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Türkei
21.06.2018

Darum verehren so viele Türken ihren Präsidenten Erdogan

Erdogan ist überall: Das Stadtbild von Istanbul ist geprägt von großen Plakaten, die den türkischen Präsidenten zeigen.
Foto: Aris Messinis, afp (Archiv)

Es müsste schon ein großes Wunder geschehen, sollte Recep Tayyip Erdogan am Sonntag nicht wiedergewählt werden. Aber ein kleines Wunder ist durchaus möglich.

Wen sie am Sonntag wählen werden? Fast mitleidig blicken zwei Frauen in einer Fußgängerzone von Istanbul die neugierige Reporterin an. Das sei doch keine Frage, sagt eine der beiden schließlich – eine Mittvierzigerin im blauen Sommermantel mit pastellfarben abgestimmtem Kopftuch. Natürlich wähle sie Recep Tayyip Erdogan und seine AKP! Dafür gebe es viele gute Gründe, aber vor allem diesen: „Wir müssen nur an früher denken, dann ist das gar keine Frage.“

Die Frau in Blau ist statistisch betrachtet eine durchschnittliche AKP-Wählerin. Und sie benennt treffend, warum die Hälfte der türkischen Bevölkerung stets für Erdogan stimmt – gleich wie korrupt und brutal die AKP inzwischen regiert und wie konziliant und konstruktiv die Opposition sich heute zeigt. Auch vor der Parlaments- und Präsidentenwahl am Wochenende stehen viele Anhänger treu zu ihrem Präsidenten. Die Ausgrenzung und Diskriminierung der fromm-konservativen Anatolier in den ersten 80 Jahren der Türkischen Republik sind Generationen von Wählern tief ins kollektive Gedächtnis gebrannt. Erst eineinhalb Jahrzehnte liegt die Revolution an der Wahlurne zurück, mit der die AKP die Machtverhältnisse umkehrte – noch nicht lange genug, dass ihre Wähler sich sicher fühlen oder gar den einstigen Machthabern der Republik vertrauen würden.

„Das kann keiner verstehen, der das nicht miterlebt hat“, sagt ein bärtiger Mann von etwa 60 Jahren, dem dabei auf offener Straße die Tränen in die Augen steigen. „Wir konnten unseren Glauben nicht offen leben, wir waren unfrei im eigenen Land.“ Dann erzählt er von den Jahren und Jahrzehnten, in denen Türken mit traditionellem Lebensstil nicht salonfähig waren in dem Staat mit seinen heute rund 81 Millionen Einwohnern. Als Frauen mit Kopftuch in Amtsstuben nicht geduldet und fromme Männer aus dem Staatsapparat ferngehalten wurden. Als verschleierte Mädchen mit Wasserwerfern von den Universitäten vertrieben wurden, an denen sie nicht studieren durften. Als Müttern mit Kopftuch der Zutritt zu Militärkrankenhäusern verwehrt wurde, in denen ihre wehrpflichtigen Söhne starben.

Türkei: Neun von zehn AKP-Wählern fühlten sich ausgegrenzt

Rund 90 Prozent der AKP-Wähler ordnen sich nach einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Konda den Bevölkerungsgruppen zu, die von dieser Ausgrenzung betroffen waren. „Wir waren nicht Bürger zweiter oder dritter Klasse, wir wurden nicht einmal als Menschen wahrgenommen“, sagt der Bärtige, der noch immer mit den Tränen kämpft. „Dieser Mann“, sagt er und meint damit Erdogan, „dieser Mann hat uns erstmals das Gefühl gegeben, dass wir als Menschen gesehen werden.“ Wenn manche junge Leute den Präsidenten heute als „Diktator“ bezeichneten, denke er sich immer: „Wenn die wüssten, wie es vor ihm war, würden sie vor ihm niederknien.“

Diese Erinnerungen und Emotionen sind vor allem bei Türken mittleren und fortgeschrittenen Alters verbreitet, die bei den AKP-Wählern im Vergleich zur Jugend statistisch überrepräsentiert sind. „Wäre Erdogan nur 70 Jahre früher gekommen – was wäre uns an Leiden erspart geblieben“, sagt ein alter Mann mit muslimischem Vollbart. Und wenn es ihn heute nicht gäbe, „in welch elendem Zustand wäre unser Volk dann“, ergänzt ein beleibter Händler. Ihm habe es das Land zu verdanken, dass endlich gute Zeiten angebrochen seien für die Türkei, meint eine ältere Dame.

