Sind die Grünen auf dem Weg zur Volkspartei?
Während die Kanzlerpartei SPD in den Umfragen absackt, profitiert die Öko-Partei. Warum der Meinungsforscher Manfred Güllner den grünen Verantwortlichen dennoch nicht zu Überschwang rät.
Wenn die Grünen eines Tages auf das Jahr 2022 zurückblicken, wäre es gut möglich, dass das Wort „Zeitenwende“ fällt. Nicht, weil es Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner bislang wohl wichtigsten Rede genutzt hat. Sondern weil es das auf den Punkt bringt, was innerhalb kurzer Zeit mit der Öko-Partei geschehen ist.
Kaum eine andere politische Gruppierung hat in solch rasendem Tempo ihre für unverrückbar gehaltenen Positionen über Bord geworfen wie die Grünen: steigende Rüstungsausgaben, schwere Waffen für die Ukraine, Strom aus Kohle, Energie-Gespräche mit Katar – womöglich sogar bald der (vorübergehende) Ausstieg aus dem Atomausstieg.
Zwar hat auch die Union in ihrer Regierungszeit immer wieder Pragmatismus walten lassen und sich von Grundsätzen wie etwa der Wehrpflicht verabschiedet. Doch anders als die Grünen fühlen sich CDU und CSU seit jeher eher der Macht verpflichtet als starren Prinzipien.
Hinzu kommt, dass die Union zwar im Kern konservativ, in ihren Verästelungen aber vielfältig ist: das Christsoziale findet dort genauso eine Heimat wie das Rechtskonservative. Die Grünen waren lange weit weniger beweglich – ideologisch nannten das die einen, prinzipientreu die anderen. Selbst der Kampf zwischen Realos und Fundis schien beigelegt.
Grüne liegen in Umfragen die fünfte Woche in Folge vor der SPD
Umso überraschender ist, dass die Geschmeidigkeit, mit der die grüne Parteispitze neue Wege geht, nicht in einer massiven Wählervergrämung endet. Im Gegenteil: In einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa landet die Partei in der fünften Woche in Folge bei 24 Prozent – und liegt damit sechs Prozentpunkte vor der Kanzlerpartei SPD und nur noch zwei Prozentpunkte hinter der Union. Die FDP kommt bei Forsa auf sieben, die Linke auf fünf und die AfD auf zehn Prozent. Ebenfalls zehn Prozent würden sich für eine der sonstigen kleinen Parteien entscheiden. Sind die Grünen also die neue deutsche Volkspartei?
Nein, sagt Forsa-Chef Manfred Güllner und nennt einen entscheidenden Grund: Volksparteien gelingt es, heterogene Wählergruppen mit unterschiedlichen Interessen zu bündeln und zusammenzuführen. „Die Grünen sind Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre im Milieu der westdeutschen Wohlstandsgesellschaft entstanden – einem Milieu, das es im Osten des Landes weder gab noch gibt“, analysiert Güllner. „Deshalb würden die Grünen derzeit in Westdeutschland von 26, in Ostdeutschland jedoch nur von zwölf Prozent der Wahlwilligen gewählt.“
Die Grünen würden, so der Meinungsforscher, auch nicht – wie in der SPD häufig gemutmaßt – einem den Sozialdemokraten zugeneigten proletarischen Milieu entstammen, „sondern die ersten Anhänger der Grünen waren Söhne der konservativen Bürgerschicht, denen sich später auch viele Bürgertöchter anschlossen“.
Das spiegelt sich in der Wählerschaft wider: Aktuell würden die Grünen von 35 Prozent der von Forsa Befragten mit Abitur oder Hochschulabschluss, aber nur von elf Prozent der Hauptschüler gewählt. Zudem würde die Partei häufiger von Frauen als von Männern gewählt. Außerdem seien die Grünen im eher linken Spektrum verortet: „Von den Wahlberechtigten, die sich selbst dem linken Spektrum zuordnen, würden 40 Prozent die Grünen wählen“, so die Forsa-Umfrage. „Von denen, die sich selbst in der politischen Mitte verorten, würden nur 15 Prozent grün wählen.“ Die Grünen seien zudem eine Partei der „Besserverdienenden“ und konkurrierten mit der FDP darum, welche Wähler im Durchschnitt über das höhere Haushaltseinkommen verfügen.
