Welche Corona-Maßnahmen etwas gebracht haben – und welche nicht
Maskenpflicht, Schulschließungen, Kontaktbeschränkungen: Der Sachverständigenrat hat die Corona-Politik unter die Lupe genommen. Was die Experten der Regierung nun empfehlen.
In den ersten Corona-Wellen musste die Regierung notgedrungen mit ihren Maßnahmen auf Versuch und Irrtum setzen. Doch mit jeder Regel, mit jedem Verbot standen die Fragen im Raum: Bringt das überhaupt etwas und stehen die teils erheblichen Einschränkungen von Bürgerrechten in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer Wirkung im Kampf gegen die Pandemie?
Der Sachverständigenrat, den Bundestag und Bundesregierung eingesetzt hatten, sollte genau diese Fragen beantworten – und damit den Weg für den nächsten Corona-Winter aufzeigen. Am Freitag haben die Fachleute ihre mit Spannung erwartete Einschätzung vorgestellt und Empfehlungen gegeben. Auf dieser Basis soll Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das Land durch die nächsten Wellen steuern.
Hendrik Streeck: "Wir legen keine Tabelle vor, was richtig oder falsch ist"
Es sollte keine Generalabrechnung mit der Corona-Politik sein, das betonte die Kommission gleich zu Beginn. "Wir legen keine Tabelle vor, was richtig oder falsch ist", dämpfte der Virologie Hendrik Streeck übertriebene Erwartungen und erklärte, dass es schwierig sei, angesichts der vielen Maßnahmen, die gleichzeitig ergriffen worden sind, punktgenau zu sagen, welche Regel nun im Einzelnen gut oder schlecht funktioniert hat. In einem Fall legte er sich dann aber doch fest: bei den Kontaktbeschränkungen.
"Es gibt keinen Zweifel, dass, wenn wir unsere Kontakte reduzieren, wir auch die Ansteckungswahrscheinlichkeiten reduzieren", sagte Streeck. Gerade zu Beginn einer Pandemie sei es sinnvoll, die Übertragung so weit es geht zu begrenzen, um dem Gesundheitssystem den Spielraum zu geben, sich zu wappnen. Die Experten kommen allerdings recht eindeutig zu dem Schluss, dass die Wirkung nach einiger Zeit nachlässt. "Je länger ein Lockdown dauert und je weniger Menschen bereit sind, die Maßnahmen mitzutragen, das haben einige Studien gezeigt, desto geringer ist der Effekt", sagte Streeck.
Und nicht nur das: Mit der Zeit nehmen auch die unerwünschten Folgen zu, etwa Vereinsamung, psychische Probleme oder häusliche Gewalt. Dazu kommen die wirtschaftlichen Schäden. Angesichts der Tatsache, dass die bisher vorhandenen Impfstoffe nicht vollständig vor einer Corona-Infektion schützen und der Immunschutz mit der Zeit auch nachlässt, sieht das Gremium Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte nach den 2G- oder 3G-Regeln eher skeptisch.
Einer der spannendsten Punkte in der Analyse der Sachverständigen war die Maskenpflicht. "Masken wirken", sagte Streeck unmissverständlich, stellte aber zugleich klar, dass sie nur dann einen Effekt haben, wenn sie richtig getragen werden. Das gelte gerade für die potenziell besonders gut schützenden FFP2-Masken. "Da sehen wir nicht den Effekt, der erhofft wird", sagte der Virologe.
Auch zu den höchst umstrittenen Schulschließungen zogen die Experten eine eher ernüchternde Bilanz. Das daraus folgende Herunterfahren der Kontakte mag die Weitergabe des Virus gebremst haben. Die Soziologin Jutta Allmendinger betonte aber auch, wie stark die Nebenwirkungen auf Kinder und Eltern waren. "Wir können es besser machen, als wir es in den letzten zwei Jahren gemacht haben", stellte sie abschließend klar und appellierte an Politikerinnen und Politiker, die Ergebnisse des Sachverständigenrates ernst zu nehmen.
Jutta Allmendinger: Politik muss Chancen und Risiken transparent darstellen
Allmendinger beschäftigte sich in dem Gremium auch mit der Risikokommunikation, die sie für einen zentral wichtigen Baustein hält, um Vertrauen in Wissenschaft und Politik zu schaffen. "Es ist wichtig, dass wir schnell informieren – auch mit dem Risiko, dass wir in einer Woche etwas ganz anderes sagen, weil wir mehr wissen", sagte sie. Politik müsse transparent darstellen, welche Chancen, aber auch welche Risiken bestimmte Maßnahmen mit sich bringen.
