Angst vor Mutationen: Streit um Grenzkontrollen spitzt sich zu
Innenminister Seehofer verteidigt die Einreisesperren wegen der Verbreitung der Corona-Mutationen. Die EU-Kommission aber zweifelt an der Wirksamkeit der Maßnahme.
Einfach durchfahren – das war einmal. Seit diesem Sonntag kontrollieren die Bundespolizei und die bayerische Grenzpolizei mit einem Großaufgebot von Beamten die Grenzen zu Tschechien und Tirol. Aus Angst vor den in den Nachbarländern verbreiteten Mutationen des Coronavirus geht an den Übergängen in Bayern und Sachsen die Angst um und ohne negativen Test nichts mehr. Nur: Was bringen die Einreisesperren überhaupt?
Die Gesundheitskommissarin der EU, die Zypriotin Stella Kyriakides, lehnt Schließungen der innereuropäischen Grenzen ab. "Die Furcht vor den Mutationen des Coronavirus ist verständlich, aber trotzdem gilt die Wahrheit, dass sich das Virus nicht von geschlossenen Grenzen aufhalten lässt", betonte sie im Interview mit unserer Redaktion. "Gegen die Mutationen helfen nur konsequentes Impfen sowie die Einhaltung der Hygiene-Regeln", sagte sie. "Ich halte es für falsch, dass wir wieder zu einem Europa mit geschlossenen Grenzen wie im März 2020 zurückkehren."
Innenminister Horst Seehofer dagegen verbietet sich jede weitere Einmischung aus Brüssel. "Jetzt reicht’s!", warnte der CSU-Politiker in der Bild-Zeitung. Die Europäische Union habe bei der Impfstoffbeschaffung schon genug Fehler gemacht. "Wer nicht zu einer der wenigen Ausnahmen gehört, kann nicht einreisen." Die Bundesregierung werde nicht "tatenlos zusehen, wie die Virus-Mutation zu uns rüber schwappt".
FDP-Chef Lindner fordert mehr Tests
FDP-Chef Christian Lindner fordert vor allem eines – mehr Tests. "Echte Grenzschließungen würden wir wegen der Berufspendler kritisch sehen, die Verbindung mit Tests ist allerdings vernünftig", sagte er unserer Redaktion. Und fügte hinzu: "Generell sehen wir im massiv ausgeweiteten Einsatz von Tests eine Chance, gesellschaftliches Leben zu öffnen." Was an der Grenze möglich sei, so Lindner, sollte auch Praxis für Schule, Handel, Kultur und bald Gastronomie werden.
Grenzkontrollen: Für Pendler gelten Ausnahmen
Seit Sonntag dürfen aus Tschechien und weiten Teilen Tirols nur noch Deutsche sowie Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland einreisen. Ausnahmen gibt es für Ärzte, Kranken- und Altenpfleger, Lastwagenfahrer und sonstiges Transportpersonal im Güterverkehr. Auch wer aus wichtigen familiären Gründen kommt, etwa zur Beerdigung eines Angehörigen, darf einreisen. Für alle Einreisenden gilt: Sie müssen sich vorab anmelden und einen negativen Corona-Test vorweisen.
Einreisen dürfen auch Pendler, die gebraucht werden, um die Funktionsfähigkeit ihrer Betriebe in wichtigen Branchen wie der Wasser- und der Elektrizitätswirtschaft oder der Lebensmittelindustrieb aufrecht zu erhalten. Sie müssen dafür ihren Arbeitsvertrag dabeihaben, ihre Einreise ebenfalls vorher anmelden und ebenfalls einen negativen Corona-Test vorlegen. Alleine in Bayern arbeiten nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit etwa 22000 Tschechen und knapp 10000 Österreicher – vor allem im verarbeitenden Gewerbe.
An den Grenzen von Bayern zu Tschechien und Tirol wurden am Sonntag bereits in den ersten zwölf Stunden mehr als 500 Menschen zurückgeschickt. Sie seien nach den neuen Regeln nicht zur Einreise berechtigt gewesen, sagte der Präsident der Bundespolizeidirektion München, Karl-Heinz Blümel. Insgesamt seien über 1700 Menschen kontrolliert worden, davon gut 700 an der tschechischen Grenze.
