Vor vier Jahren stand Merkel in der Wahlarena: Hat sie Wort gehalten?
Die drei aktuellen Kanzlerkandidatinnen und -kandidaten absolvieren einen Fernsehauftritt nach dem anderen. Vor vier Jahren tat das auch Angela Merkel. Wie viel ist von ihren Versprechungen geblieben?
Was Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock gerade hinter sich bringen, hat Angela Merkel schon ein paar Mal absolviert: hier eine Wahlarena, da ein Interview, dort ein Duell - oder jetzt eben ein Triell. Ein Versprechen ist da schnell gegeben. Und manchmal auch genauso schnell gebrochen. Wir haben uns die ARD-Wahlarena zur Bundestagswahl 2017 mit Angela Merkel noch einmal angesehen. 150 Zuschauerinnen und Zuschauer befragten damals die amtierende Kanzlerin und Kanzlerkandidatin. Welche Zusagen hat sie eingehalten - und welche nicht?
1. Versprechen: Flüchtlingsobergrenze
Die erste Frage stellte ein 18-jähriger Würzburger. Er wolle sie, Angela Merkel, gerne wählen, könne in Bayern aber nur die CSU unterstützen, doch das wolle er angesichts des "Bayernplans" nicht. Dabei handelte es sich um eine Art Zusatz-Wahlprogramm der CSU. Eine der darin enthaltenen Forderungen: "Die seit langem geforderte Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr für Deutschland ist notwendig."
Merkel war dagegen. In der Wahlarena sagte sie: "Ich möchte sie nicht. Ich halte sie auch nicht für praktikabel." - "Garantiert?", fragte der Erstwähler. "Garantiert, ja", entgegnete die Kanzlerin.
Hat sie Wort gehalten? Das ist schwierig zu sagen. Etwa einen Monat später, wenige Wochen nach der Bundestagswahl, einigten sich die Schwesterparteien. Die Zahl 200.000 blieb, Obergrenze wurde sie aber nicht genannt, sondern als Ziel. "Wir wollen erreichen, dass die Gesamtzahl der Aufnahmen aus humanitären Gründen [...] die Zahl von 200.000 Menschen im Jahr nicht übersteigt", hieß es in dem Kompromisspapier.
2. Versprechen: Renteneintrittsalter
Eine ebenfalls 18-jährige Zuschauerin fragte die Kanzlerin, ob sie angesichts der Erhöhung des Renteneintrittsalters überhaupt einmal in den Genuss einer Rente kommen würde. "Wir wollen das gesetzliche Renteneintrittsalter nicht erhöhen", betonte Merkel.
Daran hat sie sich gehalten, das Renteneintrittsalter beträgt nach wie vor 67 Jahre. Im Sommer 2021 bekräftigte die Kanzlerin ihre Haltung. "Eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit steht für mich nicht auf der Tagesordnung", sagte sie im Juni.
3. Versprechen: Bessere Pflege
Ein Krankenpfleger warf Merkel vor, in ihren damals zwölf Jahren als Bundeskanzlerin zu wenig für die Pflege getan zu haben. Er forderte beispielsweise Personalschlüssel, auch auf Normalstationen.
Tatsächlich wurden in der laufenden Legislaturperiode Personaluntergrenzen in zwei Schritten eingeführt, auf Intensivstationen gab es sie schon zuvor. Auf einer Station der Inneren Medizin und Kardiologie müssen seit Februar 2021 während der Tagschicht maximal zehn Patienten auf eine Pflegekraft, in der Nachtschicht maximal 22 Patienten auf eine Pflegekraft kommen. Pflegevertreter halten das nicht für ausreichend. "Die von der ausgehenden Bundesregierung beschlossenen Pflegepersonaluntergrenzen sind völlig unzureichend", heißt es etwa von der Gewerkschaft Verdi.
Der junge Mann fuhr fort, die Schlüssel alleine würden nichts ändern, wenn es nicht mehr Personal gebe. Merkel antwortete, notfalls müssten Pflegekräfte aus dem Ausland akquiriert werden. "Wir müssen es auch hier zu einem attraktiven Beruf machen und das bedeutet, in den Tarifverhandlungen muss auch besser bezahlt werden", fügte sie hinzu. In diesem Bereich gab es am Ende der laufenden Periode eine tiefgreifende Änderung, zumindest in der Altenpflege: Im Juni beschloss der Bundestag ein Gesetz, das Versorgungsverträge mit der Pflegeversicherung nur noch erlaubt, wenn ein Pflegeheim Tariflöhne zahlt.
