Briten werden hohen Preis für Erdrutschsieg von Boris Johnson zahlen
Der Triumph von Boris Johnson bei der Großbritannien-Wahl 2019 ist ernüchternd. Im Wahlkampf war er mit Halbwahrheiten und dreisten Lügen erfolgreich.
Boris Johnson hat die Konservativen nicht nur einfach zu einer absoluten Mehrheit im Königreich geführt. Es ist ein Erdrutschsieg für den Regierungschef, ein besseres Ergebnis bei der Großbritannien-Wahl 2019 als selbst die Chef-Optimisten in der Partei erwartet haben, es bahnt sich die wohl größte Mehrheit der Tories seit Margaret Thatcher an.
Das Resultat als ernüchternd zu bezeichnen, wäre noch untertrieben. Hier hat ein Mann gewonnen, der wiederholt seine Verachtung für die parlamentarische Demokratie demonstriert hat. Der wie ein Alleinherrscher die Abgeordneten in die Zwangspause schickte, um – ohne Rechenschaft ablegen zu müssen – seinen Willen durchzusetzen. Der kritische Fraktionskollegen feuerte, weil diese Wahrheiten aussprachen. Der sich während des Wahlkampfs weigerte, Details zu seinen Versprechen zu liefern und der sich der Auseinandersetzung mit kritischen Journalisten entzog, die seine Politik auf den Prüfstand stellen wollten.
Stattdessen überwogen in Johnsons Kampagne Halbwahrheiten, nicht selten durchsetzt mit dreisten Lügen, die der Polit-Showman unters Volk brachte, angefeuert von der mehrheitlich konservativen, EU-feindlichen Presse. Das Problem? Viele Wähler scheinen es Politikern keineswegs mehr übelzunehmen, wenn diese das Volk belügen. Im Gegenteil: Die Populisten werden mit Siegen belohnt. Dabei tragen sie die Verantwortung dafür, dass das Vertrauen in die politische Klasse so schwer gelitten hat, dass es etliche Menschen mittlerweile leider und fälschlicherweise als Naturgesetz annehmen, von Volksvertretern betrogen zu werden.
Großbritannien-Wahl 2019: Boris Johnson kann Brexit nun durchziehen
Mit Johnsons überwältigendem Sieg steht fest: Der Brexit wird zum 31. Januar 2020 vollzogen. Und auch wenn die Idee des EU-Austritts objektiv betrachtet keineswegs besser wurde über die Zeit, die Scheidung muss nun endlich stattfinden. Die Briten haben nach all den Krisen und dem Chaos der letzten dreieinhalb Jahre praktisch zum dritten Mal über den EU-Austritt entschieden.
Zum dritten Mal sprachen sie sich fürs Gehen aus. Erst im Referendum 2016, dann bei der Parlamentswahl 2017, als die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung für Parteien votierte, die mit der Zusage antraten, das Ergebnis zu respektieren und Großbritannien aus der EU zu führen. Und nun ging Boris Johnson in den Wahlkampf mit dem alles überstrahlenden Motto: „Lasst uns den Brexit durchziehen.“ Die Wahl war ein Stellvertreter-Referendum, auch wenn Labour das nicht wahrhaben wollte und versuchte, auf andere Themen wie den Gesundheitsdienst zu setzen.
Desaster für Labour bei UK-Wahl: Viele Briten verabscheuen Jeremy Corbyn
Johnson genießt keineswegs jene Popularität, die das Wahlresultat vermuten lässt. Vielmehr verabscheuten die Briten den altlinken Oppositionschef Jeremy Corbyn nur noch mehr, Stichwort Pest oder Cholera. Johnson galt als das kleinere Übel. Unter Corbyn präsentierte sich die Labour-Partei seit langem in einem desaströsen Zustand. Er mag bei der Wahl 2017 besser abgeschnitten haben, als alle Beobachter zunächst vorhersagten. Und doch, der Sozialist hat schon damals verloren.
Diese Tatsache blendeten seine Cheerleader leider völlig aus. Sie verschanzten sich in den letzten Jahren lieber fernab der Realität in einer Blase, in der sie den Vorsitzenden wie einen Messias feierten. Alle Stimmen der Vernunft, die Zweifler und Kritiker wurden als verkappte Tories verschmäht, aussortiert oder als Miesepeter beschimpft.
