Orbáns Wahlsieg – schmerzhafte Lektion für die Opposition
Die ungarische Opposition war als Block in die Parlamentswahl gegangen. Umso bitterer ist die Niederlage gegen Ministerpräsident Viktor Orbán. Und zwar auch für die EU.
Das war dann wohl das, was man gemeinhin eine „herbe Klatsche“ nennt. Die Opposition in Ungarn ist bei der Parlamentswahl nicht einfach nur an Viktor Orbán gescheitert. Der Dauerpremier hat die Allianz seiner Gegner geradezu zerlegt. Das Wort passt auch deshalb gut, weil sich diesmal die gesamte Opposition von weit links bis rechts außen verbündet hatte, um Orbán nach zwölf Jahren aus dem Amt zu jagen. Das war das einzige Ziel – und genau das war zu wenig. Den Herausforderern fehlte ein eigenes politisches Angebot an das Land und seine Menschen.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Diese Wahl war alles andere als fair. Orbán hat sich längst die Medien unterworfen. Er kann auf sämtlichen Kanälen seine Wahrheit verbreiten. Außerdem hat er das Wahlsystem auf seine rechtsnationale Fidesz-Partei zugeschnitten. Das Netz seiner ebenso treuen wie korrupten Gefolgsleute durchzieht alle Bereiche der Gesellschaft.
Dem Spitzenkandidat der Opposition, Peter Márki-Zay, fehlte das inhaltliche Fundament
Ungarn ist nicht nur ein illiberaler Staat, wie Orbán es formuliert. Ungarn ist längst ein hybrides Mischsystem aus Demokratie und Autokratie. Völlig klar: Unter solchen Bedingungen kann eine Opposition nicht einfach so eine Wahl gewinnen. Sie geht mit einem riesigen Rückstand ins Rennen, der sich, wenn überhaupt, nur mit einer gigantischen Kraftanstrengung aufholen lässt. Gerade deswegen aber wäre vor dieser Wahl sehr viel mehr Einsatz und Kreativität nötig gewesen. Unter dem Strich war die angeblich so geeinte Opposition leider nur ein Anti-Orbán-Zweckbündnis.
Dabei war die Idee gut, mit dem Provinzbürgermeister Peter Márki-Zay einen jungen, liberalkonservativen „Orbán 2.0“ als Spitzenkandidaten ins Rennen zu schicken. Doch je länger der Wahlkampf dauerte, desto offensichtlicher wurde, dass dem Herausforderer das inhaltliche Fundament fehlte. Statt zu sagen, welches Ungarn er sich angesichts der existenziellen Krisen dieser Zeit vorstellt, steigerte sich Márki-Zay in immer wütendere Reden hinein, die von einem „Mafiastaat“ handelten und von „Vaterlandsverrätern“. So etwas wollen die wenigsten Menschen hören, wenn im Nachbarland ein Krieg tobt.
Die Opposition muss aus dem Desaster schnell lernen
Die Opposition in Ungarn muss aus dieser Katastrophe schnell lernen, wenn sie nicht bedingungslos vor Orbán kapitulieren will. Ähnliches gilt im Übrigen für die EU. Denn auch in Brüssel fehlt es an einer durchdachten Strategie im Umgang mit Ungarn, Polen und Co. Und das nicht erst seit heute. Die EU-Kommission hat nach Orbáns fulminantem Wahlsieg 2010 viel zu lange mit angesehen, wie er seinen autoritären Staatsumbau plante und realisierte.
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Dabei hätten auch frühere und schärfere Finanzsanktionen vermutlich nicht viel bewirkt. Selbstverständlich sollte man ein korruptes Regime nicht mit Euros päppeln. Aber Geldentzug allein ist noch keine politische Strategie. Offensichtlich ist doch nach zwölf Jahren „Orbánismus“ in Ungarn, dass ein großer Teil der Menschen im Land ähnlich tickt wie der Premier. Anders formuliert: Der Instinktpolitiker Orbán macht genau die Dinge, von denen er spürt, dass die Leute sie wollen. Das ist mehr als bloßer Populismus. Es ist eine Frage von Weltsicht und Überzeugungen. Und genau deshalb reicht das Abstrafen durch die EU so wenig aus wie die Wutausbrüche der ungarischen Opposition. Was es braucht, ist eine echte Auseinandersetzung mit den Menschen, und zwar in der ganzen Breite und Tiefe.
Oft werden dabei schon die Fragen wehtun. Zum Beispiel: Warum ist Orbán mit seinen Reden von der traditionellen ungarischen Mutter-Vater-Kinder-Familie so erfolgreich? Warum dringen die Verfechter sexueller Minderheitenrechte mit ihren sehr viel besseren Argumenten nicht durch? Fakt ist, dass man sich die Menschen in der Puszta oder im polnischen Vorkarpatenland nicht backen kann. Man muss sie erst einmal nehmen, wie sie sind. Und dann muss man sie eines Besseren … belehren? Nein, man muss sie überzeugen.
Die Diskussion ist geschlossen.
K. Brenner
Man kann Menschen nur überzeugen, wenn diese auch dazu bereit sind, z. B. den Nutzen der Pressefreiheit und des Pluralismus einer demokratischen Gesellschaft zu verstehen.
Gleichzeitig muss die EU ganz klar sich gegen Mitglieder erwehren, deren Regierungen gegen die Regeln verstoßen, die fester Bestandteil der EU-Verträge sind, und die Wahlen gewinnen, indem sie gegen die EU Stimmung machen. Die EU überlebt nur, wenn sie gegen äußere aber auch gegen innere Feinde vorgeht und diese entschieden sanktioniert.