Bessere Pflege für die Krankenpfleger
Deutschland hat erhebliche Defizite im Vergleich zu Ländern wie Kanada oder Schweden. Dort geben die Kliniken ihrem Personal zum Beispiel mehr Verantwortung
Mehr Geld für die Krankenhäuser und mehr Verantwortung für die Fachkräfte – im Ausland wird in der Pflege zwar nicht alles, aber vieles anders und damit auch besser gemacht als in Deutschland. Zu diesem Schluss kommt eine im Auftrag der Stiftung Münch erstellte Studie des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Charité, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Sie vergleicht die Situation in Deutschland mit der in Großbritannien, den Niederlanden, Kanada sowie Schweden. Die vier Länder sind der Studie zufolge da, wo Deutschland mit seiner am Montag vorgestellten „Konzertierten Aktion Pflege“ erst noch hinwill.
Das gilt zum einen für die Ausbildung. Sie soll in Deutschland nach dem Willen der Regierung deutlich verbessert werden, und die in der Studie untersuchten Länder könnten da Vorbild sein. Denn in Großbritannien, Schweden, den Niederlanden und Kanada findet sich die Aus- und Weiterbildung von Pflegenden in den regulären Bildungsstrukturen wieder, während sie in Deutschland an schulischen Sonderformen stattfindet. Noch dazu ist die Ausbildung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, was sich negativ auf Finanzierung und Ausstattung sowie auf die Qualifikation des Lehrpersonals auswirkt. „Zudem unterliegt sie nicht der externen Qualitätssicherung und -entwicklung, wie sie für andere Berufsschulen geregelt ist“, schreiben die Autoren der Studie, die hier „klaren Handlungsbedarf“ sehen.
Ein anderes Problem ist der Studie zufolge die Macht der „Götter in Weiß“ hierzulande. Pflegenden in den untersuchten Ländern wird demnach viel mehr Verantwortung in der Patientenversorgung zugebilligt als ihren Kolleginnen und Kollegen in Deutschland, wo die Pflegekräfte lediglich als „verlängerter Arm des Arztes“ und auf dessen Anweisung hin tätig seien, wie die Studie kritisiert.
Das Plus an mehr Verantwortung wird den Pflegekräften in den vier untersuchten Ländern auch durch einen höheren Anteil an Akademikern möglich. Während in Deutschland in der Pflege-Ausbildung lediglich ein bis zwei Prozent der Absolventen eines Jahrgangs ein entsprechendes Studium abgeschlossen haben, liegt der Anteil der Studie zufolge in Schweden beispielsweise bei 100 Prozent.
Vor dem Hintergrund dieser Daten warf der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Münch, Stephan Holzinger, der Bundesregierung widersprüchliches Verhalten vor. „Sie will einerseits auch die Pflege aufwerten, setzt aber mit neuen Regulierungen, unter anderem der Herauslösung der Pflege aus dem DRG-Vergütungssystem, den wirtschaftlichen Anreiz, dass Pflegefachkräfte demnächst wieder zur Essensausgabe und zur Zimmerreinigung mit eingesetzt werden“, erklärte er mit Blick auf die Diagnosis Related Groups (DRG), also diagnosebezogene Fallgruppen, die für die Patientenabrechnung verwendet werden.
Die in der Studie herausgearbeiteten Punkte mögen den Pflegeberuf zwar attraktiver machen, einen entscheidenden Mangel beheben sie nicht: „Alle betrachteten Länder haben mit Deutschland vergleichbare Probleme bei der Rekrutierung von Fachkräften und bei der Sicherung der pflegerischen Versorgung bei zugleich wachsendem Bedarf in allen Versorgungsbereichen“, heißt es in der Studie. Auch Großbritannien, die Niederlande, Schweden und Kanada bemühen sich demnach um eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen in der Pflege, um die Integration von Arbeitskräften mit geringer Qualifikation sowie um die Rekrutierung von Pflegepersonal aus dem Ausland.
Allerdings gehen die vier Länder dabei deutlich energischer vor als Deutschland, wie die Experten der Charité in der Studie urteilen. Auffallend sind demnach die Investitionen in die vorwiegend hochschulische Aus- und Weiterbildung von Pflegefachpersonen, Maßnahmen zur Stärkung der Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Pflege sowie die Erweiterung pflegerischer Aufgaben- und Verantwortungsbereiche über den Status quo hinaus.
Der Direktor des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Charité, Michael Ewers, forderte von der Politik deshalb weitere Anstrengungen. Die Novellierung der Ausbildung durch das 2020 in Kraft tretende Pflegeberufegesetz könne nur „ein erster Schritt einer umfassenden Reform der Qualifizierungen und Berufsausübung in der Pflege sein“, meinte Ewers.
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