Auch nach der Großbritannien-Wahl wird der Brexit ein Dauerthema bleiben
Boris Johnson hat es verstanden, die Frustration der vom Gezerre um den Brexit zermürbten Menschen einzufangen. Mit eingängigen, wenn auch falschen Versprechen stillte der Premier ihr Bedürfnis nach Klarheit, bediente ihre Bitte, das Thema endlich vom Tisch zu nehmen. Dass das eine gefährliche Illusion ist, dürften die Briten im nächsten Jahr erkennen, wenn die Streitereien über einen künftigen Handelsdeal mit der EU beginnen. Das Dauerthema wird das Dauerthema bleiben – und zwar auf viele Jahre hinaus.
Diese Botschaft auszusenden, wäre ein Leichtes gewesen. Doch die pro-europäischen Kräfte haben völlig versagt. Und sie haben sich in der Unfähigkeit, an einem Strang zu ziehen, selbst ihre Hoffnung zerstört, das von Ideologien beflügelte Projekt Brexit doch noch stoppen zu können – oder zumindest einen weniger harten Bruch mit der Staatengemeinschaft herbeizuführen. Ein „hung parliament“, eine Hängepartie im Unterhaus, hätte den Weg geebnet zu einem zweiten Referendum mit der Option des Verbleibs in der Staatengemeinschaft.
Die EU-freundlichen Liberaldemokraten wollten diese Abstimmung, fühlten sich nach dem Erfolg bei den Europawahlen auf einem Höhenflug. Dann begingen sie etliche strategische Fehler. Zu den größten gehörte die Ankündigung, den Brexit ohne erneute Volksabstimmung schlichtweg abblasen zu wollen, indem sie den Ausstiegsantrag in Brüssel zurückziehen wollten. Das wäre undemokratisch gewesen – und kostete nun Parteichefin Jo Swinson ihren Sitz.
Sie hat aggressiv gegen Labour gewettert anstatt Allianzen zu schmieden, um so zu verhindern, dass das Votum der Pro-Europäer geteilt wird. Wäre es den Libdems wirklich darum gegangen, den Brexit zu verhindern, hätten sie auf ein Bündnis hingearbeitet. Das Parteiwohl übertrumpfte das Gemeinwohl, man kennt das mittlerweile aus dem Königreich.
Und so bleibt Boris Johnson als Premierminister in der Downing Street. Die Briten werden leider einen hohen Preis dafür bezahlen. Aber sie wussten, wofür und für wen sie hier gestimmt haben.
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- In unserem Blog bekommen Sie immer aktuelle Brexit-News.
- Brexit, Schottland und Co: Sechs Lehren aus der Großbritannien-Wahl
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Die Briten sind einfach ein stolzes Volk, ich bewundere sie. Die sagen sich: Wir haben die Deutschen in zwei Weltkriegen besiegt und jetzt sollen wir uns von einer Merkel sagen lassen, wieviel Migranten wir aufnehmen müssen. Nicht mit uns!!
Schön, dass man MIgranten hat auf die man auch jetzt den Brexit schieben kann. War auch das Thema bei der Volksabstimmung und bei den Wahlen. Hab in UK nichts anderes in den Debatten als die teilweise gewünschte Zuteilungsquote der EU gehört.
Gut das sie uns die stummen Gedanken der Briten mitteilen.
Sie haben vollkommen recht. Daran wird die EU auch zerbrechen, auch wenn einige Kommentatoren das nicht wahr haben wollen. Die Souveränität des Nationalstaates wollen nur die Deutschen aufgeben. Zugunsten von... ja was eigentlich? Eine EUSR ohne Demokratie wie einst die UDSSR? Selbst die skandinavischen Länder rudern schon seit längerem zurück. Deutschland ist isoliert und lässt sich von Frankreich am Nasenring führen. Selber führt man aber schon Grenzkontrollen ein und nimmt Zurückweisungen an den französischen Grenzen zur EU vor.
