Ein besseres Verhältnis zu Russland gibt es erst nach Wladimir Putin
Wladimir Putin sieht sich auf der Mission, Russlands Größe wiederherzustellen. Erst nach seinem Abtreten werden sich die Beziehungen zum Westen entspannen können.
Wenn Russland und Amerika am Montag in Genf über die Ukraine verhandeln, ist das ein Erfolg für Wladimir Putin. Er nötigt die anderen an den Tisch. Putin schwächt, sabotiert, spaltet und bestiehlt die Ukraine seit 2014, als er die Halbinsel Krim mit grünen Männlein erobern ließ.
An ihrer Grenze hat er über 100.000 Soldaten zusammengezogen und damit eine machtvolle Drohung ausgesprochen. Zwar hat Russland 1994 das Budapester Memorandum unterzeichnet und sich darin verpflichtet, die Souveränität seines Nachbarlandes zu achten. Aber das soll heute nicht mehr zählen.
Putin, Herr über das Eskalationspotenzial
Putin sitzt in seiner Nachbarschaft am längeren Hebel, denn er wäre bereit, für die Ukraine kämpfen zu lassen, während das US-Präsident Joe Biden und die Europäer nicht sind. Er hält das Eskalationspotenzial in seinen Händen, wie es in der Sprache der Sicherheitspolitik heißt.
Weil der Herr des Kremls glaubhaft machen kann, notfalls ernstzumachen, zwingt er die USA an den Verhandlungstisch. Noch im alten Jahr legte er Forderungen auf den Tisch, die der Westen nicht akzeptieren kann, weil sie das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker eklatant verletzen. Denn Putin verlangt, dass sich die Nato nicht weiter ausdehnt und keinesfalls die Ukraine oder andere frühere Sowjetrepubliken aufnehmen darf. Darüber hinaus besteht er darauf, dass der Nordatlantik-Pakt Waffen aus Osteuropa abzieht.
Auf diese Bedingungen kann sich das Militärbündnis nicht einlassen, wovon Russland ausgehen muss, weshalb es auch in Zukunft die Ukraine weiter im eisernen Griff halten wird. Denn nur stabile Staaten ohne ungelöste Konflikte dürfen Teil der Allianz werden. Je nach politischer Weltlage kann dieser Griff aber gelockert oder forciert werden.
Geringe Erwartungen an Genf
Wegen dieser knallharten Konditionen Russlands sind die Erwartungen an die Gespräche in Genf gering. Am Mittwoch tagt außerdem der Nato-Russland-Rat das erste Mal seit zweieinhalb Jahren und wird sich selbstredend ebenfalls mit der gefährlichen Lage befassen. Für die kommenden Jahre werden sich Europa und Amerika darauf einstellen müssen, dass das Verhältnis zu Russland ein schwieriges bleibt.
Putin hat Russland machtvoll zurück in das Spiel der Großmächte gezwungen, aus dem es der frühere US-Präsident Barack Obama schon ausgeschieden sah. Ganz Großmacht definiert der russische Staatschef einen Einflussbereich, aus dem sich die anderen heraushalten sollen. China tut das auch und natürlich die USA selbst. Im Grund gehört die Europäische Union zu dieser amerikanischen Einflusszone, wenngleich sie davon profitiert, weil die Ausgaben für Sicherheit signifikant niedriger sind.
Putin hält den Zusammenbruch der Sowjetunion vor drei Jahrzehnten für eine weltgeschichtliche Tragödie und hat in einem langen Essay beschrieben, warum die Ukrainer eigentlich keine eigene Nation bilden und es "eine historische Einheit von Russen und Ukrainern" gebe.
Der ewige Putin kann nicht freiwillig gehen
Der frühere KGB-Offizier hat sich in über 20 Jahren an der Macht von einem liberalen Technokraten in einen autoritären Herrscher verwandelt. Seine Mission ist es, die Schmach der Geschichte zu tilgen und Russland wieder groß zu machen. Der 69-Jährige hat die Verfassung ändern lassen und kann theoretisch bis 2036 regieren. Biologisch ist das nicht unmöglich, wenngleich unwahrscheinlich. Europa und die USA müssen sich dennoch darauf einstellen, dass der Mann aus St. Petersburg noch eine ganze Weile weitermacht und herausfordert.
