Von der Leyen fühlt sich zu Höherem berufen
Von der Euro-Rettung bis zum Mindestlohn: Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen bringt sich in Stellung.
Und wieder wankt eine Bastion in der CDU. Plötzlich ist auch das Thema Mindestlohn kein Tabu mehr. Auf dem Parteitag Mitte November will Karl-Josef Laumann, der Chef des Arbeitnehmerflügels der CDU, einen Antrag auf Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns einbringen.
Eine prominente Unterstützerin hat der Chef des Arbeitnehmerflügels bereits gefunden – Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen. Kaum war die Forderung Laumanns in der Welt, signalisierte die stellvertretende CDU-Vorsitzende ihre Sympathie für den Vorschlag. „Die Richtung stimmt“, erklärte sie. An ihr jedenfalls, so die Botschaft, solle das Thema Mindestlohn nicht scheitern.
Von der Leyen gilt als eloquent und stets gut gelaunt
Ursula von der Leyen hat es auf diese Weise wieder einmal geschafft, sich in die Schlagzeilen zu bringen. So wie es ihr in jüngster Zeit immer wieder gelungen ist, in der nachrichtenarmen Zeit mit Wortmeldungen auf sich aufmerksam zu machen. Auch zu Themen, für die sie als ebenso selbstbewusst wie ehrgeizig geltende Arbeits- und Sozialministerin eigentlich gar nicht zuständig ist. So forderte sie vor wenigen Tagen, dass Länder wie Griechenland oder Portugal, die von der Staatengemeinschaft Kredite erhalten, ihre Goldreserven als Pfand hinterlegen. Und am Wochenende sprach sie sich dezidiert für die Vereinigten Staaten von Europa aus. Beide Male löste sie in ihrer eigenen Partei einen Sturm der Entrüstung aus, beide Male hagelte es an massiver Kritik von prominenten Parteifreunden. Doch von der Leyen lässt sich davon nicht beirren. Sie halte an ihrer Position Geld gegen Gold fest, auch wenn sie derzeit „schwer durchsetzbar“ sei, sagt sie, aber es gehe ihr „ums Prinzip“. Und populär ist’s obendrein.
In der Unionsspitze verfolgt man die Auftritte der Ministerin nicht gerade mit Begeisterung, zumal offensichtlich ist, dass sich die Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht zunehmend von ihrer Förderin und Mentorin Angela Merkel emanzipiert und sich von der Kanzlerin absetzt. Von der Leyen, heißt es in der CDU-Fraktion süffisant, sehe sich im Arbeitsministerium noch lange nicht am Ende ihrer politischen Karriere. „Sie macht das alles sicher nicht ohne Hintergedanken“, sagt ein führender Christdemokrat, „sie will sich frühzeitig in Stellung bringen.“ Die 52-jährige promovierte Ärztin und Mutter von sieben Kindern fühle sich zu Höherem berufen und habe bereits die Nach-Merkel-Ära im Blick, erst recht, seit sie nach dem plötzlichen Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler im Mai vergangenen Jahres kurzzeitig bereits als dessen potenzielle Nachfolgerin gehandelt worden war.
Gerne präsentiert sich die stets gut gelaunte und eloquent auftretende Ministerin als zupackende Macherin, die mit sicherem Machtinstinkt und einer Prise Populismus erreicht, was sie sich vorgenommen hat. So hat sie das Elterngeld eingeführt, das Bildungspaket geschnürt und darauf gedrängt, dass das Betreuungsangebot für Kleinkinder ausgeweitet wird, nun kämpft sie für eine Frauenquote in den Vorständen börsennotierter Unternehmen. Vor allem aber hat die niedersächsische Christdemokratin ein sicheres Gespür dafür, was das Parteivolk hören will.
Im Gegensatz zur eher spröden, nüchternen, völlig unpathetischen Angela Merkel weiß sie, wie man die Seele der Basis streichelt und ihr das gibt, wonach sie sich sehnt – Gefühl, Wärme und Pathos. So begründete sie dieser Tage ihr Credo für die Vereinigten Staaten von Europa mit einem ebenso schlichten wie eindrucksvollen Bild: „Europa ist wie eine in die Jahre gekommene Romanze, die plötzlich vor die Frage gestellt wird: Wollen wir heiraten? Es ist die Krise vor dem Standesamt.“ So einfach kann Politik sein. „So einen Satz“, stöhnt ein Parteifreund, „hätten wir uns längst von Angela Merkel gewünscht.“
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