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Zeitgeschichte
07.06.2011

Als die Galgenfrist verstrich

Die JVA Landsberg

Heute vor 60 Jahren wurden in Westdeutschland die letzten Todesurteile vollstreckt – in Landsberg, von Amerikanern.

Auf dem kurz gehaltenen Rasen mühen sich die Männer mit ihren Füßen, dem Ball eine erfolgversprechende Richtung zu geben. Das Tempo ist nicht allzu hoch an diesem Samstagnachmittag. Wer will es ihnen verdenken bei der Hitze? Es könnte ein ganz normales Fußballspiel sein. Ist es aber nicht. Und es darf auch nicht jeder mitspielen. Die Freizeitsportler sind von der Außenwelt abgeschottet. Hohe grüne Metallgitter haben den einzigen Zweck, die Menschen da drinnen zu halten – in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Landsberg.

Gerollter Stacheldraht oben auf den massiven Gittern betont diese Absicht. Zwei Justizvollzugsbeamte nähern sich den beiden neugierigen Besuchern jenseits des Zauns, die dort eigentlich nichts verloren haben. Der Anpfiff, zu dem der ältere Uniformierte ansetzen wollte, bleibt den Männern erspart. Denn die Beamten kennen einen der Zaungäste. Klaus Weichert hat 33 Jahre lang quasi zu ihnen gehört. Er war hier als Lehrer tätig und versuchte, den Häftlingen zu vermitteln, wie wichtig es ist, sich auf die Zeit nach der Zelle vorzubereiten.

Die Gefängnis-Geschichte holt die Stadt immer wieder ein

Wie kein anderer in der JVA hat sich Weichert viele Jahre mit der Vergangenheit der Einrichtung befasst. Die Geschichte des zwischen 1904 und 1908 erbauten Gefängnisses ist untrennbar mit Landsberg verbunden. Sie holt die oberbayerische Stadt immer wieder ein.

Heute jährt sich das Datum zum 60. Mal, an dem nationalsozialistische Verbrecher für ihre Gräueltaten starben. Obwohl in der jungen Bundesrepublik Deutschland im Mai 1949 mit dem Grundgesetz die Todesstrafe abgeschafft worden war, fanden gut zwei Jahre danach, am 7. Juni 1951, sieben Menschen am Galgen den Tod. Oswald Pohl (58), Erich Naumann (46), Werner Braune (42), Otto Ohlendorf (44), Paul Blobel (56), Hans Schmidt (51) und Georg Schallermair (56) sollten die Letzten sein, an denen in Westdeutschland die Todesstrafe vollstreckt wurde.

Dem jungen Beamten, der die Gefangenen auf dem Fußballplatz beaufsichtigt, ist das Datum vertraut. Vielleicht hat das mit einer dreiteiligen Dokumentation zu tun, die Weichert vor einigen Jahren gedreht hat. „Weil wir beim Personal so viel Wechsel hatten, haben wir den Film gemacht. Die Jungen sollten etwas über die Vergangenheit des Landsberger Gefängnisses erfahren. Ich habe aber schnell gemerkt, dass auch die Älteren wenig davon wussten.“ Zum 100-jährigen Jubiläum der einstmaligen Staatlichen Gefangenenanstalt Landsberg am Lech – die ersten Häftlinge kamen am 16. Januar 1909 – legte der akribische Pädagoge im Jahr 2009 eine Chronik vor.

Nach dem Ersten Weltkrieg war im Gefängnis eine Festungs- und Schutzhaftabteilung eingerichtet worden. Der wohl bekannteste Häftling war Adolf Hitler, der hier in den Jahren 1923 und 1924 insgesamt 264 Tage inhaftiert war und in dieser Zeit „Mein Kampf“ schrieb. Später besuchte der Diktator auf dem Gipfel der Macht noch zwei- oder dreimal das Gefängnis und seine Zelle, die für Nationalsozialisten zum Wallfahrtsort geworden war. Während der NS-Zeit starben im Landsberger Gefängnis viele Häftlinge in Folge der katastrophalen hygienischen Verhältnisse, die Krankheiten begünstigten, oder wegen des schlechten Ernährungszustandes an Entkräftung. Häufig war es eine Kombination aus beidem. In seinem Buch „Die Strafanstalt Landsberg am Lech und der Spöttinger Friedhof“ gibt der Historiker Thomas Raithel vom Münchner Institut für Zeitgeschichte exemplarisch auch den Menschen ein Gesicht, die von den Nazis hingerichtet wurden. Der 1914 geborene Kazimierz Kanciak gehört dazu. Der wegen Diebstahls mehrfach vorbestrafte Pole landete nach verschiedenen Gefängnisaufenthalten in Landsberg. Er konnte flüchten, war einen Tag in Freiheit, dann wurde er gefasst – und am 3. November 1944 mit fünf weiteren Ausbrechern gehängt. Der Tod wurde durch langsames Erdrosseln herbeigeführt. „Sonderbehandlung der Gestapo; plötzlicher Tod“, heißt es im Leichenschauschein.

Raithel belegt in seiner Dokumentation insgesamt zehn Hinrichtungen in Landsberg, die als Strafmaßnahme gegenüber polnischen Gefangenen dienten, die Fluchtversuche unternommen hatten. In Bayern war während der NS-Zeit das Zuchthaus München-Stadelheim für die Vollstreckung der Todesurteile der ausgewählte Ort.

Exekutionen „im Fünf-Minuten-Takt“

Erst nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur wurden in Landsberg an manchen Tagen „im Fünf-Minuten-Takt“, wie es Weichert in seiner Gefängnischronik beschreibt, Menschen hingerichtet: von November 1945 bis Juni 1951 insgesamt 285. Die Amerikaner hatten das Gefängnis in das War Criminal Prison (WCP) Nr. 1 umgebaut.

