USA zunächst geforderten 21 Prozent, für erstrebenswert. „Nun liegt der erwartete Mehrertrag für Deutschland bei etwa 5,7 Milliarden Euro. Das hätte deutlich mehr sein können und ist im Vergleich zum Gesamtsteuerertrag noch keine Sanierung.“
Für die im Juli anstehende G20-Tagung rechnet er dennoch mit einer guten Chance auf Einigung. Denn: „Die Kassen sind überall leer.“ Dennoch hänge der Ertrag des Beschlusses letztlich daran, wie er genau in den einzelnen Ländern umgesetzt werde. „Wir in Deutschland können nicht wollen, dass das hier zum faktischen Steuersatz für Unternehmen wird.“ Und das Problem der Briefkastenfirmen in Steueroasen sei auch noch nicht gelöst, weil der Deal nur für rund 2000 Großunternehmen gelte.
Fratzscher: Debatte über Steuersenkungen für Unternehmen beenden
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ordnet das G7-Ergebnis im Gespräch mit unserer Redaktion so ein: „Die globale Mindestbesteuerung ist ein wichtiger Schritt, um den Unterbietungswettbewerb bei Steuern für Unternehmen zu beenden. Deutschland gehört zu den größten Gewinnern der globalen Mindestbesteuerung: Sie wird viele Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen in die Staatskasse spülen.“ Das Abkommen werde vor allem den deutschen Mittelstand gegenüber dem unfairen Wettbewerb der multinationalen Konzerne schützen und damit auch Arbeitsplätze in Deutschland sichern, analysiert Fratzscher. „Ultimativ werden nicht nur die Steuerzahler von diesem Abkommen profitieren, sondern auch die Konsumenten, denn ein fairer Wettbewerb führt zu besseren Produkten und niedrigeren Preisen.“
Fratzscher führt die Debatte aber weiter. Seiner Meinung sollte das Abkommen zur globalen Mindestbesteuerung von Unternehmen in Deutschland nun auch die Debatte über Steuersenkungen für Unternehmen beenden. Der Ökonom sagt: „Es besteht nun keine Notwendigkeit mehr, die Unternehmenssteuern weiter zu senken, zumal diese schon in den letzten Jahrzehnten gesunken sind. Die Bundesregierung sollte dieses Abkommen nutzen, um den schleichenden Prozess der Umverteilung der Steuerlast von Unternehmen hin zu Bürgerinnen und Bürgern zu beenden und umzudrehen.“ Das Abkommen sei eine Chance, jetzt Arbeit steuerlich zu entlasten, vor allem für Menschen mit mittleren und geringen Einkommen. „So kommen mehr Menschen in Arbeit und die deutsche Wirtschaft kann mehr Wohlstand aufbauen.“
Ifo-Präsident Fuest sagt: Mehreinnahmen gehen voraussichtlich vor allem in die USA
Clemens Fust, der Präsident des Münchener Ifo-Instituts wertet den Beschluss der G7 (Großbritannien, Frankreich, USA, Deutschland, Italien, Japan und Kanada) anders als Fratzscher: „Die globale Mindeststeuer wird dazu beitragen, die krassesten Fälle von Steuervermeidung einzudämmen. Mehreinnahmen werden aber voraussichtlich allem in die USA fließen, weniger nach Deutschland oder Europa. In Deutschland existieren bereits vergleichsweise weit gehende Regeln gegen Steuervermeidung heimischer Unternehmen.“ Mittelfristig, so Fuest weiter, dürfte die Mindeststeuer aber weitere Senkungen der Unternehmensbesteuerung „zumindest verlangsamen, sodass indirekt auch das deutsche Steueraufkommen stabilisiert wird“.
Und was wird nun aus den eigenen, europäischen Plänen für eine Digitalsteuer? Fuest sagt: „Die Pläne für eine europäische Digitalsteuer dürften damit zu den Akten gelegt werden.“ Es werde, so erklärt der Steuer- und Finanzpolitik-Experte Fuest weiter, immer wieder Forderungen geben, sie trotzdem einzuführen, aber das würde einen Handelskrieg mit den USA auslösen, der sich nicht lohne. Fuest betonte zudem: „Steuervermeidung ist auch nicht nur ein Problem der Digitalwirtschaft.“
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Die Diskussion ist geschlossen.
Wie jede Steuererhöhung, Gebührenerhöhung etc. wird den Endverbraucher treffen. Die Folge ist eine galoppierende Inflation.
Dann streichen wir halt Lohnerhöhungen und Rentenerhöhungen. Dann spart sich der Endverbraucher auch was wenn er bei Amazon bestellt. Und die Inflation wird gestoppt. ;-)
Globale Mindeststeuer für Groß-Konzerne: Mal schauen was die Chinesen bezahlen in einem Land wo kräftig für den Weltmarkt produziert wird? Wahrscheinlich werden die 15% auf die Produkte aufgeschlagen und der Käufer bezahlt dafür.
Der diw Präsident weiß aber schon, wie hoch die Steuerlast für in Deutschland ansässige Unternehmen sind ? Mit gesparten 50 ig Prozent könnt ich entweder die Preise senken oder alternativ meinen Mitarbeiterstab massiv vergrößern ...
Fratscher -Herr Fratscher- weiß (obwohl "Ökonom") wohl nicht , daß Unternehmen ,- ob groß , ob klein,
KEINE Steuern zahlen .
Egal ob im Inland, ob im Ausland : Unternehmen zahlen keine Steuern !
