Evelyn Zupke gibt den Stasi-Opfern eine Stimme
Evelyn Zupke hat selbst erlebt, wie grausam die DDR-System war. Nun soll sie dafür sorgen, dass dieses Unrecht nicht in Vergessenheit gerät.
Im Getriebe der Opposition ist Evelyn Zupke im Mai 1989 nur eines von vielen Rädern – dass die DDR wenige Monate später schon Geschichte sein wird, ist allerdings auch ihr Verdienst. Der Lehrerstochter von der Insel Rügen gelingt mit dem Friedenskreis im Ostberliner Bezirk Weißensee, einem kleinen Zirkel von Regimegegnern, im Wendejahr ein echter Coup: Mit detektivischem Eifer beschafft sie sich nach den Kommunalwahlen die Ergebnislisten aus den Wahllokalen in Weißensee und belegt mit deren Hilfe und der diskreten Weitergabe ihres Wissens an westliche Medien, was viele Menschen im sozialistischen Einheitsstaat schon immer vermutet haben: Dass die Wahlergebnisse dort systematisch gefälscht werden.
Mehr als 30 Jahre danach holt Evelyn Zupke ihre Vergangenheit nun wieder ein - allerdings im positiven Sinne. Die 59-jährige, die heute in Hamburg lebt und noch immer eine gefragte Zeitzeugin ist, wird die erste Bundesbeauftragte für die Opfer der DDR-Diktatur. Nachdem die Stasi-Unterlagenbehörde aufgelöst, ihr Leiter Roland Jahn pensioniert und der Aktenbestand dem Bundesarchiv in Koblenz übertragen wird, soll sie den Betroffen weiterhin ein Gesicht und eine Stimme geben.
Viele DDR-Opfer leiden bis heute unter den Folgen der Schikane
Viele von ihnen leiden bis heute unter den Folgen staatlicher Schikane - von der Inhaftierung Andersdenkender bis zum Zwangsdoping von Spitzensportlern. Manche, sagt Evelyn Zupke, seien psychisch so schwer geschädigt, dass sie nicht einmal mehr die Kraft hätten, um die Anerkennungsverfahren für eine Opferrente durchzustehen.
Sie selbst ist, wenn man so will, eher zufällig Bürgerrechtlerin geworden: „Wie ich dazu gekommen bin? So genau weiß ich das gar nicht. Ich war plötzlich mittendrin.“ Aufgewachsen in einem linientreuen Haushalt gilt sie zunächst als sozialistisches Musterkind, bis sie als Schülerin erlebt, wie grausam das System sein kann. Ein Mitschüler hat sich für eine Offizierslaufbahn in der DDR-Armee beworben, zieht die Bewerbung aber zurück - und wird prompt von der Schule geworfen. Evelyn Zupke steht ihm bei und wird bald darauf selbst zum Opfer. Wegen ihrer kritischen politischen Ansichten darf sie nicht studieren. Sie lässt sich erst zur Kellnerin ausbilden und flüchtet sich dann als Hilfspflegerin in einem Behindertenheim unter das Dach der evangelischen Kirche, einem der wenigen halbwegs geschützten Räume damals.
Wählen ist für sie bis dahin eine Farce, nicht mehr als „ein Zettelfalten“, wie sie selbst spottet. Nachdem sie den Wahlbetrug 1989 publik gemacht hat, rückt die junge Bürgerrechtlerin Zupke noch stärker ins Visier der Staatssicherheit, die sie observiert und zwischenzeitlich sogar verhaften lässt. Trotzdem organisiert sie Demonstrationen und sitzt nach dem Mauerfall unter anderem in der Wahlkommission für die ersten und einzigen freien Wahlen in der DDR. Die Zeit des Zettelfaltens ist damit endgültig vorbei.
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