Besuch in Saudi-Arabien: Ein Land zwischen Aufbruch und Todesstrafe
Frauen dürfen Auto fahren. Die Jugend besucht Konzerte. Saudi-Arabien will sich öffnen. Und erlaubt doch die Todesstrafe. Wie fühlt man sich dort?
Voll verschleiert, sodass von den Augen nur ein Schlitz bleibt. Und stumm, da nur die Männer reden dürfen. Dies war mein Bild saudi-arabischer Frauen. Dann belehrt mich Sulafah Jabarti eines Besseren. Die Mutter von zwei Buben, 13 und 16 Jahre alt, ist Geschäftsführerin der kleinen IT-Firma Clear Vision in der Hauptstadt Riad. Sie trägt wie alle Frauen in Saudi-Arabien ein schwarzes Gewand, die Abaya, und bedeckt die Haare mit einem Kopftuch. Ihr Gesicht aber zeigt sie offen, sie hat ein breites Lächeln und ist in ihrem Redefluss kaum zu bremsen. Jabarti will ihre Chance nutzen, wenn die Unternehmer aus Deutschland schon mal da sind. Wenn der CSU-Politiker Peter Ramsauer wie jedes Jahr eine Wirtschaftsdelegation ins Land bringt.
Frauen, sagt Sulafah Jabarti also, hätten schon seit langer Zeit in Saudi-Arabien Zugang zu Bildung und hätten gearbeitet. Allerdings versteckt, im Hintergrund. Heute fördere der Staat Frauen im Arbeitsleben. „Wir müssen nicht mehr schüchtern sein“, sagt sie.
Das hat auch damit zu tun, dass Mohammed bin Salman sein Land neu erfinden will. Die Jugend verehrt den Kronprinzen für seine gesellschaftlichen Reformen. „Vision 2030“ heißt das Programm, mit dem er die Wirtschaft umkrempeln möchte. Seither hat sich auch die Rolle der Frauen geändert. „Wir erfahren mehr Unterstützung“, sagt Sulafah Jabarti. „Es gibt Raum für Träume. Alles ist möglich, wenn man den Willen hat zu lernen.“
Die Straßen sind breit, es gibt McDonald‘s, Ikea und Bäcker Kamps
Sulafah Jabarti hat Autofahren gelernt. Und ist selbst zum Treffen in der Handelskammer gefahren. Erst seit Juni dürfen Frauen im Königreich ans Steuer, viele sieht man allerdings nicht. Händeschütteln aber verbittet sich die junge Frau, in ihrer Kultur sei dies zwischen Männern und Frauen unüblich. Auch ein Foto möchte sie nicht.
Wer an Saudi-Arabien denkt, denkt neben der jahrelangen Unterdrückung von Frauen im Alltag unweigerlich an einige wenige weitere Dinge: Erdöl einerseits und massive Menschenrechtsverletzungen andererseits, die Todesstrafe und den Mord am Journalisten Dschamal Kaschoggi. Wer hierher reist, abseits der Pilgerstätten Mekka und Medina, erlebt ein Land, das anders ist als erwartet.Ein Land der Widersprüche.
Die Sonne steht fahl über Riad an diesem Januartag, Staub liegt in der Luft. Darunter sechs- oder achtspurige Straßen, Restaurants, Reifenläden, Apotheken. Und westliche Marken wie McDonald’s, Ikea oder die Bäckerei Kamps. Es ist sauber, aber nicht geleckt. Glitzernde Wolkenkratzer erheben sich, aber auch Bauruinen. Fußgänger gibt es nicht, jeder Weg wird mit dem Auto zurückgelegt. Eine U-Bahn, 180 Kilometer lang, ist erst im Bau.
Das Land lechzt nach Anerkennung für seine Reformen
Auf der Fahrt zum Parlament – dem Schura-Rat – passiert die Delegation mehrere Checkpoints. Bewaffnete Polizisten durchsuchen die Kofferräume. Das Parlamentsgebäude, ein gigantischer Kuppelbau aus hellem Stein, im Inneren voll Marmor und Holz, wirkt wie aus einem orientalischen Märchen. Man reicht süßen Tee und bitteren, ungewöhnlich hellen Kaffee.
Saudi-Arabien lechzt nach Anerkennung für seine Reformen. Das spürt man beim Besuch im Parlament, das im Königreich beratende Funktion hat. Peter Ramsauer besucht das Land seit 1991 regelmäßig. Früher saß er häufig greisen Regierungsvertretern gegenüber, die kaum ein Wort sagten. Heute trifft er mit der Delegation auf vier offene Parlamentarier – zwei davon selbstbewusste Frauen. Die Lage der Frauen habe sich deutlich verbessert, das sagen viele, die das Land mehrmals besucht haben.
