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Figuren der Krise
29.08.2020

Antreiber und Getriebene: Was ist aus ihnen geworden?

Horst Seehofer (CSU) forderte damals eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen. Doch Angela Merkel war der Auffassung, die Flüchtlingskrise müsse mit Solidarität, Kontingenten, und durch die Bekämpfung von Fluchtursachen europäisch gelöst werden.
Foto: Michael Kappeler, dpa

Die Flüchtlingskrise 2015 wurde maßgeblich gelenkt von Taten und Entscheidungen Einzelner. Was ist fünf Jahre später aus Ihnen geworden? Acht Akteure im Fokus.

Fünf Jahre ist die Flüchtlingskrise 2015 her. Wie die Ereignisse von damals politisch zu bewerten sind, darüber wird noch immer gerungen. Fest steht aber: Einige Akteure haben mit ihren Taten oder Entscheidungen besonderen Einfluss auf den Verlauf genommen. Wir stellen acht Akteure vor - und beschreiben auch, wie es ihnen heute ergeht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde durch die Flüchtlingskrise in ihrem Amt geschwächt.
Foto: Michael Kappeler, dpa

Angela Merkel - die Getriebene

Die Flüchtlingskrise hat die Kanzlerin straucheln lassen. Ausgerechnet eine neue Bedrohung führt sie zurück auf den Olymp.

Es ist wohl das Bestreben eines jeden Spitzenpolitikers, einmal in den Geschichtsbüchern verewigt zu werden. Als Gestalter, als Kämpfer, als Held. Auch Angela Merkel werden dereinst wohl viele Seiten gewidmet, auf denen sie als Krisenmanagerin mit eisernem Nervenkostüm beschrieben wird. Und doch bleibt ihr Name auch auf ewig mit den gewaltigen Problemen der Flüchtlingskrise verbunden.

Ausgerechnet als Deutschland und Europa vor ihrer gewaltigsten Herausforderung seit Jahrzehnten standen, entglitt ihr die Kontrolle. Sie wurde von der bewunderten Machtpolitikerin zur Getriebenen, von der kühlen Naturwissenschaftlerin zur emotionalen Bauchentscheiderin. Ein Schwur, der nicht viel mehr ist als eine Worthülse, wird ihr als Zumutung ausgelegt: „Wir schaffen das“, ausgesprochen im Herbst 2015.

Es ist der Auftakt eines beispiellosen Kampfes: gegen die Kritiker einer humanitären Flüchtlingspolitik, gegen die sich immer schamloser profilierende AfD, gegen die „Merkel-muss-weg“ skandierenden Demonstranten – und am Ende sogar gegen ihre eigene Partei. So laut werden die Schmährufe, dass sie am Ende sogar den Parteivorsitz abgeben muss.

Antreiber und Getriebene: Was ist aus ihnen geworden?
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Aufstieg und Krisen: Angela Merkels Karriere in Bildern

Dabei hatte Angela Merkel ihre „Politik mit Herz“ längst beerdigt. Nie waren die Asylgesetze strenger, nie waren die Zäune höher. Die „Willkommenskultur“ aus dem Schicksalsherbst 2015 ist einer Festungsmentalität gewichen. Denn auch das gehört zur Wahrheit: Merkel war längst nicht die einzige, die in diesen Tagen Gefühl zeigte. Die Bilder des toten Flüchtlingsjungen Alan Kurdi am türkischen Strand. Die leidenden Flüchtlinge in den überfüllten Lagern in Griechenland. Die Freude der Menschen, die völlig erschöpft am Bahnhof in München ankamen. Endlich, so der Tenor, kann auch Deutschland, das Land der Nazi-Täter, einmal die Hand zur Hilfe ausstrecken und zeigen, dass es ein freundliches Gesicht hat.