Denn die Steuerlast gehört ja -betriebswirtschaftlich !- in die Kosten und damit in den Preis eines Gutes oder einer Dienstleistung mit hinein .
Steigt eine Steuer , steigt auch der Preis - ganz unabhängig von weiteren Fragen der Güter-Preisbildung (wie Wettbewerb etc) .
Aktuell hat man diesen Effekt zB durch die CO2-Steuer.
Da sieht man eben den Unterschied zwischen dem "Wissen" eines Volkswirts und dem eines Betriebswirts !
Also nochmal zum Mitschreiben :
Unternehmen "zahlen" NIE Steuern , sie leiten diese nur weiter !
Alle Kosten eines Produkts zahlt der Konsument !
Und Scholz jubelt ja nur so , weil er es im Rahmen der EU nie fertiggebracht hatte , die Unternehmens-Steuergleichheit innerhalb der EU zu bewerkstelligen !
Es war NIE die Schuld von Apple ,Amazon und Co. , daß sie eben in Luxembourg und Ireland weniger zahlen mußten !
Die Unternehmen haben lediglich - sparsam wie die schwäbische Hausfrau- gehandelt !
Das kann man ihnen nicht im Mindesten vorwerfen !
Nicht einmal moralisierend !
Schuld war die jahrelange Unfähigkeit Brüssels , in der EU einen einheitlichen Steuersatz zu erreichen .
"Unternehmen "zahlen" NIE Steuern , sie leiten diese nur weiter !"
Also zum Mitschreiben :
Tatsache ist, Unternehmen zahlen Steuern (Fragen Sie mal einen Mittelständler oder Kleinunternehmer).
Tatsache ist aber auch: Eine Unternehmenssteuer gibt es nicht.
Wenn von Unternehmenssteuer die Rede ist sind immer verschiedene Steuerarten für Unternehmen - abhängig von der Gesellschaftsform des Unternehmens und seiner Größe - gemeint. In Frage kommen für Unternehmen die Umsatzsteuer, Einkommen- oder Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer.
Deshalb ist ein einheitlicher Steuersatz auf EU-Ebene kaum vorstellbar.
"Alle Kosten eines Produkts zahlt der Konsument !"
Nur dann, wenn der aus allen Kosten resultierende Preis für ein Produkt oder eine Dienstleistung sich auf dem Markt durchsetzen lässt. Geht das nicht, sind Steuern die das Unternehmen zahlen muß gewinnmindernd oder gehen zu Lasten der Substanz.
"Und Scholz jubelt ja nur so , weil er es im Rahmen der EU nie fertiggebracht hatte , die Unternehmens-Steuergleichheit innerhalb der EU zu bewerkstelligen !"
Seine Vorgänger brachten nicht einmal diese Minimallösung zu Stande.
Also Ihrer steilen These würde jeder Ökonom, auch jeder Betriebswirtschaftler, mit dem Argument „Kostensteuern gehen in die Produktkalkulation ein, Ertragssteuern dagegen nicht“ widersprechen. Obgleich, vom Ende her gedacht, haben Sie vielleicht genauso recht wie der Nationalökonom John Maynard Keynes mit seiner Feststellung: “In the long run we are all dead”.
Wau!
Nach Ihrer Logik zahlen Unternehmen auch keine Stromrechnung und natürlich auch keine Löhne.
Raimund Kamm
So einen Unsinn hab' ich selten gelesen: Unternehmen zahlen keine Steuern. Manche Steuern werden in den Produktpreis kalkuliert - richtig. Aber Ertragssteuern, wie Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftssteuer - ich sag am besten nix mehr dazu.
Wann kann der Bürger Ehrlichkeit von der Politik erwarten? Ganz sicherlich nicht zu Wahlkampfzeiten.
Wenn aber der Präsident des DIW, Marcel Fratzscher, so spricht, als wäre das Problem der Steueroasen jetzt schon erledigt, dann schreibe ich lieber mal nicht nieder, was m. E. von einem Mann zu halten ist, der von der EU und ihrer grenzenlosen Solidarität schwärmt, und dabei die Augen vor den unlauteren Steuerpraktiken von Luxemburg, Niederlande und Irland verschließt.
Und was den US-Präsidenten aus Delaware angeht, schreibt die WirtschaftsWoche am 29. April 2021:
„US-Präsident Joe Biden schießt verbal gegen die Schweiz, die er als „Steueroase“ bezeichnet und will in den USA mit einer radikalen Reform Schlupflöcher schließen. Sein Heimatstaat Delaware soll jedoch verschont bleiben.“ Delaware hat 900.000 Einwohnern – und 1,5 Millionen Unternehmen. Oder Briefkästen.
Nachtrag hierzu: Das Handelsblatt sieht das ähnlich.
Meldung von soeben:
https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-g7-beschluss-der-jubel-ueber-eine-globale-mindeststeuer-kommt-zu-frueh/27259938.html?ticket=ST-9349384-SqgphrhjAVWyRYTYYEqW-ap4
So ganz begreife ich die Aussage nicht, wie eine Steuererhöhung zu niedrigeren Preisen führen soll. Ich denke genau das Gegenteil wird der Fall sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die betroffen Unternehmen ihre jetzt "neue" Steuerbelastung so einfach schlucken werden.
Ich denke, dass ein Großteil der für die Unternehmen entstehenden Kosten auf den Verbraucher zukommen. Es wird so sein, wie bei jeder Steuererhöhung, dass sie am letzten Glied der Kette, nämlich den Kunden hängen bleibt.