BMW verstaatlichen? „Absolut realitätsfern“
Der SPD-Wirtschaftsexperte Harald Christ wirft Juso-Chef Kevin Kühnert ideologischen Populismus vor. Warum der Unternehmer den Jungpolitiker dennoch schätzt
Herr Christ, Sie sind Unternehmer und Mitglied des SPD-Wirtschaftsforums. Juso-Chef Kevin Kühnert sagt im „Zeit“-Interview, er wolle auf demokratischem Wege große Firmen kollektivieren und nennt als plakatives Beispiel BMW. Er hätte auch Ergo, Galeria Kaufhof oder Karstadt nennen können. Was halten Sie von Kühnerts Gedankengang?
Mit dieser Meinung wird er so ziemlich im Abseits stehen innerhalb der SPD. Der Gedankengang ist nicht nur total abwegig, sondern auch absolut realitätsfern. Als Präsidiumsmitglied des SPD-Wirtschaftsforums kann ich vor diesem Populismus nur warnen – undenkbar, welche Auswirkungen eine solche Überlegung hätte, es lässt jede Kenntnis von wirtschaftlichen Zusammenhängen vermissen. Es würde übrigens viele Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen selbst treffen, die zum Beispiel für die Altersversorgung die letzten Jahre eine Wohnung zur Vermietung erworben haben oder die für ihre private Rentenversicherung in Aktien sparen. Die Diskussion hilft der SPD auch nicht – im Gegenteil. Menschen wählen keine Ideologien, sondern Lösungen der Realitäten. Wer sich für die Schwächeren in der Gesellschaft einsetzen möchte, und das ist für einen Juso-Vorsitzenden völlig in Ordnung, sollte machbare Vorschläge skizzieren. Ich kann mir das nur so erklären: Er wollte eine mediale Headline zum 1. Mai setzen. Das ist ihm jetzt gelungen.
In den Umfragen ist die SPD deutlich unter die 20-Prozent-Marke gerutscht. Ist Kühnerts Aussage durchdacht oder Ausdruck des Drucks, der auf der SPD lastet?
Ich denke nicht, dass diese Aussage damit in Zusammenhang steht und schon gar nicht abgestimmt war. Was ich wahrnehme, ist das Gegenteil. Es ist die Meinung eines Juso-Vorsitzenden, der sich öffentlich geäußert hat. Nicht mehr und nicht weniger. Also sollte man das jetzt auch genauso einordnen. Insgesamt sehe ich die SPD perspektivisch deutlich über 20 Prozent.
Es gibt auch in der SPD viele Stimmen, die Kühnert empfehlen, er möge doch mal sein Studium abschließen und arbeiten gehen. Dann wisse er auch, wovon er rede. Stimmen Sie dem zu?
Das halte ich für nicht fair und an dieser Polemik beteilige ich mich auch nicht. Ein Studium ist übrigens kein Garant für gute Politik. Trotz seiner jüngsten Position – die ich absolut nicht teile – schätze ich Kevin Kühnert und tausche mich gerne mit ihm aus. Er ist ein junger, talentierter Mann, der sich engagiert einsetzt für die Jungsozialisten. Unsere Demokratie braucht mehr junge Menschen, die sich für Parteien engagieren. Sicher wird mein nächstes Gespräch mit ihm seine Äußerungen zum Thema haben und auch, was er sich dabei gedacht hat. Umstimmen werde ich ihn sicher nicht können – das kann nur das Alter regeln. Interview: Stefan Lange
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