Heute sagt Angela Merkel: „Das Jahr 2015 darf und wird sich nicht wiederholen.“ Es ist zu einem regelrechten Mantra geworden. Trotzdem spaltet die Flüchtlingspolitik bis heute. Zugleich ist es ausgerechnet eine neue Krise, die die Abendsonne gnädig auf ihre letzten Monate im Kanzleramt strahlen lässt. In der Corona-Krise wurde Merkel zum "nationalen Schutzengel", wie es der Psychologe Stephan Grunewald nennt. Mit Ruhe, aber auch Bestimmtheit führt sie Deutschland durch eine Epidemie, die vieles über den Haufen wirft - und hebt sich dabei ab von Alpha-Männern wie Trump oder Bolsonaro. Margit Hufnagel

Horst Seehofer wurde in der Flüchtlingskrise 2015 als bayerischer Ministerpräsident zum schärfsten Gegenspieler Merkels.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

Horst Seehofer - der Eigensinnige

Der CSU-Politiker irrlichterte durch die Krise. Mit alten Rezepten versuchte er Probleme zu lösen - und schuf dadurch neue.

Horst Seehofer und die Lehren aus der Flüchtlingskrise – das ist eine Geschichte, in der das Wörtchen „vielleicht“ ziemlich oft vorkommt. Vielleicht hätte er Kanzlerin Angela Merkel beim CSU-Parteitag im November 2015 nicht auf offener Bühne abkanzeln sollen. Vielleicht hätte er das mit der „Herrschaft des Unrechts“ im Februar 2016 nicht sagen sollen. Vielleicht hätte er nicht so vehement auf einer Obergrenze für Flüchtlinge beharren und sogar mit einem eigenen Bundestagswahlkampf der CSU drohen sollen. Vielleicht wäre dann ja alles trotzdem so gekommen, wie es gekommen ist – ohne dass die AfD sich hätte etablieren können.

Nachdem Seehofer im Jahr 2008 CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident geworden war und damit begonnen hatte, seine Partei aus einem tiefen Loch wieder in neue Höhen zu führen, wollte er „die alte CSU“ hinter sich lassen. Er hatte Erfolg. 2013 eroberte er die absolute Mehrheit im Bayerischen Landtag zurück. In einem Punkt aber hielt er an der „alten CSU“ fest. Das Dogma von Franz Josef Strauß, wonach es rechts neben der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, galt unter Seehofer unverändert fort.

Die historische Vorlage für Seehofers Flüchtlingspolitik lieferte der Umgang mit den teils rechtsradikalen Republikanern in den 90er Jahren. Mit einer härteren Gangart und einer Verschärfung des Asylrechts war es der Union damals gelungen, den innenpolitischen Streit zu entschärfen und die Republikaner aus den Parlamenten fernzuhalten. Warum sollte das in der Auseinandersetzung mit der AfD nicht noch einmal klappen?

Vielleicht hätte es ja auch funktioniert, wenn CDU-Chefin Merkel und CSU-Chef Seehofer sich von Anfang an einig gewesen wären. Vielleicht hat es aber auch deshalb nicht geklappt, weil sich die Zeiten geändert haben und die Gesellschaft mehrheitlich weltoffener und toleranter geworden ist. Vieles spricht für die zweite Antwort – vor allem die Erfahrung, die die CSU im Landtagswahlkampf 2018 machte. Seehofer war da schon Bundesinnenminister, Söder Ministerpräsident.

Bis in den Frühsommer hinein blieb Söder bei der harten Linie in der Flüchtlingspolitik und beim sanften Umgang mit der AfD. Die CSU sackte in Umfragen weiter ab. Es ging in Richtung 30 Prozent. Ende der Sommerferien riss Söder das Ruder herum und begann, die AfD frontal zu attackieren. Damit schaffte er nach Meinung der meisten CSU-Strategen den „Turn around“. Uli Bachmeier

Viktor Orbán fiel in der Flüchtlingskrise 2015 vor allem durch sein hartes Vorgehen gegen Flüchtlinge auf.
Foto: Sven Hoppe, dpa

Viktor Orbán - der Kompromisslose

Der ungarische Regierungschef lässt keinen Zweifel daran, dass Flüchtlingspolitik in erster Linie Abschottung bedeutet.

