
Wenig Zustimmung und viel Skepsis zu allgemeiner Dienstpflicht

Eine von Teilen der CDU angeregte allgemeine Dienstpflicht stößt auf Skepsis - in der Partei selbst und darüber hinaus. Politiker und Experten reagieren verhalten.
Eine von Teilen der CDU angeregte allgemeine Dienstpflicht stößt in der Partei selbst und darüber hinaus auf breite Skepsis. Zwar gibt es auch Unterstützer der an der Parteibasis aufgekommenen Idee eines verpflichtenden Dienstes junger Leute in Bundeswehr oder zivilen Einrichtungen zum Nutzen der Allgemeinheit - zahlreiche Politiker und Experten zweifeln aber an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) äußerte sich wohlwollender und regte eine Volksbefragung dazu an. "Eine Dienstpflicht kann dazu beitragen, sowohl die Herausforderungen im Sozialen als auch bei der Verteidigung unseres Landes besser zu bewältigen", sagte er der Bild-Zeitung (Montag).
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter mahnt jedoch zur Vorsicht. Ein verpflichtender Gesellschaftsdienst dürfe "weder Arbeitsplätze ersetzen noch stumpfer Selbstzweck sein", gab er in Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten (Montag) zu bedenken.
Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg warnt vor "exorbitanten Kosten"
Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der einst die Abschaffung der Wehrpflicht initiiert hatte, hält eine Grundgesetzänderung für nötig und warnt vor "exorbitanten Kosten". "Die notwendigen Finanzmittel für bis zu 700.000 junge Menschen pro Jahr würden erhebliche Einschnitte in anderen Bereichen nach sich ziehen. Nicht zuletzt bei der Ausrüstung der Bundeswehr."
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), hält eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen verfassungsrechtlich im Moment für "nicht möglich". "Das fällt unter das Verbot der Zwangsarbeit", sagte er der Bild am Sonntag. Er halte es "für ziemlich unwahrscheinlich, 700.000 junge Männer und Frauen jährlich für die eine oder andere Aufgabe verpflichtend einzuziehen, so sympathisch die Idee auch klingen mag".
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Fritz Felgentreu, sieht ebenfalls erhebliche rechtliche Schwierigkeiten. "Zwangsdienste sind nach europäischem Recht menschenrechtswidrig", sagte er der Welt. Ob eine rechtskonforme Umsetzung möglich wäre, sei "völlig offen". Er beobachtet allerdings Sympathien für die Idee "in fast allen politischen Lagern". Dabei gehe es jedoch "weniger um das Stopfen von Personallücken als um Fragen des staatsbürgerlichen Bewusstseins und des gesellschaftlichen Zusammenhalts".
Auch in der FDP gibt es Befürworter. Im Gegensatz zu Parteichef Christian Lindner, der eine Dienstpflicht strikt abgelehnt hat, sagte Bremens FDP-Fraktionschefin Lencke Steiner der Bild-Zeitung: "Ich bin persönlich für ein verpflichtendes Jahr, egal ob Wehrpflicht oder soziales Jahr. Es ist wichtig, früh Verantwortung zu übernehmen und zu lernen für andere einzustehen."
CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer hatte das Thema aufgebracht
Die Diskussion war aufgekommen, nachdem die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer aus Gesprächsrunden mit der Parteibasis das Bedauern über das Ende der Wehrpflicht und den Wunsch nach einer ersatzweisen Dienstpflicht mitgebracht hatte. Eine Rückkehr zur reinen Wehrpflicht wie vor 2011 wird in den Parteien allerdings von kaum jemandem außer der AfD ernsthaft befürwortet: Zu ungeeignet erscheint sie für die Bedürfnisse einer modernen Armee.
Kramp-Karrenbauer will nun die Frage eines allgemeinen Dienstes, der gleichermaßen für Männer und Frauen offen steht, in die Diskussion für das neue CDU-Grundsatzprogramm einbringen. Dabei wäre auch zu erörtern, ob es einer Pflicht bedarf oder stärkerer Anreize für freiwillige Dienste.