An öffentlichen Gebäuden gab es lange getrennte Eingänge für Frauen und Männer. Im Restaurant speisten die Geschlechter bisher separat, Familien durften nur in der „Family Section“ zusammentreffen. Doch es lockert sich: In einem japanischen Restaurant, in dem wir am Abend in Riad essen, ist die Trennung aufgehoben. In Firmen arbeiten Frauen und Männer zusammen. Selbst westliche Musik ist seit Neuestem nicht mehr verboten. Im Dezember etwa legte DJ David Guetta beim Formel-E-Festival auf, junge Männer und Frauen tanzten gemeinsam zu seiner Musik. Nur: Dass er eine Hymne auf den saudischen König spielte, kam bei Menschenrechtlern gar nicht gut an.
Rund 800 deutsche Firmen haben Geschäftsbeziehungen nach Saudi-Arabien
Joe Kaeser weiß, wie brenzlig ein Besuch in Saudi-Arabien sein kann. Erst recht, wenn vieles darauf hindeutet, dass ein regimekritischer Journalist in der saudischen Botschaft in Istanbul gefoltert, betäubt und ermordet wurde. Doch der Siemens-Chef hat lange gezögert, nach dem Fall Dschamal Kaschoggi die Teilnahme an einer Investorenkonferenz in Riad abzusagen. Er ist mittlerweile wieder ins Land gereist – wie andere deutsche Unternehmer auch. Rund 800 deutsche Firmen unterhalten feste Geschäftsbeziehungen mit Saudi-Arabien, etwa 200 haben eine Niederlassung.
Fährt man zur historischen Festung in Riad, von wo aus der erste saudische König das Land regierte, ist der Platz nicht fern, auf dem öffentliche Hinrichtungen stattfinden. Auf der Delegationsreise ist dies nur selten ein Thema, Berichten zufolge werden aber in Saudi-Arabien nach wie vor Menschen hingerichtet. Sicher sei, dass Saudi-Arabien ein autoritäres System bleibe, in dem die Scharia – das islamische Recht – und die Todesstrafe gelten, sagen Experten. Deutschland hat derzeit alle Rüstungsexporte gestoppt.
Omid Nouripour ist Grünen-Abgeordneter im Deutschen Bundestag und beobachtet das Land seit vielen Jahren. „Saudi-Arabien hat eine Jugend, die gut ausgebildet ist und die nach internationalen Kontakten giert“, sagt er. „Der Dialog ist dringend notwendig.“ Trotzdem sieht er das Regime kritisch. Er nennt drei Punkte: Erstens die prekäre Menschenrechtslage. Zahlreiche Aktivistinnen, die früher für Frauenrechte gekämpft hätten, säßen heute im Gefängnis. Zweitens eine „hochaggressive Regionalpolitik“ als Antwort auf die aggressive Politik Irans. Eine saudische Seeblockade zum Beispiel habe die humanitäre Katastrophe im Jemen verstärkt. Und drittens die langjährige Unterstützung salafistischer Gruppen, die bis hinein in deutsche Fußgängerzonen die Jugend verführten. „Das alles ist nicht hinnehmbar“, sagt Nouripour.
Der Kissenhersteller sagt, Geschäftsleute sollten sich nicht in Politisches einmischen
Für Ramsauer ist diese Denkweise zu einfach. Ihm geht es darum, den Dialog aufrechtzuerhalten. Sonst seien keine Reformen möglich, sagt der Wirtschaftspolitiker. „Eine der besten Möglichkeiten, Impulse zu geben, ist, in diese Länder zu fahren und die wirtschaftlichen Möglichkeiten aufzugreifen.“
Anselm Hintermann, 30, stammt aus dem kleinen Ort Haidmühle im Bayerischen Wald. Sein Familienunternehmen Mühldorfer, gegründet 1919, stellt Daunenkissen und Daunendecken her. Die Federn, sagt er, werden nicht chemisch behandelt, sondern allein mit dem kalkfreien Wasser des Bayerischen Waldes gewaschen. Hintermann stattet damit Hotels weltweit aus – auch in Saudi-Arabien. „Schlafen ist das Unpolitischste, was es überhaupt gibt“, ist er überzeugt. Egal welcher Hautfarbe man sei oder welcher Religion man angehöre, am Ende des Tages möchte sich jeder gut betten – auch als Wallfahrer nach Mekka und Medina. Eine politische Botschaft, sagt Hintermann, wolle er nicht mit seinem Produkt verbinden. Und dass sich ein Geschäftsmann nicht anmaßen sollte zu sagen, was richtig und falsch ist.