Kaum ein Name steht in Europa so sehr für eine kompromisslose Flüchtlingspolitik, wie der des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Für die einen wurde er damit zum Helden, für die anderen zum Buhmann. Dafür hat der heute 57-jährige Politiker ohne Zweifel einiges getan.

Wirklich überraschend war sein Vorgehen kaum: An Orbán gab es innerhalb der EU längst scharfe Kritik wegen seiner Ankündigung, die Todesstrafe einzuführen und Bestrebungen, demokratische Standards zu schleifen, als sich Mitte 2015 die Flüchtlingskrise zuspitzte. Zigtausende Menschen erreichten Ungarn vom Balkan kommend. Orbán machte unmissverständlich klar, dass Flüchtlinge in Ungarn nicht willkommen sind. Migration ist für ihn bis heute ein trojanisches Pferd des Terrorismus, eine „Vermischung der Völker“ ein Schreckensszenario. Im Übrigen handele es sich bei der Flüchtlingskrise um ein „deutsches Problem“.

Antreiber und Getriebene: Was ist aus ihnen geworden?
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Das sind die prägendsten Fotos der Flüchtlingskrise
Foto: Armin Weigel, dpa

Der „Politik des Herzens“ der Kanzlerin setzte Orbán eine „Politik der harten Hand“ entgegen. Dabei war es unter anderem der Bahnhof in Budapest, an dem sich die Krise zuspitzte. Als die Menschen dort unter sich katastrophal zuspitzenden Bedingungen auf eine Weiterfahrt in Richtung Westen warteten, wuchs der Druck immer weiter an. Im Rückblick betrachtet scheint sicher, dass die prekären Zustände von Behörden und Sicherheitskräften ganz bewusst in Kauf genommen wurden. Die brisante Lage führte schließlich Anfang September 2015 zu dem Entschluss von Bundeskanzlerin Merkel, die Flüchtlinge aus Ungarn über Österreich einreisen zu lassen. Mindestens ebenso weitreichend für die EU ist, dass Viktor Orbán seine knallharte Agenda konsequent weiterverfolgte.

Er riegelte sein Land mit Zäunen und Grenztruppen in Richtung Osten ab und weigerte sich fortan – trotz einschlägiger Urteile des Europäischen Gerichtshofs – kategorisch, Beschlüsse der EU zur Flüchtlingspolitik mitzutragen. Sympathie fand er dabei in der ungarischen Bevölkerung, aber auch bei EU-Mitgliedern im Osten Europas. Mit dem Ergebnis, dass sich in der Union bereits vorhandene Spaltungen zementierten, die bis heute lähmend wirkten.

Befürworter der Politik Orbáns halten ihm bis heute zu Gute, dass es ihm zu verdanken sei, dass die Balkan-Route geschlossen wurde. Gegner klagen ihn an, immer wieder die Menschenrechte der Flüchtlinge verletzt zu haben und auf diese Weise der EU als Wertegemeinschaft nachhaltig geschadet zu haben. Simon Kaminski

In der Flüchtlingskrise attackierte er immer wieder die deutsche Politik - und wurde damit in Österreich zum Aufsteiger.
Foto: Herbert P. Oczeret, dpa

Sebastian Kurz - der Aufsteiger

Der Österreicher wurde mit seiner Politik der Abschreckung zum Gegenbild der deutschen Kanzlerin.

„Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen.“ Das Zitat von Sebastian Kurz vom Januar 2016 in der Welt sorgte in Österreich für heftige Kritik. Einen „menschenverachtenden Zyniker“ nannte der grüne Europaabgeordnete Michel Reimon den damaligen Außenminister der konservativen ÖVP. Heute bilden Grüne und die türkis umgefärbte ÖVP unter Kurz die Regierungskoalition. Besagtes Zitat von Kurz bezog sich auf die Situation an Europas Außengrenzen während der Flüchtlingsbewegung seit dem Sommer 2015, vor allem auf die Türkei, der allein man nicht „den Job übertragen“ könne, weil man sich in Europa „die Hände nicht schmutzig machen“ wolle.