So erklären sich die Grünen selbst ihren Erfolg
Den aktuellen Zuwachs in den Umfragen erklärt Güllner mit der Unzufriedenheit der SPD-Wähler. „Die aus Unzufriedenheit mit anderen Parteien zu den Grünen Gewanderten werden damit aber keine Stammwähler der Grünen“, erklärt er. „Das war bereits im Vorfeld der letzten Bundestagswahl zu beobachten, als die nach der Nominierung von Baerbock und Laschet zu Kanzlerkandidaten zunächst hohen Werte der Grünen (die zeitweise sogar vor der Union lagen) bis zur Wahl wieder unter die 15-Prozent-Marke sanken.“ Die Partei verfüge also über kein festes Wählerpotenzial, auf das sie in jeder Lage vertrauen kann.
Bei den Grünen selbst freut man sich dennoch über den Zuspruch – zumal der sich nicht nur in abstrakten Umfragewerten niederschlägt, sondern auch in der Mitgliederzahl. Bei 125.000 liegt sie Stand Februar, aktuellere Zahlen gibt es nicht – doch das war ein Höchststand. Die Kurve geht seit Jahren schon steil nach oben. 2018 lag sie noch bei 96.487 Mitgliedern, 1998 bei knapp 52.000.
Die grüne Antwort nach innen und außen auf diese Entwicklung lautet „Verantwortung“. Fraktionsvize Andreas Audretsch, ein linker Grüner, glaubt: „Solange wir plausibel begründen können, warum wir in einer schwierigen politischen Lage so handeln, wie wir es tun, hören uns die Leute auch zu.“ Und er sieht in den aktuellen Krisen eine Art Bestätigung der grünen Warnungen. „Was wir seit vielen Jahren sagen, bewahrheitet sich derzeit mit unausweichlicher Härte und Klarheit“, sagt Audretsch. „Die Klimakrise wird angesichts brennender Wälder, Fluten und Dürren greifbar. Erneuerbare Energien sind günstig, schützen das Klima und machen uns unabhängig von Despoten wie (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin.“ Der Einsatz für Menschenrechte und Gerechtigkeit und eine klare Kante gegen Rechtsextreme würden zu Überlebensfragen liberaler Demokratien. (mit dpa)
Die Diskussion ist geschlossen.
Ob die Grünen zur Volkspartei werden, wird sich zeigen. Tatsache ist, dass sie weniger verfilzt und verbraucht sind als manche andere Partei. Auch die SPD hat ja die vergangene Groko mitgetragen und ist deswegen bei vielen nun auftretenden Mangelerscheinungen nicht ganz unschuldig. Den Grünen vorzuhalten, sie hätten eine Kehrtwendung in ihren Prinzipien gemacht und sie dabei mit den Unionsparteien zu vergleichen, ist nicht gerechtfertigt. Die jetzige Regierung ist in eine Situation hineingeworfen worden, die sich die Unionsparteien selbst bei der Bundestagswahll noch nicht einmal vorstellen konnten. Im Moment ist wirklich Pragmatismus angesagt, sicher wird man sich aber nicht vom Prinzip "Grün" verabschieden und weiterhin entsprechende Impulse setzen. Aber man musste auch aus dem Grund ungeliebte Wege einschlagen, weil die unionsgeführten Regierungen vieles verschlafen und ausgesessen hatten oder nur ihre eigene Anhängerschaft und ihre Lobbyisten befriedigt hatten. Vor allem Wirtschaftsminister Habeck sammelt im Moment Scherben ein, die die Vorgängerregierungen hinterlassen haben. Verbunden mit der Tatsache, dass uns nun auf die Füße fällt, dass man seit Jahrzehnten Raubbau an der Natur betreibt. Und er macht das ja recht gut und dazu sollte er die Unterstützung der Bürger haben. Man sollte sich nicht alles schlechtreden lassen von den ewig Gestrigen.
Was macht die Grünen eigentlich so stark ?
Sie haben mal ein Tempolimit 130 angekündigt, die großen SUV sollten teurer und damit unattraktiver werden!