Warum wurde Landsberg zum Schauplatz der Exekutionen? Eine Rolle bei der Standortwahl hat Raithel zufolge die Unversehrtheit des Gebäudes gespielt und die räumliche Nähe zu Dachau. Denn die meisten Menschen, die nach Kriegsende in Landsberg am Galgen endeten (240), wurden in den Dachauer Prozessen zum Tode verurteilt. Für zwölf Verbrecher hieß es am Ende der Nürnberger Nachfolgeprozesse: Tod – in der Regel – durch den Strang. Weitere 33 Personen wurden wegen „Nachkriegsdelikten“, häufig Mord oder Raubmord, mit dem Tode bestraft.

Ob die USA wegen Hitlers Gefängnisaufenthalts bewusst diesen Ort gewählt haben, lässt sich nicht beweisen. Jedenfalls wurde vor Hinrichtungen unterhalb der einstigen Gefängniszelle Hitlers zwischen dem C-Flügel der sechs Hektar großen Anlage und dem Spital ein Galgen aufgestellt. Manchmal waren es auch zwei. Die Amerikaner dokumentierten die Hinrichtungen akribisch, fotografierten die Delinquenten vor der Exekution und danach.

Die „war criminals“ (Kriegsverbrecher) wurden im Laufe der Jahre für die USA zu einem immer größeren Problem. Die politische Großwetterlage hatte sich geändert. Der Kalte Krieg machte das besiegte Nazi-Deutschland zum Verbündeten, zum Bollwerk gegen den Kommunismus. Mehrfach wurden die Todesurteile – auch durch eingesetzte Kommissionen – überprüft. Nicht zuletzt machte eine breite Öffentlichkeit deutlich, dass sie das Vorgehen der Siegermacht Amerika nicht billigte. Am 7. Januar 1951 versammelten sich 4000 Menschen auf dem Landsberger Hauptplatz. Einer der Redner war der CSU-Bundestagsabgeordnete und spätere Bundesjustizminister Richard Jaeger, der gegen die Todesurteile wetterte. Jahre später setzte sich derselbe Mann seltsamerweise dafür ein, die Abschaffung der Todesstrafe aus dem Grundgesetz wieder zu streichen. Ein anderer Redner, Gebhard Seelos von der Bayernpartei, forderte die Besatzungsmächte auf, mit dem „sadistischen Spiel“ aufzuhören.

Wenige Tage nach der Protestkundgebung telegrafierte der Augsburger Bischof Joseph Freundorfer an den US-Hochkommissar John McCloy und bat um Gnade. „Eine im Gnadenakt vollzogene Prüfung der Todesurteile nach so langer und so schwerer Buße in der Qual der Ungewissheit wäre eine gerechte, christliche und menschliche Tat, würdig des für die Menschlichkeit und Verständigung kämpfenden amerikanischen Volkes“, argumentierte der Diözesanbischof.

Die Forderungen und Appelle nutzten nicht allen. Von 28 Todesurteilen blieben sieben bestehen. Zu schwerwiegend erschienen den USA die Verbrechen dieser Todeskandidaten. Oswald Pohl, General der Waffen-SS, gehörte zu denen, die keine Gnade fanden. Er war als Leiter des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes für die Inspektion der Konzentrationslager zuständig gewesen. In den Aufgabenbereich seiner Behörde fiel es, das eingeschmolzene Schmuck- und Zahngold von KZ-Häftlingen der Reichsbank zuzuleiten. Pohl oblag es gewissermaßen, die ökonomische Seite der Endlösung zu organisieren.

Wo Opfer und Täter nebeneinander begraben sind

Kurz nach Mitternacht war für den früheren Marineoffizier und sechs Mithäftlinge am 7. Juni 1951 die letzte Stunde gekommen. Der Galgen war auf dem Speicher des ehemaligen Schlossereigebäudes aufgestellt, das heute nicht mehr steht. Als die Zeitungen an jenem Donnerstag die Nachricht veröffentlichten, dass der letzte Versuch gescheitert war, die Hinrichtung der Landsberger Häftlinge zu verschieben, waren sie bereits tot.

Fünf von ihnen wurden in ihre Heimat überführt. Die Gebeine Pohls und des Einsatzgruppenführers Erich Naumann liegen jedoch auf dem Spöttinger Friedhof, der südlich an das Gefängnis grenzt. Insgesamt werden dort 175 Grabstätten aus der Zeit des War Criminal Prison vermutet. Das bedeutet aber auch, dass bei mehr als 300 Bestatteten ein nicht unerheblicher Teil die sterblichen Überreste der Menschen sind, die Opfer der Nazis geworden sind. Diese unmittelbare Nähe von Tätern und Opfern auf dem Friedhof hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zu Auseinandersetzungen geführt. 2003 schließlich wurde auf dem Höhepunkt emotional geführter Diskussionen die Grabstätte entwidmet. Kurz darauf waren die Messingschilder an den Holzkreuzen abmontiert. Im bayerischen Justizministerium kursierte der Plan, den Friedhof völlig einzuebnen, um das Problem ein für alle Mal loszuwerden. Der Landtag stimmte schließlich dem Antrag der Grünen zu, den Spöttinger Friedhof als „Dokument der Zeitgeschichte“ zu erhalten.

Die Holzkreuze auf dem aufgelassenen schmucklosen Gräberfeld verfallen. Eine Spinne seilt sich langsam von einer hohen Zypresse ab. Autos mit aufgedrehten Radios und fröhlichen Menschen passieren den Friedhof der Namenlosen. Es ist Wochenende. Badewetter.

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