Ab Ende August twittert Seehofer zurück
Der CSU-Chef sieht sich als Opfer einer journalistischen Kampagne und will sich nun auf neuem Weg Gehör verschaffen
Horst Seehofer hat mit dem Kampagnen-Vorwurf an seine Gegner und der Ankündigung, er werde künftig selbst twittern, um „manche Wahrheiten“ öffentlich zu machen, Kritik und Spott auf sich gezogen. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer griff den CSU-Chef für dessen Aussagen in einer Bierzeltrede am Donnerstagabend scharf an. „Horst Seehofer schlägt wie ein angeschlagener Boxer vor dem endgültigen Niederschlag wild um sich“, sagte Theurer. Seehofer schimpfe ganz im Stil von US-Präsident Donald Trump auf die Medien, die angeblich nicht über manche seiner Wahrheiten berichteten. „Als Bundesinnenminister wäre es aber vielmehr seine Aufgabe, den Rechtsstaat einschließlich unabhängiger und kritischer Medien zu verteidigen und nicht pauschal zu verunglimpfen“, sagte der FDP-Mann.
In seiner ersten Bierzeltrede seit vielen Wochen im oberbayerischen Töging am Inn hatte Seehofer seinen Kritikern eine gezielte Kampagne gegen seine Person und eine völlig unangemessene Wortwahl vorgeworfen. „Genau diejenigen, die jeden Tag dafür eintreten, dass man in der Politik Anstand und Stil zu bewahren hat, überschütten mich mit Worten und Eigenschaften und Attributen, die weit unter der Gürtellinie liegen“, sagte der CSU-Vorsitzende. „Jetzt steht also der böse Seehofer vor Ihnen – der Mörder, der Terrorist, der Rassist“, sagte er mit Blick auf die Kritik an ihm zu den Besuchern, betonte aber dann: „Kampagnen, da können Sie sich drauf verlassen, die beschäftigen mich nicht.“ Im Interview mit unserer Zeitung hatte Seehofer zuletzt ähnliche Töne angeschlagen. „Jeder, der es sehen will, sieht, dass hier eine Kampagne gefahren wird. Die geht gegen mich und meine Partei. Leider haben sich auch Einzelne aus der CSU dafür vereinnahmen lassen. Viele der Kritiker lassen genau das vermissen, was sie mir vorwerfen: Anstand und Stil“, sagte er Mitte Juli. Nun scheint er einen Weg gefunden zu haben, um gegen seine Kritiker vorzugehen.
Vor den mehreren hundert Besuchern im Bierzelt kündigte er an, künftig den Kurznachrichtendienst Twitter nutzen zu wollen. „Ich fange wahrscheinlich Ende August selbst das Twittern an“, sagte er – und begründete dies so: „Ich sehe mich jetzt gezwungen, weil manche Wahrheiten ich sonst nicht unter eine breitere Bevölkerung bekomme.“ Der Landtagswahlkampf in Bayern werde nun „noch etwas bereichert“. Die Leute „müssen mal wissen, was da jeden Tag abgeht“.
Auf Twitter selbst machte Seehofers Ankündigung schnell die Runde. Juso-Chef Kevin Kühnert etwa schrieb: „Bin ehrlich beeindruckt vom Aufwand, den er betreibt, um nach verlorener Landtagswahl und seinem Rücktritt im Oktober dem Markus Söder noch ordentlich einen einzuschenken.“ Die ZDF-Satiresendung „Heute-Show“ spottete: „Horst Seehofer will in Zukunft twittern. Er sucht nur noch die richtige Teletextseite.“ Ernsthafter setzte sich der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) mit den Worten des Bundesinnenministers auseinander: „Herr Seehofer hat reichlich Möglichkeiten, eigene Themen in die Öffentlichkeit zu bringen“, sagte DJV-Sprecher Hendrik Zörner. Er habe den Eindruck, „dass Seehofer kein Interesse daran hat, dass Journalisten seine Themen möglicherweise auch mit kritischem Zungenschlag transportieren“. Die Medienberichterstattung über den CSU-Politiker sei in den vergangenen Wochen in der Tat kritisch ausgefallen: „Aber das muss man als prominenter Politiker auch aushalten können. Wenn sich Seehofer da jetzt so sensibel zeigt, ist das eine Rolle, die ihm nicht passt.“ Zugleich dürfe man gespannt sein, wie sich der Minister auf Twitter äußern werde, sagte Zörner: „Das werden viele Journalisten mit großem Interesse verfolgen.“
„Bekommen wir also einen deutschen Trump?“, fragte der DJV via Twitter. Seehofer selbst hatte schon im Bierzelt betont, er werde zwar twittern, aber vielleicht „in einem anderen Stil“ als Donald Trump. Dieser macht über Twitter Politik und ist für seine Twitter-Äußerungen berüchtigt. (dpa, epd)
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