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>> Die Gesundheitskommissarin der EU, die Zypriotin Stella Kyriakides, lehnt Schließungen der innereuropäischen Grenzen ab. "Die Furcht vor den Mutationen des Coronavirus ist verständlich, aber trotzdem gilt die Wahrheit, dass sich das Virus nicht von geschlossenen Grenzen aufhalten lässt", betonte sie im Interview mit unserer Redaktion. <<
Das Virus hätte sich an der innerdeutschen Grenze schon schwer getan...
Und nur dumme Menschen denken in der Kategorie "aufhalten" - kluge Menschen und Leistungsträger denken in der Kategorie "bremsen" - Menschen die für Erfolg statt Demagogie und Hetze stehen.
Die Aufregung gegen Grenzkontrollen - nein keine geschlossenen Grenzen - macht klar, dass Corona immer stärker gegen Freiheit und Demokratie instrumentalisiert wird.
"Somit benötigen wir Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels, die analog zu den Einschränkungen der persönlichen Freiheit in der Pandemie-Bekämpfung sind." (Karl Lauterbach)
"Und nur dumme Menschen denken in der Kategorie "aufhalten" - kluge Menschen und Leistungsträger denken in der Kategorie "bremsen" - Menschen die für Erfolg statt Demagogie und Hetze stehen."
"Das Virus hätte sich an der innerdeutschen Grenze schon schwer getan..."
"Die Aufregung gegen Grenzkontrollen - nein keine geschlossenen Grenzen - macht klar, dass Corona immer stärker gegen Freiheit und Demokratie instrumentalisiert wird."
Als "kluger Mensch und Leistungsträger" wollen Sie offenbar das Virus nur "bremsen" und nicht wie "dumme Menschen" "aufhalten".
Hören Sie nicht, wie es sich gerade schlapplacht, das Virus?
Wofür oder wogegen treten Sie eigentlich ein? Für offene Grenzen auch Richtung Tschechien oder nur an der Grenze zu Österreich? Das wäre immerhin ein erstaunlicher Gesinnungswandel und klang vor ein paar Tagen noch ganz anders!
Konsequent ist das nicht. Entweder die Grenzen sind zu oder die Grenzen sind offen. Halb-zu/halb-offen ist keine wirksame und transparente Politik. Es sollte endlich mal die Fehlgeburt "Schengen" offiziell aufgelöst werden.
"Es sollte endlich mal die Fehlgeburt "Schengen" offiziell aufgelöst werden."
Als bekennender Neoliberaler sollten Sie sich über diese Idee mal mit dem einen oder anderen Wirtschaftsführer unterhalten . . .
Das Virus läßt sich nicht von der geschlossenen Grenze aufhalten, aber man kann das Fortschreiten des Infektionsgeschehens deutlich verlangsamen. Herr Seehofer hat Recht. Die Lage ist höchst gefährlich, schnelles Handeln erforderlich.
Herr Lindner weiß alles besser. Die Gelegenheit "mitzuregieren" hatte er bei den letzten Koalitionsverhandlungen, da wollte er nicht mit Verantwortung übernehmen und hat zu dieser Entscheidung ewig gebraucht. Eine Pandemie erfordert schnelles Handeln. Kibitzen ist eben doch einfacher!
Es wäre schon viel gewonnen, wenn es gelänge, den Eintrag des Virus nach Deutschland zu verlangsamen. Deshalb ist Seehofers Ansatz im Kern richtig. Aller Kritik zum Trotz.
Die EU-Kommission hat schon einiges Porzellan zerschlagen. Sie sollte ihren Kurs überdenken. Gerade Deutschland hat sich in der Corona-Politik als EU-solidarisch gezeigt. Und bekanntlich ist Solidarität keine Einbahnstraße.
" Grenzen kann man nicht schützen. "( Doktor Angela Merkel, 2015)
"Wer das HALT an unserer Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angreifer." Beatrix von Stroch 2015