Hoffnung in Nahost - doch eine Waffenruhe ist noch lange kein Frieden
Die Erleichterung über die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ist groß. Doch für ein ein Ende des Irrsinns in Nahost muss noch viel mehr passieren.
Das ist die Meldung: „Nach schwierigen indirekt geführten Verhandlungen haben Israelis und Palästinenser eine erneute befristete Waffenruhe im Gaza-Konflikt vereinbart. Zum Erfolg führte ägyptische Vermittlung.“ Doch diese Meldung ist nicht aktuell – sie wurde im Herbst 2014 von den Agenturen um die Weltkugel gejagt. Im November 2018 klang es fast wortgleich, als eine Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel Erleichterung auslöste. So wie jetzt. Keine Raketen auf Israel, keine Luftangriffe auf Gaza seit der Nacht von Donnerstag auf Freitag.Was aber muss geschehen, dass die düstere Prophezeiung „Eine Waffenruhe ist noch lange kein Frieden“ nicht wieder eintrifft?
Die Perspektivlosigkeit der Palästinenser ist noch gewachsen
Diese Frage stellen jetzt viele. Im Nahen Osten, in Washington, in der Europäischen Union und auch in Berlin. Die Antwort ist schwierig, auch weil der aktuelle Konflikt dann doch andere Ursachen, Auslöser und Hintergründe hat als die ähnlich verlaufenen kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre: Die verzweifelte Perspektivlosigkeit der Palästinenser ist gewachsen, der Einfluss des Irans auf die Hamas ebenso. Gesunken ist auf beiden Seiten der ohnehin schon überschaubare Glaube an Frieden.
Das zeigt sich jetzt in aller Schärfe. Viele Palästinenser feierten das Ende des militärischen Schlagabtausches wie einen Sieg der Hamas und des Islamischen Dschihads, die für den elftägigen Raketenhagel auf israelische Zivilisten verantwortlich sind. In Gaza jubelten die Menschen inmitten der Trümmer, trotz der Toten, Verletzten und Obdachlosen. Eine große Mehrheit der Israelis wäre – glaubt man einer neuen Umfrage – dafür gewesen, den Kampf gegen die Feinde mit aller Härte weiterzuführen, um sie entscheidend zu schwächen. So entscheidend, dass die Gefahr aus Gaza auf absehbare Zeit gebannt wäre.
„Aus militärischer Sicht wäre ein finaler Schlag gegen die Hamas nur möglich, wenn Israel mit Bodentruppen in Gaza eindringt. Doch das würde einen hohen Blutzoll unter den israelischen Soldaten, insbesondere unter den Zivilisten im eng besiedelten Gazastreifen mit seinen gut zwei Millionen Bewohnern bedeuten“, sagt der Nahost- und Terrorismusexperte Rolf Tophoven. Vor allem sei es sehr schwer, dort wieder herauszukommen. Der Druck auf Israel, zu deeskalieren, wäre auch aus Washington, dem einzigen unverzichtbaren Verbündeten des Landes, extrem gestiegen. Zudem hätte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit dem Marschbefehl sein Land erneut in eine Isolation geführt – in einer Phase, in der Israel teils spektakuläre Annäherungen zu einst verfeindeten arabischen Staaten vorweisen kann. Unterm Strich: Die Besetzung Gazas ist keine vertretbare Option für Netanjahu.
Dass auf der anderen Seite so etwas wie Frieden mit der Hamas möglich sein könnte, glaubt der renommierte israelische Experte für Terrorismusbekämpfung, Boaz Ganor, nicht. Das lasse ihre DNA einfach nicht zu: „Als islamische radikale Terrororganisation leugnet die Hamas das Existenzrecht Israels und behauptet, dass ihr Territorium ein heiliges islamisches Territorium ist und durch Widerstand – ihr Codename für Terrorismus – ,befreit‘ werden muss“, sagt Ganor auf Anfrage unserer Redaktion.
Keine militärische Lösung, kein Ausgleich. Was dann? Interessant ist, dass ein ausgewiesener Kenner wie Ganor, langjähriger Berater der Regierung in Sicherheitsfragen, seine Zuversicht nicht verloren hat. Er sei trotzdem immer noch optimistisch, dass in der Zukunft Frieden und Versöhnung mit dem palästinensischen Volk möglich sein könnten, basierend auf dem Konzept der „Zwei-Staaten-Lösung“. Das mag nicht originell klingen, aber so viele andere Konzepte liegen nicht auf dem Tisch. Allerdings schwindet der Glaube an dieses Modell seit Jahren. Dass daran die Regierung Netanjahu mit ihrer aggressiven Siedlungspolitik oder der Verdrängung von arabischen Israelis aus Wohngebieten in Ostjerusalem eine Mitschuld trägt, liegt auf der Hand.
Israel sollte seine Politik überdenken
Der israelische Außenminister Gabi Ashkenazi antwortete nach seinem Gespräch mit seinem Amtskollegen Heiko Maas am Donnerstag auf die Frage, wie eine erfolgversprechende Strategie gegenüber den Palästinensern aussehen könnte, mit dem Satz: „Die Moderaten stärken, die Extremisten schwächen.“ Das wäre dann allerdings eine Umkehr der israelischen Politik. „Tatsächlich sind es die Palästinenser, die die letzte Karte gezogen haben“, bringt Rolf Tophoven, der den Nahostkonflikt seit vielen Jahrzehnten verfolgt, das Dilemma auf den Punkt. Wer nichts zu verlieren hat, ist anfällig für Rattenfänger wie die Hamas-Terroristen.
Was also tun? Ganors Kollege, Professor Yuval Benziman, ist sich sicher, dass ein „Friedensabkommen “ ist. „ die einzige Lösung für den israelisch-palästinensisch KonfliktAber leider glauben beide Seiten seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr daran, dass dies möglich ist“, sagt der Konfliktforscher. Aber auch Benziman hat die Hoffnung nicht verloren. Frieden sowohl zwischen Juden und Arabern in Israel als auch zwischen Israelis und Palästinensern sei immer noch möglich. Doch daran müssten alle arbeiten: „Jeder Einzelne sollte sich jeden Morgen beim Aufwachen fragen, wie man zusammenarbeiten kann, um die Situation zu ändern, anstatt sich für all das Unrecht gegenseitig die Schuld zu geben“, sagte Benziman unserer Redaktion.
Der Westen muss den Druck auf den Iran erhöhen
Das könnte die eine Ebene sein, die andere ist international. Der Westen, auch Deutschland, sollte dem Druck auf den Iran drastisch erhöhen, damit Teheran die Unterstützung von Terroristen – sei es die Hamas oder die Hisbollah im Libanon – beendet. Die Palästinenser müssen aus der Opferrolle heraus. Dem steht nicht nur die Politik Israels, sondern auch das Fehlen einer palästinensischen politischen Elite mit realistischer Agenda im Wege.
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