Alles rechtens
Angehörige eines verstorbenen NS-Aufsehers müssen für dessen Anwälte zahlen
In einem Verfahren gegen den verstorbenen früheren Aufseher im NS-Vernichtungslager Sobibor, John Demjanjuk, hat Deutschland nicht die Menschenrechte der Angehörigen verletzt. Das entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Donnerstag (Beschwerdenummer 24247/15).
Die Witwe und der Sohn des Mannes hatten sich dagegen gewehrt, dass der deutsche Staat die Anwaltskosten nicht zahlte, nachdem das Verfahren gegen den früheren Aufseher nach dessen Tod eingestellt worden war. Sie sahen dadurch die Unschuldsvermutung verletzt – was das Straßburger Gericht nun nicht bestätigte.
Der gebürtige Ukrainer Demjanjuk starb 2012 im Alter von 91 Jahren – zehn Monate nach seiner Verurteilung als Holocaust-Mittäter. Das Landgericht München hatte ihn wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 28000 Juden im Lager Sobibor in Polen zu fünf Jahren Haft verurteilt. Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft legten beim Bundesgerichtshof Revision ein. Demjanjuk starb, bevor sich dieser damit befassen konnte. Das Verfahren am Landgericht wurde eingestellt; es wurde auch entschieden, dass der deutsche Staat nicht für die Auslagen des Toten aufkommt – wie sonst bei einer Verfahrenseinstellung meist üblich. Eine Verfassungsbeschwerde dagegen scheiterte.
Die deutschen Gerichte hätten bei ihrer Entscheidung, die Anwaltskosten nicht dem deutschen Staat aufzubürden, stets deutlich gemacht, dass Demjanjuk verdächtig sei, aber noch nicht rechtskräftig verurteilt, entschied der Straßburger Gerichtshof. Obwohl teils die Wortwahl der Juristen ungünstig ausgefallen sei, sei damit die Unschuldsvermutung nicht verletzt. Das Urteil kann noch innerhalb von drei Monaten angefochten werden.
Der Fall Demjanjuk hatte 2011 Justizgeschichte geschrieben. Seit seinem Verfahren besteht die deutsche Justiz nicht mehr darauf, eine direkte Beteiligung an den Mordtaten in Vernichtungslagern nachzuweisen, um NS-Täter zu verurteilen. (dpa)
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