Anhaltende Proteste: Erdogan kündigt Ende der "Toleranz" an
Die türkische Polizei stürmte am Morgen den Taksim-Platz in Istanbul. Für den türkischen Ministerpräsident Erdogan hat die Toleranz nun ein Ende.
Zwölf Tage nach Beginn der Massenproteste in der Türkei ist für den Ministerpräsident Recep Tyyip Erdogan ein Ende der "Toleranz" erreicht, wie er am Dienstag vor Abgeordneten der Regierungspartei AKP in Ankara verkündete. "Diese Episode ist nun vorbei", sagte er. "Wir werden keine Toleranz mehr zeigen."
Vier Tote bei Massenprotesten
Bei den Protesten gegen die türkische Regierung in Istanbul ist die Lage am Dienstagmorgen wieder eskaliert. Mit Wasserwerfen und gepanzerten Geländewagen stürmte die türkische Polizei am Morgen den zentralen Taksim-Platz, wo es zu neuen Zusammenstößen mit Demonstranten kam. Bei den seit anderthalb Wochen andauernden Protesten sind laut dem türkischen Ministerpräsident Erdogan insgesamt vier Menschen getötet worden - ein Mensch mehr als bislang bekannt. Unter den Toten seien drei junge Demonstranten und ein Polizist, sagte der Regierungschef. Laut dem türkischen Ärztebund wurden im Verlauf der Proteste fast 5000 Menschen verletzt.
Istanbul: Bagger gegen Barrikaden
Bagger räumten unter Polizeischutz Barrikaden, die die Platzbesetzer zuvor aus Metallteilen einer Großbaustelle am Taksim-Platz, aus von der Polizei vor mehr als einer Woche zurückgelassenen Absperrzäunen und bei Straßenkämpfen demolierten Autos errichtet hatten, wie ein dpa-Korrespondent von dem Platz berichtete.
Mit Tränengas auf Demonstranten gefeuert
Die Polizei feuerte dann Tränengas gegen Demonstranten. Auf die Wasserwerfer wurden aus den Reihen der Demonstranten auch Brandsätze geworfen. Aktivisten in einem Protestlager am Rande des Taksim-Platzes distanzierten sich nach Medienberichten von der Verwendung von Brandsätzen.
Der Gouverneur von Istanbul, Hüseyin Avni Mutlu, erklärte ungeachtet der neuerlichen Gewalt über den Kurznachrichtendienst Twitter, mit dem Einsatz sollten nur Plakate und Spruchbänder auf dem Platz entfernt werden. Er rief die Demonstranten zur Ruhe auf.
Die Polizei war am frühen Morgen vom Stadtteil Besiktas aus vorgerückt, als nur noch einige Tausend Demonstranten auf dem Platz im Herzen Istanbuls ausharrten.
Der türkische Ministerpräsident Erdogan dankt der Polizeiführung für ihren Einsatz
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat das Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten auf dem Taksim-Platz in Istanbul verteidigt. In einer Rede vor Abgeordneten seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara dankte er der Polizeiführung am Dienstag.
Den Demonstranten warf er vor laufenden Fernsehkameras Vandalismus und erhebliche Zerstörungen bei den Protesten in den vergangenen zwei Wochen vor. Es gebe zudem einen Versuch, die Türkei wirtschaftlich in die Knie zu zwingen und Investoren einzuschüchtern. Er zeigte sich unnachgiebig gegenüber Forderungen der Protestbewegung.
Auch Istanbuls Gouverneur Hüseyin Avni Mutlu hat die gewaltsame Stürmung des Taksim-Platzes gerechtfertigt und regierungskritischen Demonstranten die Schuld daran gegeben. "Ihr Anblick verärgert die Bevölkerung (...) und besudelt den Ruf des Landes in der Welt", sagte Mutlu am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Die Verantwortung für die Zusammenstöße im Zuge des Polizeieinsatzes hätten allein gesellschaftliche "Außenseiter" zu tragen.
Brutaler Einsatz der Polizei
Ursprünglich hatten sich die schon seit Tagen andauernden Proteste an einem Plan zur Überbauung des Gezi-Parks am Rande des Taksim-Platzes entzündet. Die Protestwelle bekam starken Auftrieb, als die Polizei mit brutalem Einsatz ein Lager im Gezi-Park räumte. Inzwischen richten sich die Demonstrationen vor allem gegen den als immer autoritärer empfundenen Kurs des islamisch-konservativen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. dpa/AZ
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