Dann treffe ich einen Augsburger. Seit zehn Jahren ist Abdullah Kuzkaya für MAN Energy Solutions in Saudi-Arabien. Das Augsburger Unternehmen baut und betreut dort Kraftwerke. Mit seiner Familie lebt er in Dschidda am Roten Meer. Es sei nicht immer leicht für seine Frau und die Kinder, „aber wenn man sich an die Regeln hält, funktioniert es gut.“ Kuzkaya sagt, ihm fehle das Bier und der Fußballverein in Augsburg. Aber er weiß, wie wichtig es für MAN ist, hier vertreten zu sein: „Saudi-Arabien hat riesiges wirtschaftliches Potenzial.“ MAN Energy Solutions wartet in Saudi-Arabien zum Beispiel Kraftwerke.
Nach drei Tagen verlässt die Delegation Riad. Die Busfahrt führt hinaus in die Wüste. Nach stundenlanger Fahrt erreichen wir die Stadt Dammam am Persischen Golf, später geht es weiter nach Jubail. Entlang der Autobahn gigantische Raffinerien und Industrieanlagen. Hier ist das Reich des Ölkonzerns Aramco – und der Ursprung des Wohlstandes. Doch der Ölpreisverfall hat das Land zuletzt in die Rezession getrieben. Auch deswegen will der Kronprinz mit seiner „Vision 2030“ gegensteuern. Sein Königreich soll mehr Exportprodukte liefern als nur Öl. Und ausländische Firmen sollen Anreize erhalten, eine Niederlassung in Saudi-Arabien zu gründen. Das soll auch Jobs für die Jugend des Landes bringen.
Die Saudis loben die guten Beziehungen zu den Deutschen
Detlef Daues, 67, hat die Entwicklung wie kaum ein anderer verfolgt. Vor 40 Jahren kam er zum ersten Mal nach Saudi-Arabien, damals als junger Mann. Seine Geschäftsidee war, die neuen Meerwasserentsalzungsanlagen mit Ersatzteilen zu beliefern. Die Millionenstadt Riad etwa wird komplett mit Meerwasser versorgt, das mühsam entsalzt werden muss. „Es war die Abenteuerlust, die mich hierher geführt hat“, erinnert sich Daues. Die ersten Fahrten unternahm er noch mit einem Mazda quer durch die Wüste. Wo heute die Industriestadt Jubail steht, war damals nichts. Daues’ Unternehmen V-Line hat inzwischen 250 Mitarbeiter. 70 Prozent des Umsatzes macht es im Nahen Osten. Was glaubt er, wohin Saudi-Arabien steuert? Der Geschäftsmann ist zuversichtlich: „Ich habe große Hoffnung, weil ich gesehen habe, was in 40 Jahren hier funktioniert hat.“
Am Ende des Tages lädt eine saudische Familie zu sich nach Hause ein. Ein großer Saal, Kronleuchter glitzern golden, an den Wänden stehen Bänke für 40, 50 Besucher. Diener bringen unentwegt Tee, Kaffee, Datteln. Madschlis nennen die Saudis diesen Versammlungsraum, in dem sich Familien treffen und beratschlagen. Das Essen an diesem Abend ist opulent, die Gastfreundschaft groß. Die Saudis loben die guten Beziehungen zwischen beiden Ländern, Ramsauer tut es auch.
Am Ende versammeln sich Gastgeber und die Deutschen im Innenhof an einem Lagerfeuer. „Es ist nicht alles richtig hier“, meint Peter Ramsauer später. „Das Land ist aber auch vielschichtiger, als es sich die Linke und die Grünen in Deutschland vorstellen.“
Die Diskussion ist geschlossen.
Wenn prominente Politiker in einen arabischen Staat kommen - dann ist doch klar dass deren Bauch gekitzelt wird, wenn man günstige Geldanlagen erwartet.
Und die Provinzpolitiker aus Bayern fühlen sich wie in "Tausend-und-einer-Nacht", wenn die Bediensteten hin-und-her huschen.
Diese Politiker sollen dann mal Ihre Töchter - als verkleidete Philippinin - dort für ein Jahr in einen dortigen Haushalt als Dienstmagd schicken - dann will ich danach wieder die "Lobeshymnen" hören??? :-)
Einfach echte Hochkultur!