Union-Kanzlerkandidat Armin Laschet will nicht bloß Merkels Erbe sein
Armin Laschet hat eine Biographie über Angela Merkel vorgestellt. Der Kanzlerkandidat ist gut aufgelegt und stellt sich mit ihr auf eine Ebene - als ewige Underdogs.
Armin Laschet braucht an diesem Abend im Herzen der Hauptstadt nicht einmal zwei Minuten. In dieser kurzen Spanne macht er klar, warum er das Rennen um das Kanzleramt noch nicht verloren hat. Ihm gelingt das Kunststück, sich mit der Kanzlerin bei der Vorstellung einer Merkel-Biographie auf eine Ebene zu stellen, ohne dass es schief gerät. Gefragt nach seinem Merkel-Moment bei der Lektüre der 800 Seiten antwortet er: „Dass sie unterschätzt wurde, das hat sie in ihrem Leben sehr oft erlebt.“
Armin Laschet im Rennen um das Kanzleramt: „Zweifel hatte ich nicht“
Er hätte diese Aussage genauso gut über sich selbst treffen können. Denn es ist genau das, was ihm ständig passiert. Auch jetzt wieder, da er nach dem Kanzleramt greift und damit nach dem Erbe der Frau, die 16 Jahre lang an der Spitze Deutschlands stand. Die Presse kürte sie zu mächtigsten Frau der Erde, zur Anführerin der freien Welt und jetzt kommt der Armin aus Aachen und will das auch sein? Das fragen sich die Wählerinnen und Wähler und sagen bislang „nein“. Aber Laschet, der Unterschätzte, sagt: „Ich kann das.“
Der Kanzlerkandidat weiß, dass diese Nummer für ihn schlecht ausgehen kann. Mehrere Dutzend Reporter legen jedes Wort auf die Goldwaage, wie er sich im Vergleich mit Merkel präsentiert. Der 60-Jährige lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Er umgeht munter die Fallen, die ihm gestellt werden, etwa, wenn er gefragt wird, ob er mit Merkel über die Last des Amtes gesprochen hat und nun vielleicht doch ins Schwanken geraten ist. „Zweifel hatte ich nicht.“
Gibt es Parallelen zwischen Armin Laschet und Angela Merkel?
Zweifel hatte aber Angela Merkel, ob die CDU der richtige Platz für sie ist. In der Wendezeit war das im Herbst 89. Die CDU war im Osten eine der Blockparteien, die das Regime der SED stützten. Sie machte dann doch mit und sollte es schließlich bis ganz nach oben schaffen. Zu Beginn hatte sie mit der SPD geliebäugelt. Dass die CDU für den katholischen Rheinländer Laschet die richtige Partei ist, stand nie zur Debatte. Bei Merkel war das anders. Die mentalen Unterschiede wurden schon oft auf den Dreiklang gebracht – Frau, aus dem Osten, evangelisch. Merkel, so beschreibt es auch die interessante Biographie von Ralph Bollmann, war wie ein Alien im Milieu der westdeutschen Männerpartei CDU.
Norbert Blüm, der für alle Menschen zugänglich war, wollte sie nicht kennenlernen. Unterschätzt wurde ihre Härte gegen diese Männer. Den ersten Konkurrenten, den sie rasierte, war ihr damaliger Staatssekretär im Umweltministerium. Der galt als einer der besten Umweltpolitiker der Union und hatte keine Lust, der Frau aus der DDR das Feld zu überlassen. Merkel drängte ihn raus und sorgte damit im kleinen Bonn für das Ausrufezeichen, das auch Laschet wahrnahm. Er spricht heute mit einiger Anerkennung in der Stimme von einem brutalen Akt.
Kanzlerkandidat der Union Armin Laschet wird kurz emotional
Hat er, der amtierende CDU-Chef diese Brutalität? Laschet will es anders machen. Er versteht sich als Moderator, der als künftiger Kanzler auch den kleinen Koalitionspartnern ihre Erfolge lassen würde. „Man muss dem kleinen Partner Punkte gönnen“, meint der K-Kandidat. Helmut Kohl habe das gemacht, während die FDP in der schwarz-gelben Koalition unter Merkel zu kurz gekommen sei. Kohl konnte beides – Erfolge gönnen aber auch brutal absägen. Vielleicht ist Laschet deshalb ein Alien in der Politik, weil ihm das Absägen anderer nicht zugetraut wird.
Es gibt einen Moment, in dem der schwer unter Druck stehende Kandidat emotional wird. Er führt einen Arm wie einen Hammer auf und nieder. Es geht darum, ob er sich mehr Wahlkampfauftritte Merkels, der Übermutter der Nation, wünscht. Es packt Laschet an der Ehre, wenn verlangt wird, Merkel solle der Nation erklären, dass sie ihr Kreuz bei ihm machen soll, als könne er nicht selbst überzeugen. Das Amt des Kanzlers „erfordert, dass der der es will, es sich selbst erkämpft.“
Armin Laschet ist davon überzeugt, dass der Unterschätzte am Ende gewinnt
Die Wählerinnen und Wähler, das verspricht er ihnen, bekommen einen Mann, der die auseinanderbröselnde Gesellschaft zusammenhalten will. Und der dieses Europa zusammenhalten will und sei es in Krisen „um vier Uhr“ nachts. „Ausgleich ist nicht ruhige Hand, Ausgleich braucht verdammt aktive Hände“, meint Laschet.
Der Autor der Biographie über Angela Merkel hat bei seiner Recherche noch einmal mit ihrer Mutter gesprochen, kurz vor deren Tod. Sie habe ihm gesagt, sein Anliegen sei schon richtig, weil über ihre Tochter so viel Falsches geschrieben werde. „Das hätte mein Mutter wahrscheinlich auch gesagt“, wirft Laschet ein. Er ist davon überzeugt, dass der Unterschätzte am Ende gewinnt.
Ralph Bollmann: Angela Merkel. Die Kanzlerin und ihre Zeit, C.H. Beck, 2021
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