Streckbetrieb im Atomkraftwerk und Panzer für Kiew: Der Parteitag zeigt, wie pragmatisch die Grünen selbst bei ideologischen Kernfragen sein können. FDP und SPD fällt das schwerer.
Achtung, dieser Text lobt die Grünen. Dem Autor fällt es selbst nicht leicht, einer Partei Kränze zu flechten. Aber die Grünen, dass muss man sagen, sind die tragende Partei der Ampel-Koalition. Sie sind derjenige der drei Partner des Regierungsbündnisses, dem das Regieren am leichtesten fällt. Sie steht im deutlichen Gegensatz zur FDP, die spürbar an der Verantwortung leidet, weil sie in der Gunst der Wähler einbüßt. Der Gegensatz fällt bei der dritten Regierungspartei SPD kleiner aus, ist aber spürbar. Die Sozialdemokraten laborieren am Bruch ihrer jahrzehntelang gepflegten Beziehung zu Russland, die nach dem Überfall der Ukraine hinfällig ist. Die von SPD-Kanzler Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende mit Waffenlieferungen an die Ukraine und 100 Milliarden für die Bundeswehr nagt schwer am Selbstverständnis der Genossen. Den Grünen hingegen, immerhin aus der Friedensbewegung, kann es gar nicht militärisch genug zugehen. Panzer an Kiew und Aufrüstung der eigenen Truppe bereiten ihnen keine Gewissensbisse.
SPD und FDP tun sich bei ideologischen Kernfragen schwerer
Es ist bemerkenswert, wie schnell sich die einstigen Weltenretter an die neue Wirklichkeit angepasst haben. Um die Energieversorgung zu sichern, lässt ihr Anführer Robert Habeck eingemottete Kohlekraftwerke wieder in Betrieb gehen, die besonders viel klimaschädliches Treibhausgas in die Luft blasen. Er reist zu den Scheichs an den Golf und verbeugt sich vor ihnen, um Flüssiggas nach Deutschland zu holen. Und er setzt seiner Partei die längeren Laufzeiten von zwei Atomkraftwerken vor und die Grünen folgen ihm, was noch vergangenes Jahr ein Sakrileg gewesen wäre. Sicher wäre es für die Energieversorgung hilfreich, die drei verbliebenen Meiler noch einmal mit neuen Brennstäben auszustatten und noch einige Jahre länger am Netz zu halten. Doch es ist anzuerkennen, dass die Grünen bei einer Kernfrage ihrer Identität – dem Kampf gegen die Atomenergie – nicht auf ihrer klassischen Position bestehen und sich den Anforderungen des Epochenbruchs anpassen. Für Parteien ist das keine Kleinigkeit, wie die Schwierigkeiten bei FDP und SPD zeigen.
Im Winter kann sich der Blick auf die Grünen wieder trüben
Verantwortung ist der zentrale Begriff, mit dem Habeck und Annalena Baerbock ihre Grünen mitziehen. In seiner kernigen Ausprägung heißt er, „wir gehen dahin, wo es weh tut“. Oder: „Es lohnt sich, zu regieren“. Die Mitglieder folgen den beiden, weil sie beide gute Kommunikatoren sind, anders als zum Beispiel der Kanzler, der lieber erratisch bleibt. Die Geschichte der staatstragendenden Partei funktioniert natürlich nur, solange die Umfragen gut bleiben. Sollte die Unterstützung der Wähler nachlassen, ginge bald intern das Mosern und Maulen los. Dann könnte Habeck zwar weiter davon erzählen, dass er so stolz wie nie auf seine Partei ist, doch das würde nicht mehr verfangen. Bei Christian Lindner und der FDP ist das gerade zu studieren. Die Erzählung von den kämpferischen Liberalen, die einen Linksdrall der Ampel verhindern, zieht nicht. Genauso wenig wie sich für den Kanzler und die SPD das Versprechen auszahlt, niemanden zurückzulassen. Es ist die Verbindung von zwei überzeugenden Anführern und bemerkenswerten Richtungswechseln, die die Grünen zu ihrem Hoch geführt hat.
Sie müssen nur aufpassen, nicht allzu oft allen zu erzählen, wie toll sie sind. Eigenlob kommt bei den Bürgern selten gut an. Und natürlich gilt, was immer gilt in der politischen Arena. Die Erfolge der Vergangenheit sind schnell vergessen, die Stimmung kann sich rapide ändern. Wenn zum Beispiel im Winter Wohnungen kalt und dunkel bleiben, dann fragt keiner danach, wie weit sich die Grünen bewegt haben, sondern warum sie sich nicht weit genug bewegt haben.
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Die Grünen - wirtschafts- und lobbyhörig, prinzipienlos, opportun, beliebig?
Träfe das zu, kann man sich über das Gemecker einiger Kritiker nur wundern. Damit wären sie doch genau in der Ecke, in die sie ein großer Teil der Medien und die hier versammelte AfD-nahe Geisteskraft haben wollen und hineinkommentieren. Also "in der Realität angekommen", wie manche Leitartikler schrieben. Und passten damit endlich zu 100% ins sog. bürgerlich-konservative Milieu von CSU/CDU/FDP.
