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Augsburg
21.05.2015

So geht es der 93-Jährigen aus der Region im kroatischen Pflegeheim

Eine Pflegerin begleitet Maria zum Mittagschlaf in ihr Zimmer eine Treppe höher.
Foto: Manuela Mayr

Eine 93-Jährige ist in ein kroatisches Pflegeheim umgezogen. Sie versteht die Sprache nicht, schläft im Dreibettzimmer, auch einen Aufzug gibt es nicht. Trotzdem lebt die Frau auf.

Manchmal glaubt Maria, dass sie auf Reisen ist. Wenn man die kleine, weißhaarige Frau in ihrem Korbsessel sitzen sieht, die schwarze Handtasche auf dem Schoß, dann könnte man sie wirklich für eine Urlauberin halten. Eine, die in der Hotellobby mit anderen zusammen auf den Bus wartet. Ihr faltiges Gesicht ist sonnengebräunt, die Terrassentüre steht weit offen, Meeresluft strömt herein.

Nur die dicken, warmen Hausschuhe, die Maria trägt, sehen nicht nach Urlaubsreise aus. Auch nicht die Krücken und Gehstöcke, die in dem großen Raum an Sesseln und Stühlen der anderen alten Leute lehnen. Ein Mann mit amputiertem Bein sitzt im Rollstuhl.

Der Himmel draußen leuchtet blau über grünen Sträuchern, in der Ferne glitzert Wasser. Mindestens 20 Mal war Maria hier in Kroatien in den Ferien, sagt ihr Sohn Franz. Ganz in der Nähe hat der pensionierte katholische Diakon ein Haus, in dem er mittlerweile die meiste Zeit lebt. Als er seine Mutter kürzlich fragte, ob sie weiß, wer die Menschen um sie herum sind, habe sie gesagt: „Das ist meine Reisegruppe.“ Maria ist 93 Jahre alt und dement. In ihrem Kopf vermischt sich die Realität mit Erinnerungen.

Früher wohnte die Frau im Kreis Augsburg

Wenn Franz sie besucht, ist sie jedes Mal erstaunt. „Wie hast du mich gefunden?“ fragt sie dann. Oder sie sagt: „Du warst noch nie hier.“ Dass der 66-Jährige zwei Tage zuvor da gewesen ist, und dass er oft in das Altenheim in der Touristenstadt Tribunj kommt, hat sie vergessen.

Begeistert ist sie, dass er den Hund mitbringt. „Schibi, mei Mädle“, ruft Maria dem Tier in schönstem Schwäbisch zu. Der Hund antwortet mit Schwanzwedeln und lässt sich von ihr den Kopf kraulen. Er wartet auf sein Leckerli aus der Hundefuttertüte auf dem Tisch. Dann geht er schnuppernd von Sessel zu Sessel. Auf viele Gesichter zaubert er ein Lächeln.

Es ist Marias Hund, ein Weibchen. Sohn Franz hat ihr den weißen Mischling mit den schwarzen Ohren vor Jahren aus dem Tierheim der Adria-Stadt Sibenik (gesprochen: „Schibenik“) mitgebracht. Deshalb heißt die Hündin „Schibi“.

Maria wohnte damals noch in einer Gemeinde im Kreis Augsburg in ihrem eigenen Haus. Lange kam sie dort allein zurecht. Zum Zeichen, dass alles in Ordnung ist, zog sie morgens, wenn sie aufstand, immer gleich den Rollladen ein Stück weit hoch. Ihr Sohn achtete darauf, wenn er zur Arbeit in die Berufsschule fuhr, wo er Religionsunterricht gab.

Die Touristenstadt Tribunj ist Marias neue Heimat.
Foto: Grafik AZ

Manchmal vergaß Maria, den Rollladen hochzuziehen. Dann passierten andere „dumme Sachen“, erzählt Sohn Franz. Die Herdplatte war eingeschaltet, ohne dass etwas darauf stand. Das Kochen wurde zum Problem für die alte Frau, auch die Körperpflege und das Einkaufen. Die Türschwelle war zum unüberwindlichen Hindernis geworden. Der Sohn ließ die Wohnung barrierefrei umbauen und machte den Vorschlag, eine osteuropäische Pflegekraft einzustellen. Doch das wollte Maria nicht. Eine fremde Person in ihrem Haus, das kam für die früh verwitwete, stets eigenständig handelnde Mutter von zwei Söhnen überhaupt nicht infrage.

Nur die Lieferung des Essens und einen ambulanten Pflegedienst akzeptierte sie. Die Pflegerinnen kamen dreimal am Tag, überwachten die Medikamenteneinnahme, halfen beim Waschen, wickelten Maria die Beine und richteten das Essen mundgerecht her. Auch die Frau des schon verstorbenen älteren Sohnes schaute regelmäßig vorbei. Doch die meiste Zeit war Maria allein.