Das damalige Interview markiert einen Wendepunkt - nicht nur Österreichs in der Migrations- und Flüchtlingsdebatte, sondern auch in der Politik von Kurz. Spätestens da war klar, dass dieser die sich in Österreich besonders rasch gedrehte Stimmungslage erkannt hatte – und sie folglich auch für seine Zwecke zu nutzen wusste. Dabei setzte Kurz, bevor er zum Minister und später zum Kanzler aufstieg, nicht immer auf migrationsfeindliche, populistische Rhetorik.

Als Integrationsstaatssekretär, noch unter sozialdemokratischer Kanzlerschaft, bekam Kurz für seine pragmatischen Lösungsansätze auch Applaus von der politischen Linken. Etwa mit seiner Kampagne „Zusammen Österreich“, mit der er die Identifikation von Zuwanderern mit Österreich vorantreiben wollte. „Integration durch Leistung“ war damals Kurz’ Losung - ein klassischer konservativ-wirtschaftsliberaler Ansatz.

Rund um den „Sommer der offenen Grenzen“ dann Kurz’ neues Profil: Österreich als Zielland für Migration unattraktiv machen und auf Härte setzen, da die EU mit zahlreichen Anläufen für eine gemeinsame Verteilungspolitik gescheitert war. Schon damals schielte Kurz auf den bevorstehenden Wahlkampf, in dem er ÖVP-Spitzenkandidat sein würde. „Wir haben genug getan“, sagte Kurz. Mit seinem Mantra, er sei es gewesen, der „die Balkan-Route geschlossen“ habe, integrierte er vor allem jene europäischen Politiker, die den Kurs der deutschen Kanzlerin Angela Merkel verlassen wollten.

Dass er den Prozess der Grenzschließungen am Balkan eher zum Abschluss brachte als initiierte, tat da nichts mehr zur Sache. Kurz attackierte Merkel immer häufiger offen und brachte sie gegen sich auf. Seinen migrationsfeindlichen Kurs behält Kurz auch heute bei und weigert sich, Kinder und Familien aus den katastrophal überfüllten griechischen Lagern aufzunehmen. Werner Reisinger

Thomas de Maiziere wurde in der Flüchtlingskrise 2015 von vielen Seiten angefeindet.
Foto: Gregor Fischer, dpa

Thomas de Maizière - der Zerrissene

Der Innenminister hält trotz eigener Bedenken loyal zur Kanzlerin. Doch die lässt ihn am Ende fallen.

Thomas de Maizière gilt als Inbegriff des preußischen Beamten, dem Recht und Regeln über alles gehen. Der treue Gefolgsmann von Bundeskanzlerin Angela Merkel legt eine beeindruckende Karriere hin, als Kanzleramtschef, Innenminister und Verteidigungsminister. Im Herbst 2015 ist der CDU-Politiker erneut Innenminister, doch für die Ereignisse an den Grenzen bietet sein bewährter Kompass keine Orientierung. Dass hunderttausende Flüchtlinge unregistriert einreisen, muss ihm, dem konservativen Ordnungsfanatiker mit Spitznamen „Büroklammer“, wie ein Albtraum erscheinen.

Rein formal indes gilt für ihn: Die deutschen Außengrenzen sind ja bereits offen, das Recht auf Asyl gilt und eine Obergrenze gibt es nicht. Später wird er immer wieder betonen: Eine Entscheidung der Bundeskanzlerin zu einer Grenzöffnung habe es folglich nie gegeben. So lehnt de Maizière die Pläne zur Grenzschließung ab, die Bundespolizeichef Dieter Romann vorbereitet hat.