Doch auch dieses Projekt kritisiert Verdi: Es sei stark missbrauchsanfällig, Pflegeanbieter könnten mithilfe von Dumpingtarifverträgen weiter Niedriglöhne zahlen. "Die jetzt verabschiedeten gesetzlichen Regelungen zur Entlohnung in der Altenpflege sind kein adäquater Ersatz für einen bundesweiten Tarifvertrag, der verbindlich Mindestbedingungen geregelt hätte." Merkels Gesundheitsminister hätte maßgeblich dazu beigetragen, einen solchen Tarifvertrag zu vereiteln.
4. Versprechen: Klimaschutz
Merkel sagte auf eine Zuschauerfrage, Deutschland habe sich zu CO2-Reduktionen verpflichtet. "Sie sagen, Sie kriegen's hin?", hakte der Moderator mit Blick auf die Klimaschutzziele bis zum Jahr 2020 nach. "Ich arbeite daran, dass wir´s hinkriegen", antwortete Merkel.
Tatsächlich hat Deutschland seine Klimaziele entgegen der Erwartungen für das Jahr 2020 erreicht - ein Verdienst der Bundesregierung war das aber nicht. Die Emissionen sollten im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent sinken, am Ende waren es 40,8 Prozent. Der Rückgang im Vergleich zum Vorjahr betrug 8,7 Prozent - ein Drittel der Einsparung geht laut dem Umweltbundesamt aufs Konto der Corona-Pandemie.
"Ohne die Corona-Lockdowns mit den Einschränkungen bei Produktion und Mobilität hätte Deutschland sein Klimaziel für 2020 verfehlt", sagte Dirk Messner, Chef der Behörde. Im März 2021 entschied das Bundesverfassungsgericht zudem, dass das Klimaschutzgesetz von Merkels Regierungskoalition verfassungswidrig ist. Aufgrund der Entscheidung mussten strengere Reduktionsziele festgelegt werden.
5. Versprechen: Fluchtursachen bekämpfen
"2015 soll sich nicht wiederholen, darf sich nicht wiederholen", sagte Merkel auf eine Zuschauerfrage zur Flüchtlingspolitik. Die Fluchtursachen müssen bekämpft werden, betonte die Kanzlerin. Zumindest nach Ansicht einer Expertenkommission der Bundesregierung scheint sich hier einiges verbessert zu haben.
Das gestiegene Verantwortungsbewusstsein zeige sich auch in Form von größerer finanzieller Unterstützungen in diesem Bereich, schrieb die Fachkommission Fluchtursachen der Bundesregierung, die aus 24 Expertinnen und Experten besteht. "Damit ist Deutschland ein internationaler Vorreiter in der schnellen und substanziellen Reaktion auf den gestiegenen Unterstützungsbedarf angesichts zunehmender Krisen."
Die Grünen-Fraktion im Bundestag sieht im gesamten Westen Defizite, wie sie in einem Themenpapier schreibt: "Statt mit einer nachhaltigen Entwicklungspolitik Fluchtursachen zu bekämpfen, ziehen die westlichen Industrienationen die Grenzmauern hoch und lassen die Menschen auf gefährlichen Fluchtrouten alleine."
6. Versprechen: Kindergeld und Kinderfreibetrag erhöhen
Angela Merkel kündigte an, das Kindergeld und den Kinderfreibetrag bei der Einkommenssteuer zu erhöhen, um Familien zu entlasten. Tatsächlich stieg das Kindergeld beispielsweise für das erste Kinder von 2017 bis 2021 von 192 auf 219 Euro. Der Kinderfreibetrag stieg von 7356 auf 8388 Euro.
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Ganz klar und den Kommentaregeln entsprechend: NEIN - ich hoffe, das hat gereicht (Anzahl Buchstaben), die Zeit aber nicht, war zu kurz
Frau Merkel hatte in 2005 ein reiches Erbe übernommen. Der Nachfolger*in muss wieder hart arbeiten.