>> Gut das sie uns die stummen Gedanken der Briten mitteilen. <<
Etwas belesene Menschen wissen schon, dass es da eine fundierte Einschätzung zu diesem Thema gab...
https://www.welt.de/politik/ausland/article171790302/Britische-Radio-Legende-Fuer-viele-war-Merkel-der-Grund-fuer-das-Brexit-Votum.html
>> Vor dem EU-Referendum riefen viele an und sagten: Merkel ist der Grund, warum wir aus der EU rauswollen. Wegen der Flüchtlinge und wegen Griechenland. Wie die Deutschen in der Euro-Krise mit den Griechen umgegangen sind, das ist vielen Briten schwer aufgestoßen. Griechenland war einfach mal in deutschen Besitz übergegangen. Das hat hierzulande Reflexe ausgelöst. <<
Erst zahlen die deutschen Steuerzahler den Preis - der EU Beitrag wird sich drastisch erhöhen.
Und bis 70 arbeiten, damit die roten Socken in EU Frankreich mit Mitte 50 bis spätestens 62 in Rente gehen können.
Die Briten haben den Europäern, noch unter David Cameron, ein Ultimatum gestellt. Eine Reform der EU. Durch die Finanzkrise 2007 getrieben sollten Migration und länderübergreifender Sozialstaat eingedämmt werden. Unsere Regierung hat den Vorstoß der Briten nicht aufgenommen und sich lieber an dem sozialistischen Bruder Frankreich orientiert. Das Resultat war das Brexit Referendum. Mit der nächsten Euro und Finanzkrise wird uns das Gebilde EU um die Ohren fliegen. Alleine die Target2 Salden der Bundesbank von 942 Milliarden Euro sprengen den Bundeshaushalt. Die europäischen Banken stehen dank negativ Zins mit dem Rücken zur Wand. Die Briten gehen, weil Deutschland es so wollte. Einer von vielen Fehlern der Bundesregierung.
Reisende soll man nicht aufhalten - lasst die Inselbewohner endlich gehen. Aber zurück in die EU? Niemals !!!!
Und schon geht das Geheule der deutschen Medien wieder los. Man war sich ja auch so sicher, dass Johnson verlieren würde (so wie man sich sicher war, dass Trump verlieren würde). Wer weiß, vielleicht hätte er auch verloren, wenn nicht die Alternative der stramme Antisemit Corbyn gewesen wäre, mit dem deutsche Medien und Politiker offenbar kein Problem haben.
Wie wäre es, wenn die Entscheidungen der Menschen anderer Länder einfach mal akzeptiert würden? Wir haben hier selber genug eigene Baustellen.
Für die Freiheit ist kein Preis zu hoch. BJ führt die Briten in die Freiheit.
Freiheit? Müssen dann die Briten keine Steuern mehr bezahlen? Hat dann jeder Brite die Freiheit zu wählen ob er rechts oder links fahren soll?
Für den einzelnen Briten ist der Zugewinn an Freiheit gleich Null.
Aber die Entwicklung zum Nationalstaat nimmt zu. Europa zufällt immer mehr in stolze Kleinstaaten. Und wenns nicht klappt dann beginnt halt der nächste Krieg.
Eine super Entwicklung.
Vielleicht haben die ja in den Jahren ihrer Zugehörigkeit zur EU gelernt wie man genießbares Essen zubereitet über ihr ständiges Verlangen von Extrawürsten hinaus. Und die Schotten hätten jetzt, da keine Geburt eines Thronfolgers ansteht, eine gute Gelegenheit den ganzen verrückten Laden auffliegen zu lassen. Hoffentlich tun Sie's auch . . .
Unsinn! Freiheit hat doch nichts mit Steuern oder Abgaben zu tun. Freiheit heißt, daß die Briten Herr im eigenen Haus sind und keine Instanz, vulgo EU, über sich haben. Und wem sie welcher Verträge abschliessen bestimmen sie selbst.
Freiheit von der EU? Künftig dürfen die Briten Regeln der EU übernehmen und zahlen ohne mitbestimmen zukönnen ... vom Nordirlandkonflikt ganz zu schweigen. Schottland wird wieder stärker nach Unabhängigkeit streben.
Schauen wir, wann die wieder einen Aufnahmeantrag stellen ... aber Hauptsache die gehen jetzt endlich wirklich mal.