Midterms: Die US-Demokraten schaffen eine überraschende Ehrenrettung
Die Partei von Joe Biden behält die Kontrolle im Senat. Das freut den Präsidenten und ist eine schwere Enttäuschung für die Republikaner.
Der Samstagabend an der amerikanischen Ostküste war schon fortgeschritten, als die Zitterpartie im fernen Wüsten- und Casino-Staat Nevada endlich zu Ende ging. Eilig trat Chuck Schumer hinter ein improvisiertes Rednerpult im Foyer eines New Yorker Bürogebäudes. "Dieses Ergebnis ist ein Sieg und eine Ehrenrettung für die Demokraten und ihre Agenda", verkündete der Senatsmehrheitsführer zufrieden: "Das amerikanische Volk hat den anti-demokratischen, extremistischen MAGA-Republikanern eine Abfuhr erteilt."
Auch wenn das Urteil angesichts einiger noch ausstehender Ergebnisse und des Triumphes des rechten Gouverneur Ron DeSantis in Florida etwas pauschal anmuten mag: Tatsächlich zeigt sich mit Fortschreiten der schleppenden Auszählung, dass die Demokraten bei den Zwischenwahlen wesentlich besser als erwartet abgeschnitten haben. Ihr Senatsmandat in Nevada haben sie verteidigt, damit die Partei die Mehrheit in der zweiten Kammer behält – und möglicherweise sogar noch ausbauen kann.
Auch im Rennen um das US-Repräsentantenhaus wird es knapp
Beim Rennen um das Repräsentantenhaus liegen die Republikaner leicht vorne. Doch dürften sie allenfalls eine hauchdünne Mehrheit erzielen. Theoretisch wäre auch möglich, dass die Demokraten ihre Mehrheit verteidigen. Am Sonntagabend waren noch 20 Wahlbezirke offen. Die Auszählung dort könnte noch Tage dauern. "Ich fühle mich gut, und ich freue mich auf die nächsten Jahre", erklärte Präsident Joe Biden auf seinem Asien-Trip. Aus der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh rief er in Nevada an, um der Wahlsiegerin Catherine Cortez Masto zu gratulieren. Nach Auszählung von 95 Prozent der Bezirke lag die 58-Jährige uneinholbar, wenngleich nur um wenige tausend Stimmen, vor ihrem republikanischen Herausforderer Adam Laxalt.
Schon am Freitag hatte in Arizona der demokratische Senator Mark Kelly seinen Sitz gegen den vom Tech-Milliardär Peter Thiel unterstützten Hardcore-Nationalisten Blake Masters verteidigt. Nach dem Erfolg in Nevada halten die Demokraten nun 50 der 100 Senatssitze, was de facto einer Mehrheit gleichkommt, da bei einem Patt die Stimme der Vizepräsidentin den Ausschlag gibt. In Pennsylvania war es den Demokraten gelungen, einen ehemals republikanischen Sitz umzudrehen. Nun ist nur das Ergebnis von Georgia offen. Wenn die Demokraten bei der dort am 6. Dezember anstehenden Nachwahl ihr Mandat verteidigen, kommen sie auf 51 Sitze und damit einen mehr als bisher.
Arizona und Nevada sind hochinteressante Swing-States, die auch bei den Präsidentschaftswahlen 2024 eine wichtige Rolle spielen dürften. Joe Biden hatte Donald Trump in Arizona denkbar knapp mit 11.000 und in Nevada mit 14.000 Stimmen geschlagen. In Arizona liefern sich die Trumpistin Kari Lake und die Demokratin Katie Hobbs ein Kopf-an-Kopf-Rennen um das Gouverneursamt, das angesichts der knappen Margen noch nicht entschieden ist. Der Ex-Astronaut Kelly hat gleichwohl sein Senatsmandat in der Tasche.
In Nevada hatten die Demokraten befürchtet, das Gouverneursamt, das Senatsmandat und ihre drei Abgeordnetensitze an die Republikaner zu verlieren. Tatsächlich kippte das Gouverneursamt. Alle anderen Posten konnten die Demokraten aber verteidigen, obwohl der Wüstenstaat mit die höchsten Benzinpreise in den USA hat und viele ärmeren Einwohner von der pandemiebedingten Schließung der Spielcasinos in Las Vegas hart getroffen wurden. Diese ökonomischen Probleme hatten die Republikaner thematisiert. Cortez Masto stellte hingegen die Verteidigung des Abtreibungsrechts und die Schaffung eines dauerhaften Rechtsstatus für die Einwanderer aus Lateinamerika ins Zentrum ihrer Kampagne.
Midterms: Die Republikaner dürften Ergebnisse anfechten
Die Republikaner dürften die Ergebnisse rechtlich anfechten. Zumindest in Arizona ist im Falle einer Niederlage von Kari Lake auch mit einer politischen Kampagne der Partei gegen angeblichen Wahlbetrug zu rechnen, obwohl der oberste Wahlbeamte dort Republikaner ist. Ex-Präsident Donald Trump verbreitet auf seiner Propagandaplattform "Truth Social" seit Tagen wilde Verschwörungsmythen und Empörung über vermeintliche Unregelmäßigkeiten bei den Abstimmungen in beiden Bundesstaaten.
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Ich finde es belustigend, wie eine "gerade-noch-so" Mehrheitsverteidigung im Senat (es wurden ja nur ein Drittel der Senatoren gewählt) und eine deutliche Niederlage bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus als grosser Sieg der Demokraten und von Präsident Biden gefeiert wird.
In den USA selbst und besonders innerhalb der republikanischen Partei ging es doch ausschließlich um die aktuelle und künftige Rolle von Herrn Trump. Und für uns, die sog. Europäer, geht es um die nuancenhaften Unterschiede des "USA first" sämtlicher politischer Akteure dort im Sinne unserer Abhängigkeiten und des Mithineinziehens ins internationale Konflikte. Zumindest meine Wahrnehmung über rund 50 Jahre.
Die Mehrheit im Senat ist nun einmal ein großer und völlig unerwarteter Sieg für die Demokraten. Und die Machtverhältnisse im Repräsentantenhaus sind (völlig unerwartet) immer noch offen. Im Ergebnis handelt es sich um eine klare Niederlage Trumps, der für die teilweise völlig verfehlte Auswahl der roten Kandidaten verantwortlich zeichnet und damit um eine Niederlage der Verächter der Demokratie.
Bei den sog. Midterm-Wahlen hat sich die Demokratie noch einmal durchgesetzt gegen die Republikaner und den Lügner Trump,
der sich in 16 ( ! ) Anklagen vor Gericht verantworten muss, denen er sich jedoch entziehen will. Trotzdem hat Trump, auch hier bei
uns, noch viele Anhänger, die es gut finden, was dieser Gauner macht.
Wahlen sind eines der Hauptkriterien einer Demokratie - wenn solche stattfinden braucht sie sich nicht extra durchzusetzen. Im übrigen war es auch keine Präsidentschaftswahl sondern es ging in Summe darum, ob der amtierende Präsident Mehrheiten zum Regieren hat. Es steht wohl 50:50. Das wird noch interessant. Entfernt vergleichbar, wenn eine deutsche Regierung keine Mehrheit im Bundesrat hat.