Bezahlung, Ausrüstung, Arbeitszeiten: So soll die Truppe attraktiver werden
Verteidigungsministerin von der Leyen will die Bundeswehr zu einem attraktiven Arbeitgeber machen. Gewährleisten sollen das unter anderem bessere Bezahlung und flexiblere Arbeitszeiten.
Bekannt ist beides eigentlich seit Jahren: Die Bundeswehr wird von vielen jungen Leuten nicht als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen, der Bundeswehr fehlt es an moderner und einsatzfähiger Ausrüstung. Ein „Weiter so" ist aus zwei Gründen jetzt nicht mehr möglich.
Einmal ist nach dem Wegfall der Wehrpflicht die zuverlässig sprudelnde Quelle für den Nachwuchs versiegt. Zum anderen haben die jüngsten Debakel bei den großen Beschaffungsprojekten für Rüstungsgüter die Öffentlichkeit derart alarmiert, dass die Politik gezwungen ist, zu reagieren.
Verbesserungen für alle Ausbildungsstufen und Dienstgrade
Seit Ursula von der Leyen (CDU) im Dezember als Verteidigungsministerin vereidigt wurde, bemüht sie sich, – oft getrieben von Veröffentlichungen über aktuelle Missstände bei der Truppe – diese Herausforderung anzunehmen. Dafür gab es anfangs nicht nur Beifall. Die Bild-Zeitung machte sich darüber lustig, dass die Ministerin komfortablere Stuben in den Kasernen mit Flachbildschirmen und anderen Annehmlichkeiten ankündigte.
Doch bei Insidern hat sich von der Leyen längst Respekt erworben – die Ankündigung der Attraktivitätsoffensive für die Streitkräfte, die sie am Mittwoch in Berlin präsentierte, könnte diese Anerkennung bestätigen: „Ich schätze Frau von der Leyen dafür, dass sie trotz der Häme von vielen Seiten standhaft geblieben ist. Sie will beides: Eine attraktivere Bundeswehr und eine Truppe, die über eine moderne und funktionsfähige Ausrüstung verfügt“, sagte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), unserer Zeitung. Der Weg dahin sei richtig. „Die Ministerin hat viele Punkte aufgegriffen, die ich und auch der Bundeswehrverband schon oft gefordert haben.“
Mehr Geld für Kampftaucher, hohe Prämien für Hubschraubermechaniker und Informatiker, Soldaten in Teilzeit – Punkte, die zeigen sollen, dass die Verteidigungsministerin ganz gezielt um qualifizierte Bewerber kämpfen will. Doch nicht nur das. Es soll spürbare Verbesserungen für alle Ausbildungsstufen und Dienstgrade geben: Erstmals ist daher etwa eine Regelarbeitszeit von 41 Wochenstunden für die Soldaten im Grundbetrieb geplant. Die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung soll in Zukunft auch aus privaten Gründen möglich sein.
Zulagen für Soldaten sollen angehoben werden
Zusätzlich können Prämien und Zuschläge ausbezahlt werden, um besonders gesuchtes Fachpersonal wie Flugzeugmechaniker und Informatiker zu binden. Dieser „Personalbindungszuschlag“ kann monatlich oder als Einmalzahlung gewährt werden. Hinzu kommen neue Zulagen für besonders verantwortungsvolle oder belastende Tätigkeiten, etwa für Minentaucher. Bereits bestehende Zulagen werden zudem um bis zu 40 Prozent angehoben. Ab 2015 soll der Sold der freiwillig Wehrdienst Leistenden um 60 Euro im Monat steigen. Außerdem will die Ministerin die Altersversorgung der Zeitsoldaten derjenigen der Berufssoldaten angleichen.
Königshaus begrüßt den Vorstoß der Ministerin ausdrücklich. Allerdings bleibt er aus leidvoller Erfahrung vorsichtig: „In dem Gesetzentwurf werden viele konkrete Maßnahmen angekündigt. Angekündigt heißt aber nicht umgesetzt.“ Er vertraue aber darauf, „dass die drei Parteichefs, die den Koalitionsvertrag unterschrieben haben, in dem eine Attraktivitätsoffensive für die Bundeswehr enthalten ist, sich jetzt auch für die Verwirklichung einsetzen.“
Ursula von der Leyen erhielt für ihre Initiative Anerkennung auch von der Opposition. So hält die Verteidigungsexpertin der Grünen im Bundestag, Doris Wagner, viele Eckpunkte des Gesetzesentwurfs für sinnvoll. Und vor allem für dringend: „Der Bundeswehr fehlen 400 Ärzte. Insbesondere bei der Marine hat die personelle Unterbesetzung dramatische Ausmaße erreicht“, sagte Wagner unserer Zeitung.
Allerdings vermisse sie konkrete Pläne für eine bessere Altersversorgung. Dafür müsse ein „zweites Standbein“ geschaffen werden. „Ich frage mich auch, warum Berufssoldaten bereits mit Mitte 50 ausscheiden. Für diese erfahrenen Kräfte müsse es doch in der Bundeswehr Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung geben.“
Was kostet eine „neue Rolle Deutschlands in der Welt“?
Die Frage wird sein, ob beides – die Qualitätsoffensive und die Modernisierung der Ausrüstung – in Zukunft ohne eine Erhöhung des Verteidigungshaushaltes realisierbar ist. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, unterstützt die Pläne der Ministerin. Doch er sagte dem ZDF auch, dass es „fraglich bleibe, wie die gravierenden Ausrüstungsmängel behoben werden können“. Königshaus erinnerte daran, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich gegenüber den Nato-Partnern verpflichtet habe, mehr für die Verteidigung zu tun. Dazu passt, dass von der Leyen gestern durchscheinen ließ, dass sie bei kommenden Haushaltsdebatten mit dem Finanzminister um mehr Geld feilschen will.
Gleichzeitig strebt die Ministerin ein neues sicherheitspolitisches Gesamtkonzept an. Ein solches Weißbuch könnte noch in dieser Legislaturperiode bis 2016 erstellt werden, sagte sie ebenfalls gestern in Berlin. Sie sei sich mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) einig, einen solchen Prozess in Gang zu setzen. Das aktuelle Weißbuch der Bundesregierung zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr stammt von 2006. Von der Leyen erinnerte daran, dass seit der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang des Jahres eine Debatte über die Rolle Deutschlands in der Welt in Gang gekommen sei.
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