Wenn Sohn Franz kam, lag sie im Bett, oft apathisch, mit geöffnetem Mund. Und es kam der Tag, an dem er sie auf dem kalten Fußboden liegend fand, halb ausgezogen und mit einem Kissen unter dem Kopf. Sie hatte sich einfach hingelegt. Kein Zweifel: Die Frau brauchte eine 24-Stunden-Betreuung.

Jetzt ist die 93-Jährige eine Tagesreise weit weg von zu Hause

Seit einem Vierteljahr ist sie nun hier, in einem kroatischen Pflegeheim, eine Tagesreise weit weg von zu Hause. Auf ihre alten Tage ist alles neu. Und sie sieht gut aus in ihrem adretten blauen Kleid. Gesprochen wird nicht viel unter den alten Leuten, die da beieinandersitzen. Maria versteht kein Kroatisch, und auf Deutsch unterhalten kann sie sich auch nur mit zwei Mitbewohnern: einer Frau, die bei Philips in Hamburg beschäftigt war, und mit Karlo, der als Diplomkaufmann lange in Luzern gelebt hat. Eine Pflegerin spricht ebenfalls Deutsch, doch die hat heute frei.

Maria hört nicht mehr gut. Man muss mit dem Mund nah an ihr Ohr gehen, damit sie überhaupt etwas versteht. Aber wenn sie auf früher angesprochen wird, erzählt sie viel. Über Obdachlose zum Beispiel, für die sie sich jahrelang engagiert hat. Und plötzlich sagt sie: „Das hier sind keine Obdachlosen. Das ist eine Art Altenheim.“

Sie scheint also doch zu wissen, dass sie nicht auf Reisen ist. Vormittag, 10 Uhr, ist es jetzt. Kaffeepause. Auf Ivanas Tablett stehen drei verschiedene Kaffees: einer mit Milch für Maria, Cappuccino für eine Italienerin aus Rovinj und Nescafé Vanille für Eva, Marias Zimmergenossin. „Es ist wie im Hotel“, findet Franz. Sieben Pflegekräfte sorgen für 20 Heimbewohner – unglaublich viel Personal also. Er habe gestaunt, sagt der Sohn, als seine Mutter eines Tages lackierte Fingernägel hatte. So kenne er sie gar nicht.

Das private Heim ist teuer für kroatische Verhältnisse. 700 Euro im Monat kostet der Platz für Maria in Pflegestufe II. Vier bis fünf Mal so viel würde er in Deutschland kosten. Je nach Pflegebedarf kann der Preis auch hier auf 1200 Euro im Monat steigen. Das ist mehr als ein durchschnittlicher Monatsbruttolohn in Kroatien. 2014 lag dieser nach Angaben der Service-Gesellschaft „Germany Trade & Invest“ bei 7980 Kuna – rund 1050 Euro. Heimbetreiber Leopold Koret, 46, verrät nicht, wie viel er seinen Fachkräften zahlt, und Ivana, die Oberpflegerin, sagt auch nur: „Ich bin sehr, sehr zufrieden.“

Der Chef ist eigentlich Bauunternehmer, und die Idee, in dem ehemaligen Ferienhaus ein Altenheim zu eröffnen, war offenbar auch aus der Not geboren. Das mit großzügigen Terrassen, Säulenbalustraden und Rundbögen ausgestattete Gebäude liegt auf einer Anhöhe mit Meerblick. Die Lage ist traumhaft. Doch das nützte nichts nach den Balkankriegen, die bis 1995 andauerten. Der Tourismus in Kroatien erholte sich nur zögerlich.

Da habe er überlegt, sagt Koret offen, womit sichere Einnahmen zu erzielen sind. Zigarettenhandel oder Geschäfte mit Energie schieden für ihn aus. Er entschied sich für die Betreuung wohlhabender alter Leute – ein zukunftsträchtiger Markt.

In Korets Haus schlafen die wohlhabenden alten Leute nun in Dreibettzimmern. Gut 20 Quadratmeter groß sind sie jeweils – weiße Betten, ein weißer Schrank, eine Nasszelle mit ebenerdiger Dusche und einem Waschbecken. Persönliche Dinge haben kaum Platz. Ein privates Foto an der Wand, ein Plüschtier oder – wie auf Marias Nachttisch – ein Jesusbild, das ist alles. Beim Rundgang nach der Kaffeepause sind die Zimmer sauber aufgeräumt.