Was ist da übriggeblieben ?
Ob die Grünen Volkspartei werden ist wohl noch nicht final erkennbar. Eines sind sie definitiv jetzt schon geworden: "beliebig", für alles um der Macht und Pöstchen willen, offen. Gute Voraussetzungen für den Standard-Politbetrieb!
Die Grünen sind längst in der bürgerlichen Mitte angekommen.
Die anderen Volksparteien mit ihrem Filz/Geklüngel erledigen den Rest.
Ob das nun gut ist und für wen, zeigt sich mit der zunehmenden Verantwortung.
Die Partei, ihre Wähler oder ihre Mitglieder als randständig zu betrachten halte ich sowohl inhaltlich, als auch strategisch für falsch.
Die Grünen sind längst in der bürgerlichen Mitte angekommen und die bisherigen "Volksparteien" mit ihrem Filz/Geklüngel erledigen den Rest.
Ob das nun gut oder schlecht ist, und vor allem für wen, wird sich mit der zunehmenden Verantwortung zeigen.
Die Partei mit ihren Wählern und ihren Mitgliedern als randständig zu betrachten halte ich sowohl inhaltlich als auch strategisch für falsch.
Mögen die GRÜNEN auf dem Höhenflug sein, aber die Landung wird sehr hart werden.
Die Grünen mit der FDP zu vergleichen, was das "gemeinsame bürgerliche Klientel der Besserverdiener" betrifft, halte ich nicht für
richtig, denn das Klientel der Grünen heute ist wesentlich mehr kritisch und steht mehr links als das der FDP, die von Lindner zur
1-Mann-Partei gemacht wurde und vielleicht auch deshalb in den Umfragen abstürzt von 11,5 % bei der Wahl auf 6-7 % jetzt.
Deshalb steht Lindner als Vorsitzender unter Druck und versucht den Wählerstamm der FDP, der scharenweise zur Union über-
läuft, die ebenfalls das Klientel der Besserverdiener bedient. Die FDP täte gut daran Lindner auszutauschen ebenso wie dies für
die SPD wäre Scholz auszutauschen. Beide schaden ihrer Partei.
Ich habe als Rentner zu keiner Partei vertrauen !
Die Grünen profitieren davon, dass sie lange Zeit nicht in Regierungsverantwortung waren und nicht beweisen mussten, dass sie besser regieren können. Sie konnten und können hohe moralische Werte und erstrebenswerte Ziele propagieren und sich somit als die bessere Partei präsentieren. Für die Probleme der Gegenwart, wie die zu wenig ausgebauten regenerative Energien und die Energiekrise, machen sie die zurückliegenden Regierungen verantwortlich. Doch bald müssen die Grünen beweisen, dass sie selbst richtig regieren können.
Wenn die Waffenlieferungen an die Ukraine nicht zum gewünschten Erfolg führen, sondern sich die Erkenntnis durchsetzt, dass damit der Krieg nur verlängert wurde und unendliches Leid für die Bevölkerung und die Zerstörung von vielen Städten und Dörfern gebracht hat, wenn die deutsche Wirtschaft in eine Rezession schlittert und die Menschen bei uns die Folgen der Sanktionen spüren werden, wenn der grüne Wirtschaftsminister Habeck die Energiekrise, die von der derzeitigen Regierung mit den Sanktionen mitverursacht wurde, nicht beherrscht, wenn die grüne Außenministerin Bearbock die Beziehungen Deutschlands zu weiteren Staaten verschlechtert, wenn die Politik der Grünen den Klimawandel mit umweltschädlichen Energiequellen wie Kohlekraftwerke fördert, dann werden sich wieder viele Wählerinnen und Wähler der Grünen anders besinnen.
In der kurzen Regierungszeit haben die Grünen bereits ihr Image als Friedenspartei, Umweltpartei und auch bald als Anti-AKW-Partei zerstört. Die Widersprüchlichkeit ihrer werteorientierten Politik, feministische Außenpolitik und Buckeln in Katar, untergräbt ihre Glaubwürdigkeit.
Vielleicht erkennen die Grünen auch, dass gut gemeint nicht automatisch gut gemacht ist.