Die Ehre des ersten Besuchs: Britische Premierministerin Theresa May in Berlin
Die Pastorentöchter Merkel und May loten in Berlin den Brexit aus. Sie setzen dabei auf eine "freundschaftliche Atmosphäre".
Theresa May sendet mit der Wahl ihres ersten Reiseziels jenseits des Kanals ein klares Signal aus: Deutschland ist der wichtigste Partner. Gerade eine Woche im Amt, besuchte die britische Premierministerin gestern Berlin und saß mit Angela Merkel beim Abendessen zusammen. Die Kanzlerin dürfte auf das gute Besteck bestanden haben, zuvor wurde der Gast von der Insel mit militärischen Ehren empfangen.
Diese Vorzugsbehandlung ist wenig verwunderlich: Deutschland betrachtet die Berlin-Visite Mays als Wertschätzung. Zum anderen ist es für die Bundesregierung wichtig, dass Großbritannien nach dem Brexit-Votum ein enger Verbündeter bleibt.
In den anstehenden Verhandlungen werde Deutschland seine Interessen vertreten, sagte Merkel bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Aber sie setze darauf, dass der Prozess in einer „freundschaftlichen Atmosphäre und auf der Grundlage vieler gemeinsamer Überzeugungen“ vor sich gehen könne.
Noch wichtiger als für Merkel ist es aber für May, beim ersten Aufeinandertreffen der beiden Frauen überhaupt eine gute Beziehung aufzubauen. „Es freut mich sehr, in Berlin zu sein“, begann May dann auch auf Deutsch ihr Statement während der gemeinsamen Pressekonferenz.
Theresa May will nach Brexit-Votum die Beziehungen zu europäischen Partnern wieder verbessern
Die Konservative will die Bande zum Kontinent wieder stärken, nachdem diese zuletzt stark gelitten habe. Und natürlich ist sie abhängig von den europäischen Partnern, vorneweg Deutschland und Frankreich, um in den anstehenden Verhandlungen Zugeständnisse für Großbritannien zu erreichen. „Brexit heißt Brexit“, wiederholte sie zwar auch gestern ihr Mantra, aber: „Wir laufen nicht von unseren europäischen Freunden weg“, so May.
Theresa May und Angela Merkel haben trotz Gemeinsamkeiten unterschiedliche Ansätze
Man darf Vergleiche zwischen den Politikerinnen ziehen, schon allein, weil sie sich wegen ihrer Biografien aufdrängen. Pastorentöchter, ehemalige Generalsekretärinnen in der eigenen konservativen Partei, beide Pragmatikerinnen, die sachorientiert und unaufgeregt arbeiten sowie von einem protestantischen Arbeitsethos geprägt sind.
Doch viele Ansätze unterscheiden sich eben auch. Allein in der Flüchtlingspolitik verfolgten May und Merkel ganz unterschiedliche Strategien. Theresa May steht vor der schier übermächtigen Herausforderung, die unterschiedlichen Erwartungen ihrer Landsleute in den Austrittsverhandlungen zu erfüllen. Gestern bekräftigte sie im Parlament ihre Absicht, die Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU für das Königreich zu beenden – ganz im Sinne der Brexit-Befürworter.
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