Auch zweieinhalb Jahre nach Beginn der Pandemie taten sich die Expertinnen und Experten bei ihrer Evaluation schwer mit der Datenbasis, die an vielen Stellen lückenhaft ist, weil die Digitalisierung des Gesundheitssystems nur langsam vorankommt. Aber eben auch, weil bei vielen gleichzeitig laufenden Maßnahmen schwer zu messen ist, welche mehr und welche weniger zum gewünschten Effekt beigetragen haben.
Die Diskussion ist geschlossen.
@Reichenauer: Na, wenigstens wissen Sie als "Virusflüsterin", was das Virus interessiert bzw. (anscheinend) was wirkt :-)
...schützen Sie sich und andere - bleiben Sie einfach zuhause am PC und philosophieren Sie über all die wirkungsvollen Maßnahmen...
...hoffen wir auf wahlweise auf etwas Lernfähigkeit und Reflektiertheit im Hinblick auf den nächsten Herbst/Winter - nicht dass, wieder alle Verbotsreflexe der Politikerkaste und sonstiger Verbotsfetischisten aufbrechen und deutlich mehr Mündigkeit der Bevölkerung!
Wer es für sinnvoll und hilfreich hält bzw. sich selbst oder sein enges familiäres Umfeld für vulnerabel, kann sich impfen lassen, Maske tragen und eine Kontakte einschränken...
Es wird das Virus nicht interessieren, ob Sie Maske oder Kontaktreduzierung für sinnvoll halten. Nur wenn sich möglichst viele an die Vorsichtsmaßnahmen halten und sich impfen lassen, kann etwas bewirkt werden. Wer sich nicht daran hält, ist eine Gefahr für andere Menschen, und genau da hört die oft so gepriesene Freiheit des Einzelnen auf.
Erwartbar und ähnliche Ergebnisse zur der Schweizer Evaluation einiger Maßnahmen, die letzte Woche erschien. Grob zusammengefasst: Wenige Maßnahmen haben eine starke Wirkung (mit Gefahr hoher Kollateralschäden im Zeitverlauf) in der Anfangsphase einer Pandemie, andere Maßnahmen haben keine oder zumindest anhand unklarer (oder verschlafener) Datenlage/-basis nur geringe oder keine bewertbare Wirkungen.
Und das Lieblingsthema Maske: Anders als im Evaluationsbericht erwähnt, gab es systematische Untersuchungen über die Wirksamkeit von Masken in verschiedenen Settings - die haben aber bis 2020 eine unklare oder nur geringe Wirkung gezeigt. Das dieser Review über die letzten 2 1/2 Jahre ignoriert wurde, obwohl Cochrane (die hochwertige, relevante und aktuelle wissenschaftlicher Evidenz für Maßnahmen im Gesundheitswesen auf ihrer Fahne stehen haben), ist schon bemerkenswert: https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD006207.pub5/full/de#CD006207-abs-0005
"Verglichen mit dem Nichttragen einer Maske bewirkt das Tragen einer Maske möglicherweise nur einen geringfügigen oder keinen Unterschied...
Verglichen mit dem Tragen von medizinischen oder chirurgischen Masken bewirkt das Tragen von N95/P2‐Atemschutzmasken wahrscheinlich nur einen geringfügigen bis keinen Unterschied darin, wie viele Menschen [...] erkrankten...
Wir sind unsicher, ob das Tragen von Masken oder N95/P2‐Atemschutzmasken die Verbreitung von Atemwegsviren verlangsamt."
Dass Masken (technisch gesehen, wenn die Tragebedingungen stimmen) wirken, eine Wirkung von Maskenmandaten in der Summe aber zwischen Länder mit und Ländern ohne Mandat oft nicht unterscheidbar ist, zeigt sich immer häufiger: https://www.nytimes.com/2022/05/31/briefing/masks-mandates-us-covid.html
Wer vom Masketragen überzeugt ist, müsste sich konsequenterweise auch für eine regelmäßige Glattrasurpflicht für Bartträger:Innen einsetzen...
warum zitieren Sie nicht das hier aus der Studie?