Die sich auch zu diesem Lager rechnenden rechtsextremistischen AfD-ler lasse ich aus ästhetischen Gründen mal außen vor.
Der immer noch oft zu lesende und hörende Vorwurf der ideologischen Verblendung trifft dann aber gar nicht mehr zu . . .
War ein Anker nicht das Teil, das ein Schiff hindert loszufahren ????
Wie widersprüchlich und beliebig die ganze grüne Politik ist, sieht man an allen Ecken und Enden:
Die dreckigsten Kraftwerke sind jetzt plötzlich okay. Wir reden hier von der Verbrennung von Schweröl!, Schiffe die bald Strom erzeugen sollen. Kohlekraftwerke, die früher abgeschaltet, aber jetzt doch mit Volldampf Strom produzieren sollen. Gaskraftwerke gelten als "nachhaltig" per Definition. Sauberer Atomstrom hingegen ist "Bäh"! Der grüne Vorschlag von Reservebetrieb bei AKWs hätte enorme Risiken verursacht, deutlich mehr als ein Dauerbetrieb. Die Kraftwerke sind dafür gar nicht konzipiert. Das war den Grünen ebenfalls egal, Hauptsache ein Herr Trittin wurde befriedigt.
Sicherheitspolitik: Rüstungsexporte nach Saudi Arabien, Jemen, Katar, alles kein Problem für die Grünen. Die ganzen pazifistischen Proteste der Bürger hat man sich auf die Fahnen geschrieben und Wähler mobilisiert, machen tut man exakt das Gegenteil.
Wirtschaftspolitik und Gasumlage: Wer wird belastet und wer schreibt die Gesetze? Die Anfänger der Grünen, die jetzt als Staatssekretäre ihre Posten gesichert haben, tanzen nach der Pfeife der Lobbyisten.
"Bei der Entstehung der Gasumlage haben Unternehmen und Wirtschaftsverbände massiv auf die Gesetzesänderungen und Verordnungen des Bundeswirtschaftsministeriums eingewirkt. Gleich 14 schriftliche Stellungnahmen reichten Lobbyisten von verschiedenen Verbänden in den vergangenen Monaten ein. Sie liegen WELT AM SONNTAG vor."
Offensichtlich sind grüne Wähler damit vollkommen zufrieden, wenn die äußere Fassade stimmt. Mehr sind die Grünen nämlich nicht. Fassade und falsche Moralisten!
https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/umweltsuender-habeck-schwimmende-oelkraftwerke-sollen-bald-strom-erzeugen-81592676.bild.html
Der Parteitag der Grünen zeigt, dass sie in der Realität angekommen sind : Streckbetrieb der Kernkraft über den Winter. Dies reicht
der FDP aber nicht aus. Sie will die Verlängerung bis 2024, ein Teil sogar den Bau neuer AKWs. Für Parteichef Lindner ist dies der
letzte Strohhalm, an den er sich klammert, nachdem seine FDP bei allen Landtagswahlen nur noch große Verluste einfährt und aus
allen bisherigen Regierungsbeteiligungen rausgeflogen ist. Außerdem kämpft Lindner gegen ein Partei-Image, das die FDP bei
vielen Menschen vor Augen hat : die FDP sei die Partei der Besserverdiener und der Autoindustrie, vor allem durch Lindners regelmäßige Kontakte zum Vorstandsvorsitzenden von Porsche. Lindner trägt auch durch seine abgehobene Sprache mit zum sichtlichen Niedergang der FDP ebenso bei wie Parteivize Kubicki, der der Partei schadet durch sein Benehmen gegenüber Frauen und seine Beleidigungen anderer Menschen.
Munition und Waffen für Saudi Arabien, die dann für weitere Massaker im Jemen verwendet werden. Seit Jahren bombt das saudische Regime dort auch viele Zivilisten in den Tod. Laut UN die derzeit größte humanitäre Katastrophe! Dass die Grünen das mittragen ist nur verachtenswert!
"Munition und Waffen für Saudi Arabien, die dann für weitere Massaker im Jemen verwendet werden."
Wozu sind denn Waffen da. Nicht um sie in ein Museum zu stellen sondern um sie einzusetzen. Und Waffen in Krisengebiete zu schicken/zu verkaufen steht doch auf der Agenda der Grünen an erster Stelle. Begonnen hat das Ganze ja schon unter Fischer.
Diesem Kommentar kann ich im Wesentlichen nur zustimmen.
Ist die Überschrift dieses Kommentars ernst gemeint? Oder ist das Ironie?
Das mit dem Anker darf man nicht so eng sehen- die grüne Politik erinnert eher an einen Treibanker, der keine feste Verbindung zum Seeuntergrund findet. Man treibt von einem Problem zum nächsten.
" Treibanker" sehr gut. Vielen Dank für den Kommentar, hat mich sehr zum Lachen gebracht.