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Und bereut heute die Entscheidung nicht. „Das war so eine 51-Prozent-Entscheidung. Ich würde sie heute wieder so treffen, vielleicht ein bisschen anders kommunizieren“, sagte er kürzlich in einem Interview. Eine Lehre, die er persönlich aus der Zeit gezogen habe, sei, dass die politische Führung, vielleicht sogar die ganze Gesellschaft, sich damals zu sehr von Bildern und wechselnden Stimmungen habe leiten lassen. Der praktizierende evangelische Christ fürchtete damals, dass eine konsequente Zurückweisung für hässliche Szenen sorgen würde, „wie Polizisten Flüchtlinge, darunter Frauen und Kinder mit Schutzschilden und Gummiknüppeln am Übertreten der Grenze nach Deutschland hindern“.

Als Innenminister ist de Maizière auch zuständig für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das völlig unvorbereitet von der Krise getroffen wird, vor der Experten ja schon lange gewarnt hatten. Zeitweise stapeln sich hunderttausende unbearbeiteter Asylanträge. Vom „Flüchtlingschaos“ ist die Rede. Merkel setzt Kanzleramtschef Peter Altmaier als Flüchtlingskoordinator ein, eine Demütigung.

Aber auch von Seiten derjenigen, die Merkels Kurs für richtig halten, wird de Maizière angefeindet. Etwa für seine unbelegte Behauptung, dass 30 Prozent der Asylsuchenden, die Syrien als Herkunftsland nennen, in Wahrheit gar keine Syrer seien. Diese Zerrissenheit zehrt an Nerven und Gesundheit. In ihrem neuen Kabinett hatte die Kanzlerin keinen Platz mehr für ihn. Ausgerechnet sein Intimfeind Seehofer wird 2018 Innenminister. Bernhard Junginger

Dieter Romann, Chef der Bundespolizei, hätte in der Flüchtlingskrise 2015 die Grenzen geschlossen.
Foto: Michael Kappeler, dpa

Dieter Romann - der Grenzschützer

Als Präsident der Bundespolizei hat er alles vorbereitet, um Deutschland abzuriegeln. Doch die Kanzlerin ist strikt dagegen.

Dieter Romann ist vorbereitet. Zelte, Container, Lichtmasten: Nach dem G7-Gipfel im oberbayerischen Elmau ein paar Wochen zuvor hat der Präsident der Bundespolizei jede Menge Material in Bayern einlagern lassen – Material, das seine Beamten benötigen, um die Grenzen für Flüchtlinge zu schließen. Der Befehl, Deutschland dicht zu machen, ist 30 Seiten dick und längst geschrieben – die Kanzlerin aber ist strikt dagegen. In letzter Minute wird der Einsatzbefehl entschärft.

Angela Merkels Politik der offenen Grenzen ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was der Grenzschützer Romann für richtig hält. Schon lange vor den Ereignissen in Ungarn hat er im Kanzleramt, im Innenministerium und bei der SPD einen kurzen Film vorgeführt, der eine nicht enden wollende Schlange von Menschen an der serbisch-mazedonischen Grenze zeigt. Menschen, die nur darauf warten, von Schleppern nach Deutschland gelotst zu werden, und wenn es stimmt, was Romann da behauptet, dann stellt die mazedonische Staatsbahn sogar Sonderzüge für deren Transport bereit.

In CSU-Chef Horst Seehofer und Innenminister Thomas de Maiziere, so glaubt er, hat die Bundespolizei mächtige Verbündete, um Flüchtlinge ohne Pass und Visum an der Grenze abzuweisen. Die Hundertschaften dafür stehen schon bereit. Am Ende aber wird Romann kalt ausgebremst. Das Grundrecht auf Asyl, sagt die Kanzlerin, kenne keine Obergrenze.

