Anschläge, Propaganda und böse Erinnerungen
Je mehr Staaten in den Konflikt verwickelt sind, desto unübersichtlicher wird die Lage am Persischen Golf
Nach den mysteriösen Anschlägen auf vier Öltanker im Persischen Golf eskalieren die Spannungen in der Region weiter. Die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen griffen am Dienstag nach eigenen Angaben mehrere Ziele in Saudi-Arabien mit Drohnen an. Die saudische Regierung sprach von drei Drohnen-Angriffen auf Pumpstationen für Erdöl. Verletzt wurde niemand, doch die Gewalttaten erhöhen die Gefahr militärischer Auseinandersetzungen zwischen dem Iran auf der einen sowie den USA, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) auf der anderen Seite.
Die Drohnen-Angriffe seien eine Reaktion auf die Verbrechen Saudi-Arabiens im Jemen, erklärten die Huthis. Die Rebellen kämpfen im Jemen seit 2015 gegen eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition. Die saudische Monarchie als führende sunnitische Macht betrachtet die Huthis als Vasallen ihres Erzfeindes, des schiitischen Iran.
Zwei Tage vor den Drohnen-Angriffen hatten Unbekannte zwei saudische, einen emiratischen und einen norwegischen Tanker im Golf angegriffen. Mindestens eines der Schiffe wurde von einem Projektil an der Wasserlinie getroffen. Meldungen, wonach die angegriffenen Tanker fast gesunken wären, bestätigten sich aber nicht.
Obwohl das Ausmaß und die Umstände der Angriffe unklar blieben, heizte der Zwischenfall die Spannungen zwischen den USA und ihren Verbündeten sowie dem Iran an. Sollte am Golf etwas geschehen, werde der Iran „ein schlimmes Problem“ bekommen, drohte US-Präsident Donald Trump. Irans Staatschef Hasan Ruhani antwortete, sein Land lasse sich nicht einschüchtern und werde „den Feind besiegen“.
Aus Sicht der Saudis und der Trump-Regierung ist der Iran ein regionaler Unruhestifter, der gestoppt werden muss. Washington denkt deshalb über einen zusätzlichen Truppenaufmarsch am Golf nach. Bis zu 120000 Soldaten könnten laut einem Vorschlag des Pentagons in die Region verlegt werden, wenn der Iran amerikanische Truppen dort angreifen oder den Bau einer Atombombe vorantreiben sollte, berichtete die New York Times.
Manche Kritiker Trumps fühlen sich an die Lage vor dem Irak-Krieg von 2003 erinnert, als die damalige amerikanische Regierung falsche Vorwürfe verbreitete, um die Öffentlichkeit auf einen militärischen Konflikt vorzubereiten.
Auch iranische Hardliner nehmen an der Propagandaschlacht teil. Der Iran werde die Straße von Hormus im Persischen Golf und damit eine der wichtigsten Ölhandelsrouten der Welt sperren, wenn iranische Öltanker dort nicht mehr verkehren könnten, erklärte der Marinechef der Revolutionsgarden, Alireza Tangsiri, vor wenigen Wochen.
Bisher schreckten die Beteiligten vor einer offenen Konfrontation zurück. Beispiel Iran: Samir Madani, Mitbegründer der Internetseite TankerTracker, wies auf Twitter darauf hin, dass die iranische Regierung die VAE-Gewässer vor Fudschaira – dem Schauplatz der Angriffe auf die Tanker – dringend braucht: Dort werde Öl aus iranischen Schiffen in andere Tanker umgeladen. Auf diese Weise umgeht der Iran die amerikanischen Ölsanktionen. Ausgerechnet in dieser Gegend einen provokativen Anschlag zu verüben, würde den wirtschaftlichen Interessen der Iraner widersprechen.
Doch innenpolitische Faktoren auf beiden Seiten des Konflikts machen nun eine militärische Konfrontation wahrscheinlicher. Ruhani gerät wegen der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme infolge der US-Sanktionen in Teheran immer weiter in die Defensive. Hardliner in der US-Regierung haben den Druck auf den Iran immer weiter erhöht, ohne dass diese Politik die Teheraner Regierung zu einer Mäßigung ihres Verhaltens bewegen konnte. Das sorge für Frust in Washington, sagte Ali Vaez, Iran-Experte bei der Denkfabrik International Crisis Group, dem Magazin New Yorker. Auf beiden Seiten könnte die Versuchung wachsen, militärische Mittel einzusetzen, um im jeweils eigenen Land zu punkten.
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