Vor Jahrestreffen: WHO wegen Nähe zu China in der Kritik
In der Weltgesundheitsorganisation schlägt die Stunde der Abrechnung. Am Montag beginnt das Jahrestreffen der Mitgliedsländer. Im Fokus wird die Nähe zu China stehen.
Der Schauplatz des Showdowns ist virtuell: Wenn sich die 194 Mitgliedsländer der Weltgesundheitsorganisation WHO ab Montag zusammenschalten, wird Corona das Jahrestreffen nicht nur beherrschen, sondern es schlägt die Stunde der Abrechnung.
Viele offizielle Informationen über den Ausbruch sind vage und schwierig zu finden. Am 5. Januar veröffentlicht die WHO im Internet ihre ersten „News“ über eine „Lungenentzündung unbekannter Ursache“ in Wuhan. Darüber sei man am 31. Dezember 2019 „informiert worden“. Am Ende des Textes befinden sich zwei Links zu Webseiten der Behörden Wuhans über die „epidemiologische Situation“. Jetzt ist das Schlüsseldokument des Corona-Ausbruchs dort nicht mehr zu finden.
US-Präsident Donald Trump wirft China Vertuschen und Versagen vor. Das Land hätte das „Virus schnell stoppen können und es hätte sich nicht überall auf der Welt verbreitet“, sagt Trump. Er behauptet, dass der Erreger aus einem Labor stammt. Auch Kenneth Roth, Chef der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und Trump-Kritiker, hält fest, dass Chinas Behörden „Nachrichten unterdrückten und rigoros zensierten“.
WHO hat enorm an Autorität eingebüßt
Peking weist alle Anklagen der US-Regierung zurück. Zwar wolle sein Land „keine Schlacht mit den USA“, versichert Chinas UN-Botschafter in Genf, Chen Xu. Man sei aber „auf alles vorbereitet“. Hinter den Kulissen mobilisiert China verbündete und abhängige Staaten, um eine Front gegen die USA zu bilden.
Die UN-Organisation hat ein Budget von 4,8 Milliarden US-Dollar für 2020 und 2021, beschäftigt rund 7000 Mitarbeiter, kämpft gegen Killerkrankheiten wie Malaria, Aids, Tuberkulose und Krebs und verfasst medizinische Richtlinien. Sie unterstützt die Länder bei einem Gesundheitsnotstand – wie jetzt bei Corona. Die WHO hat koordinierende Aufgaben, bündelt Kräfte bei der Entwicklung eines Impfstoffes.
Durch Ungeschicklichkeiten und Versäumnisse hat die WHO enorm an Glaubwürdigkeit und Autorität eingebüßt. Trump bezichtigt sie als „PR-Agentur“ Chinas und setzte die US-Zahlungen aus. In der Tat überschüttete WHO-Generaldirektor Tedros – früher Gesundheitsminister in Äthiopien – China lange Zeit mit Lob. Als Fehler gilt der lang geltende Ratschlag, Reiseverkehr und Warenaustausch mit China aufrechtzuerhalten.
David P. Fidlers, vom Council on Foreign Relations, Urteil fällt klar aus: Die WHO habe durch den Schmusekurs gegenüber China „ihre Neutralität untergraben“ und dadurch den impulsiven US-Präsidenten gereizt. „Diese Pandemie ist zu einem politischen Desaster für die WHO geworden.“ Sie sitze in der China-Falle. Schwer wiegt auch der Vorwurf der Kopflosigkeit von Jeremy Youde von der University of Minnesota Duluth: „Die WHO verfolgt keine klare übergeordnete Strategie im Kampf gegen die Pandemie.“
Experte: "WHO hat Welt rechtzeitig gewarnt"
Tedros beharrt darauf, dass die WHO rechtzeitig die „Alarmglocke laut und klar geschlagen hat“. Als sie Ende Januar den internationalen Gesundheitsnotstand ausrief, gab es laut Tedros außerhalb Chinas nur rund 80 Corona-Fälle und keinen Toten. Tedros verweist auch darauf, ein „alarmierendes Ausmaß des Nichtstuns“ vieler Staaten angeprangert zu haben. Einige Experten springen ihm bei: „Die WHO hat die Welt rechtzeitig gewarnt“, so der australische Virologe John MacKenzie.
Die AIDS Healthcare Foundation aus den USA ruft dazu auf, Tedros abzusetzen. Einen Nachfolger präsentiert sie auch: Ex-US-Präsident Barack Obama solle für ein Jahr die WHO durch die Krise steuern.
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