Putin kann die Macht, wie alle autoritären Machthaber, nicht mehr aus der Hand geben, ohne befürchten zu müssen, dass mit ihm selbst abgerechnet wird. Wegen der grassierenden Korruption, wegen der Verfolgung Oppositioneller, wegen der politischen Morde. Also macht er weiter. Das wirksamste Mittel gegen Langzeitherrscher ist, ihren Günstlingen Spaß und Geld zu nehmen. Und ihren Kindern den Internatsplatz in der Schweiz. Verlieren sie ihren Status, wenden sie sich vom Übervater ab. Das wäre die Chance für den Neuanfang.
Die Diskussion ist geschlossen.
Wenn die Prognose stimmen sollte, dass sich das Verhältnis zu Russland nach Wladimir Putin verbessert, dann wird nach Joe Biden das Verhältnis mit Sicherheit noch "besserer".
Ich schätze die Augsburger Allgemeine sehr für Ihren guten Journalismus. Was die aktuelle Berichterstattung und Kommentierung der Ukraine-Krise angeht, spielt sie nach meiner Einschätzung allerdings nicht in der ersten Liga.
Der Leitartikel steht hierfür als ein Beispiel. Wir müssen jetzt eine Antwort auf die Aggression Russlands finden. Wer auf Putin mit welchen Konsequenzen folgt, scheint in diesem Zusammenhang nachrangig. Sorry.
Herr Grimm sie haben wohl keine Ahnung von der hystorie der Krim, sie war immer russisch auch 80 % der Bevölkerung sind Russen, nur weil ein Präsident aus einer Laune heraus die Krim zur Ukraine gegeben hat, heißt es doch nicht, das die Bevölkerung Ukrainer sind. Das selbe ist mit der Ostukraine um Donbas, diese Menschen wollen nicht Ukrainer sein, aber die Ukraine bekämpft diese Gegend mit Hilfe der EU und Nato, dafür liefert Russland berechtigter Weise Waffen. Donbas will selbständig sein, oder zu Russsland gehören. Das sollte doch vom Westen mal akzeptiert werden. Rutin ist sicher nicht der Kriegstreiber, das ist der Westen mit USA und Nato.
Falsch. Die Krim war nicht immer russisch. Erst seit ca. 250 Jahren gehört sie zu Russland. Durch gezielten Zuzug, Vertreibung nichtrussischer Bevölkerung - zuletzt Deportation von Nichtrussen 1944 durch Stalin - kam es dort zu einer russischen Bevölkerungsmehrheit.
Im Donbas gibt / gab es auch keine russische Mehrheit. Sieht man auch an den "Separatisten". Viele kommen aus Russland. Insbesondere russische Rechtsextreme sind dort vertreten und für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlich. Die dortige Bevölkerung, egal ob Russen oder Ukrainer, wollen eigentlich ihre Ruhe. Die haben von Kiew und von Moskau die Schnauze voll.
Putin sagte mal, der Untergang der Sowjetunion war die größte Kathastrophe des 20. Jahrhunderts. Im Moment (Ukraine, Kasachstan) sieht es so aus, als ob er dies wieder einmal rückgängig machen wollte. Egal wie hoch der Blutzoll ist.
Die Balten werden ihren NATO-Beitritt gerade wieder feiern.
"Herr Grimm sie haben wohl keine Ahnung von der hystorie der Krim, sie war immer russisch auch 80 % der Bevölkerung sind Russen, …"
Nachdem Stalin anno '44 die Krimtataren deportieren ließ…
Besseres Verhältnis des Wertewestens zu Russland erst nach Putin. Das darf man zu Recht bezweifeln. Wenn man vom Westen hochgelobte Leute wie Nawalny nimmt, sind diese in ihrer Grundeinstellung nationalistisch gesonnen und werden kaum Tendenzen Platz geben, die Russland als Großmacht Schaden könnten. Leute wie Gorbatschow oder Jelzin kommen sobald nicht wieder. Und das System unter welcher Führung auch immer wird nie transparent nach westl. Vorbild werden. Am Meisten stört ja den Westen, dass man die Intentionen der RU Gegenseite nicht abschätzen kann, da Hintergrundinformationen zu Entscheidungsfindungen nicht verfügbar. In Ländern wie RU oder China werden politische Fragen nicht aller Öffentlichkeit diskutiert. Eine organisierte Zivilgesellschaft nach westl Muster gibt es praktisch nicht. Und das wird auch so bleiben.
Doch je mehr der Westen auf Konfrontation geht, umso enger werden sich RU und China aufeinander abstimmen und wenn notwendig kooperieren.