Die Angst vor einem Rückfall in eine als schwer empfundene Vergangenheit erklärt, warum viele AKP-Wähler so defensiv sind, dass es mitunter in Aggression umschlägt. „Unser Land hat erstmals in seiner Geschichte einen solchen Führer, aber manche Landsleute wissen das wohl nicht zu schätzen“, giftet eine Frau bei einer Straßenbefragung. Als sich spontan eine AKP-Kritikerin in die Diskussion einschaltet, droht ein aufgebrachter Greis damit, die Denunzianten-Hotline der Polizei anzurufen und sie einsperren zu lassen.

Ganze 92 Prozent der AKP-Wähler sind der Konda-Studie zufolge überzeugt, dass die Gezi-Proteste von 2013 keine demokratische Bewegung für mehr Rechte und Freiheiten waren, sondern ein Komplott gegen die Türkei und ihre neue Ordnung – ein Versuch, das Rad zurückzudrehen, sie von der Teilhabe an Staat und Gesellschaft zu verdrängen und die kemalistische Ordnung wiederherzustellen, in der westlich gesonnene Eliten ihnen ihren Lebensstil aufzwingen wollten.

Das große Misstrauen gegen den Westen

Für die Forderungen der Gezi-Demonstranten nach demokratischen Rechten und Freiheiten haben AKP-Wähler daher wenig Verständnis, werden sie doch aus ihrer Sicht von jenen Kräften erhoben, die ihnen jahrzehntelang die Grundrechte auf Religionsfreiheit, Gleichheit und Bildung vorenthalten haben. Glatte 80 Prozent der AKP-Wähler sind mit staatlichen Einschränkungen beim Zugang zum Internet oder zu sozialen Medien völlig einverstanden; im Durchschnitt der türkischen Gesamtbevölkerung sind es dagegen nur rund 50 Prozent. Dass die Gezi-Bewegung vom westlichen Ausland so begeistert unterstützt wurde, nährte das ohnehin vorhandene Misstrauen dieser Wähler gegen den Westen. Fast 90 Prozent der AKP-Wähler finden, dass Erdogan recht hatte, sich letztes Jahr mit den europäischen Staaten anzulegen.

Natürlich sind es nicht ausschließlich die Schatten der Vergangenheit, denen Erdogan seine treue Stammwählerschaft zu verdanken hat. Der kollektivistische und patriarchalisch geprägte Charakter der türkischen Gesellschaft ist ein weiterer Faktor, der ihm zugutekommt. Die weitaus meisten AKP-Wähler, so ergab die Konda-Studie, stimmen nicht aus Loyalität oder ideologischen Beweggründen für die Partei, sondern weil sie einen starken Anführer schätzen. „Tayyip Baba“, wie einige Menschen den Präsidenten bei den Straßenumfragen nennen, verkörpert mit seinem herrischen Auftreten den strengen und nicht gerade zimperlichen türkischen Familienvater und vermittelt dadurch Geborgenheit – während seine Herausforderer von der Opposition eher die aufsässigen Jugendlichen geben.

Erdogan hat die turnusgemäß erst im November nächsten Jahres anstehenden Wahlen vorgezogen, weil er die Opposition auf dem falschen Fuß erwischen wollte. Zudem hat er sich mit der Nationalistenpartei MHP verbündet. Mit der Doppelwahl für ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten will er durch ein möglichst eindeutiges Votum der knapp 60 Millionen Wähler den Wechsel von der parlamentarischen Republik zu einem Präsidialsystem vollenden. In der Präsidialrepublik wäre der Mann an der Spitze nicht nur Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte, sondern auch Regierungschef. Das Amt des Ministerpräsidenten würde abgeschafft. Der Systemwechsel war bei einem Referendum im vergangenen Jahr beschlossen worden, tritt aber erst mit der Neuwahl des Präsidenten in Kraft.

