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Foto: Kay Nietfeld, dpa
Foto: Kay Nietfeld, dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drängt auf strengere Corona-Maßnahmen. Das Bundeskanzleramt arbeitet Medienberichten zufolge an Plänen, sie durchzusetzen.

Corona-Lockdown
03.04.2021

Kann Angela Merkel einen "Bundeslockdown" verhängen?

Von Philipp Wehrmann

Die Bundesregierung plant Medienberichten zufolge, einen bundesweiten Lockdown durchzusetzen. Das dürfte nicht einfach werden - denn ohne die Ministerpräsidenten geht nichts.

Die Bundeskanzlerin hatte es angekündigt: Sie werde nicht mehr lange zusehen, wie einige Ministerpräsidenten Beschlüsse der Corona-Gipfel locker umsetzen und etwa keine konsequente Notbremse ziehen. "Es gibt mehrere Bundesländer, die eine sehr weite Interpretation haben und das erfüllt mich nicht mit Freude", sagte sie kürzlich in der Talkshow "Anne Will". Man müsse wieder einen gemeinsamen Weg finden oder andere Wege gehen, "über Bundestag und Bundesrat", fügte die Kanzlerin hinzu. "Ich werde nicht tatenlos noch vierzehn Tage zusehen."

Laut einem Bild-Bericht arbeitet das Bundeskanzleramt nun über das Osterwochenende an einem "Bundeslockdown". Ein mehrere Wochen dauernder bundesweiter Lockdown anstelle regionaler Maßnahmen sei demnach im Gespräch. Es könnten eine tagsüber geltende Ausgangssperre und weitgehende Schulschließungen verhängt werden, schreibt das Blatt. Zusätzlich seien eine Testpflicht für Betriebe und strengere Home-Office-Regelungen angedacht. Unterstützung in der Bevölkerung für einen schärferen Lockdown hätte Merkel, wie eine Umfrage im Auftrag unserer Redaktion ergab.

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Aber könnte die Bundesregierung überhaupt einen "Bundeslockdown" verhängen und falls ja, wie? Schließlich ist der Infektionsschutz Ländersache, wie es seit einem Jahr immer wieder heißt. Das stimmt zwar - ist aber nicht in Stein gemeißelt. Für die Schulen etwa sind nach dem Grundgesetz die Länder allein zuständig. Für den Infektionsschutz nicht - in diesem Bereich kann der Bundestag Gesetze beschließen. Das hat er mit dem Infektionsschutzgesetz schon vor langer Zeit und vergangenes Jahr erneut getan und die Aufgabe an die Länder delegiert. Diese Entscheidung könnte er jedoch zurücknehmen.

Ohne die Länderchefs ist ein "Bundeslockdown" kaum möglich

Doch der Weg zu einem "Bundeslockdown" wäre weit. Johannes Gallon, Rechtswissenschaftler an der Europa-Universität Flensburg, hat das Thema in einem Beitrag für das Fachportal verfassungsblog.de aufgearbeitet. "Ohne Zusammenwirken von Bundestag, Bundesregierung und Landesregierungen wird es auch in Zukunft nicht gehen", schreibt er.

Derzeit legen die Landesregierungen die Corona-Regeln mit Verordnungen fest. Das können sie nur, weil der Bundestag es ihnen per Gesetz ermöglicht hat. Damit künftig nicht mehr Ministerpräsidenten wie Markus Söder (CSU), Michael Müller (SPD) oder Winfried Kretschmann (Grüne) und die Übrigen über den Lockdown entscheiden, sondern die Bundeskanzlerin zentral, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Landesregierungen geben freiwillig ihre Macht ab - das ist äußerst unwahrscheinlich - oder der Bundestag ändert das Gesetz. Doch auch das geht so einfach nicht: Denn erstens ist unklar, ob die Regierungsfraktionen aus Union und SPD einer Gesetzesänderungen zustimmen würden, zweitens müsste auch noch der Bundesrat einverstanden sein. Und der besteht aus den Landesregierungen, im Wesentlichen aus den Ministerpräsidenten.

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Am Ende müsste sich Merkel also wieder die Erlaubnis von Söder, Müller, Kretschmann und Co. einholen. Je nach Ausgestaltungen des Gesetzes müssten die Landesregierungen der Bundesregierung entweder im Voraus einen Freibrief für Verordnungen geben oder jedes Mal neu zustimmen, wenn die Bundesregierung die Regeln ändern würde.

Der nächste Bund-Länder-Gipfel ist am 12. April geplant

Doch Gallon nennt auch eine Alternative: Der Bundestag könnte den Landesregierungen konkretere Vorgaben machen, wie sie ihre Corona-Regeln zu gestalten haben. Dann hätten sie zwar weiter die Kompetenz, Verordnungen zu lassen - der Rahmen wäre aber enger gesteckt. Denkbar wäre etwa, die sogenannte Notbremse zur gesetzlichen Pflicht zu machen. Der bisherige Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz stellt nur eine Willensbekundung dar.

Allerdings könnten sich auch dann die Länderchefs einschalten und im Bundesrat gegen eine entsprechende Gesetzesänderung vorgehen. Selbst wenn sich der Bundestag am Ende durchsetzen würde: Es würde dauern. Eine Lösung, mit der die Länderchefs nicht einverstanden wären, "könnte Monate an Verzögerung bedeuten", betont der Jurist.

Kann die Kanzlerin also gegen den Willen der Ministerpräsidenten "den Lockdown durchboxen", wie die Bild schreibt? Einfach wird es jedenfalls nicht. Sicher ist, dass sie vorher erneut das Gespräch mit den Länderchefs suchen würde. Der nächste Corona-Gipfel ist am 12. April - falls er nicht vorgezogen wird.

 

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