SPD entsetzt über Seehofers Masterplan
Das in großen Teilen geheime Papier könnte einen handfesten Koalitionskrach auslösen. Warum der Integrationsbeauftragte vor „KZ-ähnlichen Zuständen“ warnt
In der Union ist der große Streit um den „Masterplan Migration“ von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) einstweilen vertagt. Doch was über das geheimnisvolle Papier nach und nach bekannt wird, sorgt beim Koalitionspartner SPD für Entsetzen. So kündigt Josip Juratovic, der Integrationsbeauftragte der Bundestagsfraktion, gegenüber unserer Zeitung erbitterten Widerstand an – etwa gegen den von Seehofer angekündigten Ausbau von Sachleistungen. „Wer wie Seehofer davon spricht, Geflüchteten kein Geld mehr zahlen zu wollen, sondern stattdessen auf reine Sachleistungen setzt, beraubt die Menschen ihrer Selbstbestimmung und befördert ihre Stigmatisierung“, sagt er.
Hintergrund der Attacke des Abgeordneten aus Heilbronn: Horst Seehofer hatte Informationen unserer Zeitung bestätigt, dass Geldzahlungen an Flüchtlinge stark eingeschränkt werden. Künftig soll es fast ausschließlich Sachleistungen geben. Verlängert wird demnach auch der Zeitraum, in dem Asylbewerber nur den sogenannten „Grundbedarf“ erstattet bekommen: von 15 auf 36 Monate. SPD-Mann Juratovic lehnt den Plan entschieden ab. „Das entspricht in keiner Weise der humanitären Grundhaltung der SPD, und wir werden das nicht akzeptieren.“
Klar ist auch, dass Seehofer voll auf die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ankerzentren setzt, in denen alle Asylverfahren gebündelt werden sollen. Asylbewerber ohne Bleibeperspektive sollen dort bis zu ihrer Abschiebung untergebracht werden. Juratovic macht klar, dass seine Partei die Ankerzentren nur widerwillig akzeptiere. „Hätten wir die Mehrheit, würde es sie nicht geben, denn auch wir erkennen die Gefahr, dass diese Ankerzentren zu Lagern verkommen können.“ Anspruch der SPD sei es, darauf zu achten, „dass diese Ankerzentren human ausgestattet sind und eine Chance darstellen, die Geflüchteten bei ihren Anliegen zu unterstützen“.
Den umstrittenen Masterplan Migration kennt neben Seehofer und der Bundeskanzlerin bislang nur eine Handvoll Personen. Seehofer hat sich öffentlich nur zu einem Teil seiner Pläne geäußert. Selbst in verschiedenen Gremiensitzungen von CDU und CSU habe der Innenminister aus dem Papier nicht vorgelesen, sondern nur frei vorgetragen, wie Abgeordnete beider Unionsparteien übereinstimmend berichten. Bestätigt hat Seehofer etwa, dass der Bund die Länder bei Abschiebungen künftig stärker unterstützen soll – etwa bei der Beschaffung von Ersatzpapieren für Flüchtlinge ohne Pass. Seehofer kündigte zudem an, dass der Bund auch Flugzeuge für Abschiebungen chartern werde. Am Dienstag teilt das Innenministerium dem Bundespolizeipräsidium per Erlass mit, Menschen an der Grenze zurückzuweisen, gegen die ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot besteht.
Für allergrößte Skepsis sorgt bei der SPD, dass im Zusammenhang mit der künftigen europäischen Asylpolitik wieder über die Einrichtung von Auffanglagern für Flüchtlinge in Nordafrika oder auch in Albanien diskutiert wird. Sowohl Seehofer als auch Merkel zeigen sich dafür zumindest aufgeschlossen. EU-Ratspräsident Donald Tusk schlägt vor, aus Seenot gerettete Flüchtlinge künftig zu zentralen Sammelpunkten außerhalb der Europäischen Union zu bringen, wo direkt über ihre Schutzbedürftigkeit entschieden würde. So soll es im Entwurf für die Erklärung zum EU-Gipfel stehen.
SPD-Integrationsexperte Josip Juratovic: „Wenn wir hören, dass Innenminister Seehofer die Errichtung zusätzlicher sogenannter Schutzzonen in Europa und Nordafrika plant, hat man den Eindruck, dass für die Union Lagerhaltung das Mittel der Stunde werden soll. Das wird die SPD so nicht mittragen. Für uns müssen humanitäre Standards für Schutzsuchende gewahrt sein, und jeder weiß, dass in den meisten Ländern genau dies nicht der Fall ist. Im Gegenteil, wir erinnern uns alle an die KZ-ähnlichen Zustände in libyschen Lagern, die die UN öffentlich gemacht hat.“ Juratovic weiter: „Wir Sozialdemokraten werden keine Abstriche bei der Menschlichkeit machen.“
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