Wer zur Bundeswehr will, kann sich auch bisher schon für bis zu 23 Monate verpflichten. Zudem war nach Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch des alternativen Zivildienstes der Bundesfreiwilligendienst geschaffen worden, mit Stellen im sozialen, ökologischen und sonstigen gesellschaftlichen Bereich sowie im Zivil- und Katastrophenschutz. Nach Angaben des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, sind derzeit 39.000 Freiwillige im Einsatz.
Auch er hält eine allgemeine Dienstpflicht für rechtlich fragwürdig. Statt solche "Gespensterdebatten" zu führen, müsse der Bundesfreiwilligendienst attraktiver gemacht werden, verlangte er in der Rheinischen Post (Montag). Es brauche eine Erhöhung des Taschengelds von derzeit 300 Euro pro Monat, Entlastungen bei Nahverkehrstickets und mehr Teilzeitangebote. "Wenn wir die nötige Finanzierung gesichert bekämen, könnten wir auch mehr junge Menschen beschäftigen."
Sensburg: Wer nicht zur Bundeswehr geht, soll anderswo ein Dienstjahr ableisten
"Wir brauchen die Wehrpflicht, und sie soll für Männer und Frauen gelten", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von Samstag. Wer nicht zur Bundeswehr gehe, könne sein Dienstjahr auch anderswo ableisten.
Der CDU-Abgeordnete Oswin Veith, der auch Vorsitzender des Reservistenverbandes der Bundeswehr ist, nannte in der FAZ Wahlmöglichkeiten von der Bundeswehr über das Technische Hilfswerk bis zu Diensten in der Gesundheitsversorgung und der Pflege.
CDU-Vize Thomas Strobl befürwortet solch eine zwölfmonatigen Dienstpflicht. Junge Menschen sollten die Möglichkeit bekommen, ihren Dienst auch in sozialen, ökologischen oder kulturellen Einrichtungen zu leisten - in Deutschland oder in anderen Ländern, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montagsausgaben).
Ähnlich argumentierten die Junge Union und die Mittelstandsvereinigung (MIT) der Union, die sich in der Bild am Sonntag für die Einführung eines "verpflichtenden Gesellschaftsjahres" für alle Schulabgänger aussprachen. Eine Debatte darüber sei "längst überfällig", sagte JU-Chef Paul Ziemiak. Die Idee solle auch beim CDU-Parteitag im Dezember diskutiert werden.
Wiedereinführung der Wehrpflicht "ein Zurück ins letzte Jahrhundert"
Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, kritisierte, eine Wiedereinführung der Wehrpflicht wäre "ein Zurück ins letzte Jahrhundert". Tobias Lindner, Sprecher für Sicherheitspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, warf der CDU vor, sie wolle mit dieser "absurden Forderung" davon ablenken, "dass sie für das Personal- und Ausrüstungsdesaster bei der Bundeswehr verantwortlich ist".
Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, warnte, allein der Wiederaufbau der Infrastruktur würde "horrende Summen verschlingen", die an anderer Stelle besser genutzt werden könnten.
Auch der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, hat die Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht scharf kritisiert. "Ich verstehe diese ganze Diskussion nicht mehr", sagte Kujat dem Kölner Stadt-Anzeiger vom Montag. Es werde "eine neue Sau durchs Dorf getrieben".
Zwar habe er die "abrupte Entscheidung" zur Aussetzung der Wehrpflicht für falsch gehalten, er sei auch ein "Freund" der Wehrpflicht, sagte Kujat. Er halte aber die Ankündigungen für "substanzlos", weil es letztlich Ankündigungen bleiben würden. "Die ganze Diskussion führt zu nichts."
Es fehle "die politische Bereitschaft, der Bundeswehr die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie das tun kann, was wir von ihr verlangen", kritisierte Kujat. "Und die Wehrpflicht allein macht es da auch nicht." (AZ, dpa, afp)
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