Deckel drauf und zu in Morsleben
Der Salzstock in Morsleben soll komplett mit Beton verfüllt werden. Die Endlagersuche geht weiter.
Ab Donnerstag haben die Bürger das Wort. Vier Wochen lang können die Betroffenen sowie die am Verfahren beteiligten Verbände im Rahmen einer öffentlichen Erörterung in der Motorsportarena Oschersleben in Sachsen-Anhalt ihre Einwände und Bedenken gegen die endgültige und dauerhafte Verschließung des Atommüllendlagers in Morsleben vortragen.
Das Projekt ist umstritten, nicht nur wegen der geschätzten Gesamtkosten von bis zu 2,3 Milliarden Euro, sondern auch wegen der geologischen Probleme in dem früheren Kali- und Steinsalzbergwerk im sachsen-anhaltinischen Landkreis Börde nahe der früheren innerdeutschen Grenze. In rund 500 Meter Tiefe lagern knapp 37000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle, die sowohl aus Atomkraftwerken der DDR wie nach der Wiedervereinigung auch aus Meilern der Bundesrepublik stammen.
Und wie in der nahegelegenen Asse bei Braunschweig tritt aus dem Salzstock Wasser aus, weswegen das Endlager schon seit Jahren aufwendig stabilisiert und abgedichtet werden muss. So wurden zwischen 2003 und 2011 in dem Teil der Grube, in dem keine Abfälle lagern, fast eine Million Tonnen Salzbeton eingebracht, um einen Einsturz zu verhindern. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), das das Endlager betreibt, will nun den gesamten weitverzweigten Salzstock mit Salzbeton verfüllen.
„Durchlöchert wie Schweizer Käse“
Kritiker lehnen dagegen die Methode „Deckel drauf und zu“ als zu gefährlich ab. Der Salzstock sei von porösen und leicht wasserlöslichen Gesteinsschichten durchzogen und daher „durchlöchert wie ein Schweizer Käse“, gleich mehrere Gefährdungsfaktoren wie mangelnde Standsicherheit, Wasserzuflüsse und tektonische Verschiebungen würden sich gegenseitig beeinflussen und verstärken, bemängeln örtliche Umweltschützer und Kernkraftgegner.
Sylvia Kotting-Uhl, die atompolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, zeigt dagegen gegenüber der Augsburger Allgemeinen Verständnis für die geplante Verfüllung. „Eine wirklich befriedigende Lösung für Morsleben gibt es nicht mehr“, sagt die badische Abgeordnete. „Man muss nun unter den gegebenen Umständen das Beste aus dem machen, was uns die Regierung Kohl in den neunziger Jahren eingebrockt hat.“ Im Gegensatz zur Asse, wo nur die Rückholung des Atommülls langfristige Sicherheit bieten könne, sei in Morsleben tatsächlich der Verschluss die beste Lösung, „weil die Rückholung gewaltige Risiken birgt“.
Angela Merkel setzte 1994 die Wiederöffnung durch
1971 entschied die Regierung der DDR, das frühere Salzbergwerk als Endlager für radioaktive Abfälle zu nutzen, obwohl es schon damals massive Sicherheitsbedenken gegen den Salzstock gab. Zwischen 1978 und 1991 wurden insgesamt 14500 Kubikmeter aus den Atomkraftwerken Rheinsberg und Lubmin, dem Kernforschungszentrum Rossendorf und dem Zwischenlager Lohmen eingelagert. Nach mehrjähriger Pause setzte die damalige Umweltministerin und heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durch, dass Morsleben wieder geöffnet wurde, obwohl Experten vor einem Weiterbetrieb warnten. Mitarbeiter des Bundesamtes für Strahlenschutz und die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hielten die Anlage nicht für geeignet, dauerhaft Atommüll zu lagern.
Gleichwohl wurden zwischen 1994 und 1998 noch einmal 22.300 Kubikmeter Atommüll aus westdeutschen Atomkraftwerken eingelagert. Erst nach einer erfolgreichen Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) wurde 1998 die Einlieferung von Atommüll gestoppt.
Mit der endgültigen Schließung und Verfüllung des Salzstocks steht eines definitiv fest: Morsleben kann nicht mehr Standort für ein potenzielles Endlager werden. So dürfte sich die weitere Suche nach Expertenmeinung entweder auf das bereits bestehende Erkundungsbergwerk im Salzstock Gorleben oder auf Tonsteinformationen in der Schwäbischen Alb konzentrieren.
Die Diskussion ist geschlossen.