CDU-Mitglied Romann, in jungen Jahren deutscher Karatemeister, hat seine Doktorarbeit über die „Remonstration“ geschrieben, also das Recht (und die Pflicht) von Beamten, ihren Vorgesetzten zu widersprechen. Er hält die Entscheidungen des deutschen Flüchtlingssommers für einen historischen Fehler, der dem Land irreparabel schaden wird – und sagt das intern auch so deutlich. Einem politischen Reaktanten wie Seehofer gefällt diese fordernde, direkte, gelegentlich etwas ungehobelte Art, der eher zögerliche de Maiziere und die Kanzlerin aber empfinden Romanns Auftreten als permanente Provokation.

De Maiziere überlegt sogar, ob er ihn nicht entlassen soll. Im Innenministerium spotten sie damals, der „Rominator“ habe seinen Karate-Kampfanzug nie abgelegt. Fünf Jahre später hat sich an dessen Blick auf die Dinge nichts geändert. Europas Außengrenzen, sagt Dieter Romann beim Europäischen Polizeikongress im Februar, seien nach wie vor nicht sicher. „Deutschland ist im achten Jahr in Folge das Hauptziel für unerlaubte Einreisen.“ Rudi Wais

Anas Modamani machte 2015 ein Foto mit Angela Merkel. Sein Selfie ging um die Welt - heute würde er es nicht mehr aufnehmen.
Foto: Makesk

Anas Modamani - der Ernüchterte

Der Syrer machte 2015 ein Selfie mit Angela Merkel, das ihn berühmt machte. Heute würde er das Foto nicht mehr knipsen.

Ein Foto mit der Kanzlerin – es ist eine Gelegenheit, die nicht leicht zu bekommen ist. Auch nicht für Anas Modamani, einem Mann, der das letztendlich geschafft hat. Im September 2015 besuchte Angela Merkel ein Flüchtlingsheim in Berlin. Modamani erzählt, dass er mehrmals probierte, zur Kanzlerin durchzukommen. Doch die Sicherheitsleute hätten ihn zurückgehalten. Aber Merkel habe ihn bemerkt – Modamani durfte sein Selfie machen.

Fotografen hielten die Szene fest: Merkel neben dem Syrer, der Hand und Handy für ein Foto ausstreckt. So wurde Modamani berühmt, aber auch zum Opfer von Hassangriffen. Zunächst hatte er eine schöne Zeit: „Ich habe viele Leute kennengelernt, Deutsch gelernt und die Kultur hier entdeckt“, schildert Modamani. Doch irgendwann wurde das Foto missbraucht. Es kursieren Bilder im Netz, die ihn in Zusammenhang mit Anschlägen bringen. „Leute haben geschrieben, dass ich ein Terrorist bin und mir Hasskommentare geschickt“, schildert der heute 23-Jährige.

Modamani geht juristisch dagegen vor, will, dass Facebook die Bildmontagen löscht. „Ich habe vor Gericht leider verloren, aber es war mir wichtig, die wahre Geschichte zu erzählen.“ Modamani studiert mittlerweile Wirtschaftskommunikation in Berlin und arbeitet als Kassierer in einem Supermarkt. Nach dem Studium will er sich im Medienbereich bewerben.

Auf das Foto mit Angela Merkel schaut er heute zwiegespalten zurück. Es habe ihm tolle Erlebnisse beschert, er hat Unterstützung erfahren. Doch noch immer seien die Fake-Bilder im Netz. Modamani hat Angst, dass künftige Arbeitgeber auf diese Bilder stoßen und deswegen seine Bewerbung ablehnen könnten. „Ich hätte das Foto vielleicht nicht machen sollen. Aber es ist passiert und ich bin stolz, dass ich ein Foto mit Angela Merkel gemacht habe. Sie ist eine Heldin für mich, hat uns hier aufgenommen. Aber ich bin wegen dieser Terrorgeschichte traurig.“