Anders als erwartet ist der Wahlkampf für Erdogan und seine Regierungspartei AKP kein Spaziergang. Im Gegenteil: Mehrere Umfrageinstitute sagen voraus, dass der sieggewohnte Staatschef bei der Präsidentenwahl die für einen Direktsieg nötige Marke von mindestens 50 Prozent der Stimmen verfehlen wird. In diesem Fall müsste sich Erdogan am 8. Juli einer Stichwahl gegen den stärksten Kandidaten aus der Opposition stellen. Für Erdogan, der in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten alle Wahlen eindeutig für sich entscheiden konnte, wäre das eine Demütigung, auch wenn er am Ende gewinnt.

Erdogan - wer denn sonst? Zwei Anhängerinnen des amtierenden Präsidenten bei einer Wahlkampfveranstaltung in Istanbul.
Foto: Aris Messinis, afp (Archiv)

In der AKP gehe die Angst vor einer Niederlage um, schreibt der prominente Journalist Fatih Altayli in der Zeitung Habertürk. Nur ein Wunder könne ein Debakel noch abwenden, will Altayli von frustrierten AKP-Funktionären gehört haben. Offiziell ist von mieser Stimmung natürlich keine Rede. Und doch haben wachsende Wirtschaftsprobleme, ein Absturz der Währung und eine angriffslustige Opposition die Partei zum ersten Mal seit ihrem Regierungsantritt im Jahr 2002 in die Defensive gedrängt.

Wahlen in der Türkei: Eine Sache bleibt dann doch ungewiss

Muharrem Ince, Präsidentschaftskandidat der Oppositionspartei CHP, prangert Korruptionsfälle an, um die andere Politiker bisher einen großen Bogen machten. So fordert er Aufklärung der Umstände eines Autounfalls von Präsidentensohn Burak Erdogan im Jahr 1998. Damals überfuhr Burak Erdogan eine Fußgängerin, kam aber dank eines Verkehrsgutachters ungeschoren davon; der Gutachter wurde mit einem hohen Beamtenposten belohnt.

Treue Erdogan-Wähler fürchten auch aus Sorge um ihre wirtschaftliche Situation eine Niederlage des Präsidenten. Sie sehen in ihrem Staatschef den Garanten ihres Lebensstandards. Der Konda-Studie zufolge haben die AKP-Wähler im Durchschnitt zwar ein etwas geringeres Einkommen als das Mittel der türkischen Bevölkerung, aber sie sind damit zufriedener als der Durchschnittstürke und geben zu über 80 Prozent an, damit gut auszukommen. Und während jeder zweite Türke eine Wirtschaftskrise im Land heraufziehen sieht, sind 80 Prozent der AKP-Wähler unbesorgt. „Wir haben Arbeit, Aufstiegschancen und Stabilität im Land“, sagt ein junger Mann im Istanbuler Stadtteil Maltepe. „Das haben wir alles der AKP zu verdanken, und dazu gibt es keine Alternative.“

Eine Unbekannte bleibt bei der Rechnung mit den AKP-Wählern aber bestehen, die weder in Straßeninterviews erhellt werden kann noch durch die ausführliche Studie von Konda auf über 130 Seiten. Mehr als die Hälfte aller AKP-Wähler, so stellte sich bei der Befragung durch das Meinungsforschungsinstitut heraus, stimmen ganz oder teilweise der Aussage zu: „Weil der Staat jeden willkürlich festnehmen kann, verheimliche ich meine wahre Meinung.“ Bei den Anhängern anderer Parteien ist diese Haltung naturgemäß noch weiter verbreitet.

Was die türkischen Wähler wirklich wollen, wird sich am 24. Juni herausstellen.

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