Nur in einem der Räume liegt eine schwer pflegebedürftige alte Frau. Pflegerin Ivana richtet sie ein wenig auf, schüttelt das Kopfkissen und sagt aufmunternde Worte.

Alle anderen Heimbewohner sind unten im Erdgeschoss in dem großen Raum oder auf der überdachten Terrasse. Zwei Männer spielen dort Schach. Die Zimmer sind nur zum Schlafen da. Irgendwie müssen alle täglich ein- bis zweimal die Treppe hinauf und hinunter, mit Krücken und Gehstöcken – oder in Begleitung von Pflegerinnen. Einen Aufzug gibt es nicht. Maria würde die Treppe vielleicht alleine schaffen. Aber das ist ihr verboten. Smilja stützt ihren linken Arm, mit dem rechten hält sich die 93-Jährige am Geländer fest. Und zu Hause in Schwaben hatte sie nicht mal die Türschwelle geschafft. Jetzt lächelt sie in die Kamera und nimmt mühelos Stufe für Stufe.

Wer nicht alleine gehen kann, wird hier geführt oder getragen. Franz erzählt, dass eine der Pflegerinnen Marias mitgebrachten Rollator gleich am ersten Tag zur Seite geschoben habe: „Das wollen wir nicht. Wir sind ja hier.“

In dem kroatischen Heim ist immer jemand da

„Der Mensch braucht den Menschen“, sagt der Diakon. Als er noch berufstätig war, besuchte er viele Pfarreiangehörige in verschiedenen Heimen rund um Augsburg. In keinem hatte er sich wohl gefühlt. „Die Leute sitzen den ganzen Tag im Zimmer und warten sehnsüchtig auf Besuch oder auf Essen.“ Schon das Hinunterbringen in den Aufenthaltsraum sei oft wegen knapper Zeitvorgaben kaum möglich.

In dem kroatischen Heim ist immer jemand da. Maria, die so lange allein gelebt hatte, scheint Privatsphäre nicht zu vermissen. „Die menschliche Zuwendung“, meint ihr Sohn, „ist wichtiger als alles andere.“ Sie sei auch wichtiger als die Sprache. „Danke für Ihre Mühen“, sagt Maria, als eine Pflegerin sie zu ihrem Platz am Esstisch führt. Die Kroatin kennt die deutschen Worte nicht, aber sie versteht, was die alte Frau meint.

Dokumentationen werden in dem Heim nicht ausgefüllt. Es gibt keine Listen, auf denen jeder geleistete Handgriff abzuhaken ist. Penibel geführt wird nur das Gästebuch. Franz steht oft drin: Als „Sin i Pas“ (Sohn und Hund) wird er jedes Mal notiert.

Dem Sohn hat die Entscheidung, seine Mutter in dieses Heim zu bringen, schlaflose Nächte bereitet. Die fremde Sprache, die Dreibettzimmer, kein Aufzug – aus deutscher Sicht negative Punkte. Bekannte in Deutschland hätten empört reagiert, als sie erfuhren, wo Maria jetzt ist – in einem Heim im Ausland. Es hat ihn tief getroffen. Und weil das Thema so umstritten ist, möchte er auch nicht, dass sein Nachname und sein deutscher Wohnort genannt werden.

Leopold Koret weiß davon nichts. Er sagt, er würde gerne weitere Deutsche aufnehmen, und er suche gerade Pflegekräfte mit Deutschkenntnissen. Ein Aufzug sei auch geplant und ein Pool auf dem Dach. Am Vormittag ist Baulärm zu hören gewesen. Ab 15. Juni muss entlang der Küste Ruhe sein – wegen der Touristen. Bis dahin werden die neuen Pflegezimmer im Obergeschoss noch nicht fertig sein. 27 Interessenten stehen auf Korets Warteliste. Auch Ein- und Zweibettzimmer werde es bei Bedarf in Zukunft geben. Als das Heim vor eineinhalb Jahren eröffnet wurde, habe noch keine Nachfrage bestanden.

Während des Interviews mit dem Chef hat Maria an einem anderen Tisch gerade angefangen, ein schwäbisches Gedicht aufzusagen. „Der Schmied von Schretzheim“ heißt es. Als die Reporterin hinzukommt, gerät sie ins Stocken wie ein aufgeregtes Kind in der Schule. Auch die Frau, die früher in Hamburg war, ist aufgeregt. Sie kann sich nicht erklären, warum die Reporterin hier ist. „Wird Maria jetzt weggeholt? Muss sie wieder nach Deutschland?“ fragt sie besorgt. Franz, der Diakon, beruhigt sie. „Nein, keine Angst“, sagt er. Und freut sich, dass seine Mutter in dem Heim schon so dazugehört.

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