Obwohl er Angela Merkel als Heldin bezeichnet, sieht er Teile der Flüchtlingspolitik kritisch. „Meiner Meinung nach haben wir es nicht geschafft“, sagt Modamani. Es könne nicht sein, dass Menschen jahrelang in Flüchtlingsheimen leben, nicht arbeiten dürfen. Integration funktioniere so nicht. Auch die Stimmung im Land habe sich verändert, Menschen seien ablehnender geworden: „Wenn ich Freundschaften aufbauen möchte und die Leute erfahren, dass ich ein Flüchtling bin, dann gehen sie einen Schritt zurück.“ Jan-Luc Treumann

Für den Landshuter Landrat Peter Dreier gab es nach seiner Bus-Aktion Lob und Kritik.
Foto: Imago

Peter Dreier - der Zeichensetzer

Der Landshuter Landrat schickte Anfang 2016 aus Protest gegen die Asylpolitik 31 Syrer per Bus nach Berlin vors Kanzleramt.

Die Schlagzeile machte den niederbayerischen Kommunalpolitiker Peter Dreier über Nacht bundesweit bekannt: „Landshuter Landrat schickt Flüchtlinge per Bus vor das Kanzleramt nach Berlin.“ So oder so ähnlich lauteten die Überschriften regionaler, aber auch vieler überregionaler Medien am 15. Januar 2016.

Was war geschehen? Peter Dreier (Freie Wähler), der 2014 zum Landrat gewählt wurde, registrierte im Laufe des Herbstes 2015, dass sein Landkreis bald nicht mehr in der Lage sein würde, Flüchtlinge „menschenwürdig“ unterzubringen. Er machte keine Geringere als Kanzlerin Angela Merkel in einem Telefonat auf die sich abzeichnende Notlage aufmerksam und kündigte an, Asylbewerber in Bussen zum Kanzleramt zu schicken, wenn nichts geschehen sollte.

Am 14. Januar 2016 sah Dreier diesen Punkt erreicht. Tatsächlich erklärten sich 31 Syrer bereit, in einen Bus in Richtung Berlin zu steigen. Dabei handelte es sich durchweg um Flüchtlinge, deren Asylanträge bereits anerkannt worden waren. Sie lebten aber nach wie vor – als sogenannte „Fehlbeleger“ – in Flüchtlingsunterkünften. Der eigentlich vorgesehene Umzug in eigene Wohnungen scheiterte an fehlenden Kapazitäten in und um Landshut.

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Um auf diesen Zustand hinzuweisen ließ Dreier den Bus chartern: Er habe ein Zeichen setzen wollen, dass es „in der Flüchtlingspolitik so nicht weitergehen“ könne und dürfe, erklärte der damals 49-Jährige damals. Das Echo war zwiespältig. Dreier wurde von Politikern und Medien vorgeworfen, eine PR-Aktion auf Kosten der Syrer gestartet zu haben. Von anderer Seite gab es Lob für einen Mann, der den Mut gezeigt habe, auf unhaltbare Zustände hinzuweisen. Von den 31 Syrern kehrten letztlich fast alle zunächst nach Bayern zurück.

Und heute? „Ich würde in einer Situation wie 2015/16 genauso handeln“, sagt Dreier in Gespräch mit unserer Redaktion. Auch wenn sich die Lage angesichts der längst stark zurückgegangenen Flüchtlingszahlen deutlich entspannt habe, das Wohnraumproblem sei dem Landkreis erhalten geblieben. „Von den rund 900 Flüchtlingen, die aktuell in dezentralen Unterkünften leben, verfügen circa 75 Prozent über einen anerkannten Asylantrag – doch finden sie nur sehr schwer eine Wohnung.“

Immerhin, so sagt Landrat Dreier, gebe es sehr positive Beispiele für gelungene Integration, nicht zuletzt durch das Engagement von vielen Ehrenamtlichen. Aber auch Fälle, in denen die Integrationsversuche scheitern. Simon Kaminski

Dieser Text ist Teil unserer Themenwoche "5 Jahre Flüchtlingskrise - Wir schaffen das". Alle Artikel finden Sie hier.

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