Unser Vertrauen in die Ergebnisse ist generell niedrig für die subjektiven Endpunkte bezogen auf Atemwegserkrankungen, aber moderat für genauer definierte, im Labor bestätigte Atemwegsinfektionen bezogen auf Masken und N95/P2‐ Atemschutzmasken. Diese Ergebnisse könnten sich noch ändern, wenn mehr Evidenz verfügbar ist. Die Anzahl der Menschen, die den Anweisungen zum Tragen von Masken oder zur Handhygiene folgten, war relativ gering. Dies könnte die Ergebnisse der Studien beeinflusst haben.
Lieber Lothar B.,
ich frage mich langsam wirklich, was Sie eigentlich
antreibt, uns Leser immer neue Zitate aus
irgendwelchen Artikeln zu präsentieren,
die Masken und Impfen in der Pandemie für
nicht sinnvoll halten.
Meine Hausärztin, mein Zahnarzt, mein Hautarzt und
mein HNO Arzt und ihre Helferinnen sind alle geboostert und tragen Masken.
Sind das alle Deppen ?
Fassen Sie Ihre Motivation doch einfach so zusammen: Maske tragen ist etwas unbequem, also suche ich in irgendwelchen Studien und Artikeln danach, wer das außer mir unbequem findet und schon muss es stimmen. Wenn die von Ihnen zitierten Studien so seriös sind – warum trägt das Krankenhauspersonal noch Masken? Weil Ärzte und Krankenschwestern nicht erkannt werden wollen, oder was? Es könnte ja mit Infektionsschutz zu tun haben, oder?
Wenn das Maskentragen und Abstandhalten keinen Effekt hat, frage ich mich, warum dann letztes Jahr die Grippesaison praktisch ausgefallen ist und auch sonstige Atemwegsinfektionen viel seltener als üblich auftraten.
Ich glaube, beim meisten weiß man garnicht ob es gewirkt hat. Ein WELT+-Artikel von heute endet mit diesem Absatz:
>> An einer Stelle heißt es in dem Papier, es gelte, „die Frage zu stellen, welche Ergebnisse sich ohne die jeweiligen staatlichen Eingriffe ergeben hätten“. Die Frage kann man tatsächlich stellen. Eine Antwort darf man aber nicht erwarten. <<
Es hätte gereicht, im Bericht einen Satz weiter zu lesen. Da steht: " Der
Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage liegt in der frühzeitig in Gang gesetzten begleitenden Datensammlung und der multidisziplinären Auswertung dieser Daten.." (Quelle: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/S/Sachverstaendigenausschuss/220630_Evaluationsbericht_IFSG.pdf)
Aber damit war der Kommentator der Welt wohl überfordert...
Ich sehe schon, die Maskerade ist ein sensibles Thema. Letztendlich steht auch alles im Evaluationsbericht drin, man muss ihn nur genau lesen: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/S/Sachverstaendigenausschuss/220630_Evaluationsbericht_IFSG.pdf
Man kann es zusammenfassen:
1. Masken können das Transmissionsrisiko senken, rein auf Grund der physikalischen Eigenschaften und den in vielen Laborstudien nachgewiesenen Effekten, dies ist vollkommen plausibel und nachvollziehbar.
2. FFP2-Masken bieten hierbei ein besseres Schutzniveau als ein chirurgischer Mund-Naseschutz. ABER:
3. Masken wirken nur bei korrekter Anwendung, dies setzt Freiwilligkeit voraus, sonst trage ich meine Maske nicht so wie es sein muss. Und Leute, die bei der Maskenatmung Probleme haben, werden es noch weniger tun.
4. Daher ist der Effekt einer Maskenpflicht auf Bevölkerungsebene marginal bzw. gar nicht vorhanden (gilt gerade für FFP2-Masken, siehe Evaluationsbericht). Nur weil eine Maßnahme im Labor wirkt, bedeute dies nicht das sie diese Wirksamkeit auch im real-life auf die Straße bringt!
5. Dazu kommt: Die meisten Übertragungen finden dort statt wo keine Eingriffsmöglichkeiten bestehen (Privatbereich)
Jeder muss für sich eine Risikoabwägung durchführen und ist für seine Gesundheit selbst verantwortlich, eine Maßnahme ohne nachgewiesen Nutzen im wahren Leben darf nicht verpflichtend sein.