Beim Thema Steuern bleibt sich Kanzlerin treu
Nur wegen der Finanzkrise will Kanzlerin Angela Merkel die Steuern nicht senken. Der Druck aus den eigenen Reihen nimmt jedoch zu. Von Rudi Wais
Berlin. Oft sind es die kleinen Gemeinheiten, die am stärksten schmerzen - und Peter Ramsauer ist einer, der die politische Stichelei besonders gut beherrscht. Noch ehe die Kanzlerin am Mittwochmorgen zur Haushaltsdebatte in den Bundestag fährt, hat der Chef der CSU-Landesgruppe im Frühstücksfernsehen Steuersenkungen für das kommende Frühjahr in Aussicht gestellt.
Da kann Angela Merkel später noch so wortreich über Nachhaltigkeit in den öffentlichen Haushalten und die Begrenztheit staatlichen Handelns philosophieren: Der Druck aus den eigenen Reihen nimmt zu.
Wenn es stimmt, dass Krisenzeiten Kanzlerzeiten sind, dann ist Angela Merkel eine so ungewöhnliche wie unspektakuläre Krisenmanagerin. Der Finanzminister jongliert mit atemberaubend hohen Summen, bei Opel geht die Angst um und Ramsauer ist nicht der einzige prominente Unionsmann, der von seiner Regierungschefin mehr Mut zu großen Lösungen erwartet. Angela Merkel allerdings hat sich entschlossen, den Ball flach zu halten. Motto: nur nicht die Nerven verlieren.
Ihre bewährte "Politik des Maßes, der Mitte und der politischen Vernunft", sagt sie, werde sie nicht aufgeben. Kräftige Steuersenkungen, auf Pump finanziert, sind in ihren Augen nur die Steuererhöhungen von morgen. Viel lieber redet sie deshalb von Deutschlands Stärken, dem vitalen Mittelstand, der guten Infrastruktur, der lebenswerten Umwelt. Ein Land, das den Wiederaufbau nach dem Krieg und die deutsche Einheit gemeistert habe, werde es "auch diesmal schaffen".
Es ist eine Krise, wie die Welt sie lange nicht erlebt hat - die deutsche Regierungschefin aber, so scheint es, kann auch jetzt nicht aus ihrer Haut. In Großbritannien senkt Gordon Brown noch vor Weihnachten die Mehrwertsteuer, in den USA pumpt die Zentralbank weitere 800 Milliarden Dollar in die Wirtschaft, die EU-Kommission plant ein Konjunkturpaket von 200 Milliarden Euro - und in Deutschland erlässt die Regierung dem Käufer eines Neuwagens ein Jahr die Kfz-Steuer.
"Außergewöhnliche Umstände erfordern besondere Maßnahmen", sagt Angela Merkel. Was sie konkret plant, sagt sie nicht. Nur so viel noch: "Wir stehen vor einer schwierigen Wegstrecke." Eine furiose Rednerin war sie noch nie, diesmal aber spult sie ihre Themen herunter, als sei die Finanzkrise nur ein Punkt unter vielen: die neue Familienpolitik, der Bildungs- und der Integrationsgipfel, die Bundeswehr in Afghanistan. "Deutschland ist stark", lobt die Kanzlerin. "Ich sage sogar: Deutschland ist sehr stark."
Heißt das, im Umkehrschluss, dass es die Rezession ohne weitere staatliche Hilfe meistern kann? Oder zögert die Kanzlerin, weil sie an die Grenzen ihres Amtes stößt und womöglich auch an ihre eigenen? Schon spottet der Stern, Angela Merkel fehle praktisch alles, was ihre Vorgänger hatten: Helmut Schmidts Standfestigkeit, Helmut Kohls Gespür für Geschichte und Gerhard Schröders Entschlossenheit. Sie selbst sagt lapidar: "Die Bundesregierung wird das Notwendige tun."
Die Opposition hat ihr Urteil längst gefällt. Aus Merkels Politik der kleinen Schritte, höhnt FDP-Chef Guido Westerwelle, "ist eine Politik der eingeschlafenen Füße geworden". Schlimmer noch: Verglichen mit ihr, sekundiert Parteivize Rainer Brüderle, habe Schröder mit seiner Politik der ruhigen Hand ja "wie ein Zappelphilipp" gewirkt.
In der nächsten Woche, beim CDU-Parteitag, wird es deshalb zu einem bemerkenswerten Vorgang kommen. Die Partei, deren Kanzlerin Steuererhöhungen als Rezept gegen die Rezession ablehnt, wird eine Steuerentlastung im großen Stil beschließen - allerdings erst für die nächste Legislaturperiode. Bis dahin will Angela Merkel sich treu bleiben: nur nicht zu viel auf einmal. "Ich bitte darum", sagt sie, "vielleicht ab und zu auch mal darüber nachzudenken, dass man ohne Geld auch manches machen kann."
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