
Immer wieder wurde seitens der Politik beteuert, dass es keine Impfpflicht geben werde. So sollte es bleiben, wenn die Bevölkerung weiter Vertrauen haben soll.
Dass Politikerinnen und Politiker aller Parteien schon früh versprochen haben, es werde im Kampf gegen Corona keine Impfpflicht geben, war aus heutiger Sicht ein strategischer Fehler. Vor lauter Angst, den Menschen Angst zu machen, haben sie sich dazu hinreißen lassen. Es ging darum, bei diesem hochsensiblen Thema Vertrauen aufzubauen. Und genau deshalb darf dieses Versprechen nun nicht gebrochen werden.
Eine Impfpflicht könnte das Vertrauen in die Politik zunichte machen
Ja, es ist viel mühsamer, die Menschen zu überzeugen sich impfen zu lassen als sie zu zwingen. Eine Zeit lang hat das trotzdem gut funktioniert. Doch jetzt, da all jene, die sowieso nicht wirklich überzeugt werden mussten, geimpft sind, beginnt die eigentliche Herausforderung. Wir müssen akzeptieren, dass die Hoffnung, man könnte die Krise über den Sommer einfach wegimpfen, zerplatzt ist. Viele fühlen sich auch ohne Spritze sicher, andere waren von Anfang an misstrauisch und sehen angesichts niedriger Ansteckungszahlen erst recht keine Veranlassung, ihre Position zu überdenken. Nur: Je langsamer wir impfen, desto größer ist die Gefahr, dass eine vierte Welle das Land hart trifft.
Die Versuchung ist groß, die Menschen im Sinne des großen Ganzen zu ihrem Glück zu zwingen. Doch es geht jetzt nicht nur um die Frage, wie wir die Lage in den Griff bekommen. Es geht um das Grundvertrauen der Bürgerinnen und Bürger in diesen Staat. Corona ist die erste Krise dieser Art, wird aber kaum die letzte sein. Das politische Handeln wird zur Referenzgröße für spätere Extremsituationen – so oder so. Wer heute sein Versprechen bricht, muss morgen noch härter um Vertrauen kämpfen.
Deshalb gilt: Jeder Anreiz, der Menschen dazu bringt, sich doch noch impfen zu lassen, ist besser als eine Anordnung.
Lesen Sie dazu auch den Pro-Kommentar: Zum Schutz der Verwundbaren braucht es eine Impfpflicht
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