Demonstranten halten Wahl für gefälscht
Trotz massiver Polizeikontrollen haben sich am Sonntag erneut Demonstranten an verschiedenen Vierteln der iranischen Hauptstadt Teheran versammelt. Lautstark machten sie deutlich, dass sie die Wahl als manipuliert ansehen.
Teheran (dpa) - Die Lage im Iran hat sich nach der Wiederwahl deserzkonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zugespitzt.Zehntausende Anhänger feierten Ahmadinedschad am Sonntagnachmittag beieiner Siegesfeier in Teheran und schwenkten Fahnen.
Anhängerdes unterlegenen Reformpolitikers Mir Hussein Mussawi protestiertendagegen zu Tausenden gegen den "Wahlbetrug". Mussawi selbst forderte,die Präsidentenwahl vom Freitag wegen Unregelmäßigkeiten zu annullieren.
Trotzmassiver Polizeikontrollen versammelten sich laut Augenzeugen auch amSonntag erneut Demonstranten in verschiedenen Vierteln Teherans. DieAnhänger Mussawis skandierten "Tod dem Diktator" und "Wir wollen unsereStimmen zurück". Sie warfen den Behörden vor, die Wahlen manipuliert zuhaben und Ahmadinedschad so wieder zum Sieg verholfen zu haben.
EinMitarbeiter des US-Nachrichtensenders CNN berichtete, AnhängerAhmadinedschads machten in Teheran mit Motorrädern Jagd aufoppositionelle Demonstranten. Sie seien mit Metallstangen bewaffnet,sagte der Journalist. Auch unbeteiligte Passanten seien von den etwadrei Dutzend Motorradfahrern gejagt worden. Er habe auch Schüssegehört, sagte der CNN-Mitarbeiter weiter.
Nach Angaben derPolizei wurden seit Beginn der Proteste am Samstag 60 Menschenfestgenommen, 50 Demonstranten und zehn Organisatoren. WeitereFestnahmen würden folgen, warnte der stellvertretende Polizeichef AhmadRadan, wie die staatliche Nachrichtenagentur IRNA am Sonntag berichtete.
Beiden schwersten Unruhen seit den Studentenprotesten vor zehn Jahrenlieferten sich Demonstranten am Samstag Straßenschlachten mit derPolizei. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Schlagstöcke gegensteinewerfende Demonstranten ein. Fahrzeuge, Mülltonnen und Reifenwurden in Brand gesteckt. Es gab mehrere Verletzte.
Unter demJubel seiner Anhänger verteidigte Ahmadinedschad bei seiner Siegesfeierdie Wahl als fair und gerecht. Manipulationsvorwürfe wies er erneutzurück. Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo nur zwei oder drei Parteiendas Sagen hätten, gebe es im Iran eine echte Demokratie.
Beieiner Pressekonferenz am Sonntag bekräftigte Ahmadinedschad, dass es inder Atompolitik seines Landes keine Änderung geben werde. "DieVerhandlungen über die Atomfrage sind Vergangenheit", sagte er mitBlick auf die Forderung des Westens nach einer Einstellung derUrananreicherung. Allerdings sei er zu direkten Gesprächen mit US-Präsident Barack Obama bereit, sagte Ahmadinedschad. Die internationaleGemeinschaft verdächtigt den Iran, unter dem Deckmantel der zivilenNutzung der Atomenergie heimlich am Bau der Atombombe zu arbeiten.
Internationalstieß Ahmadinedschads Wiederwahl auf ein eher verhaltenes Echo. DieUSA, die wie europäische Länder auch auf einen Sieg Mussawis gehoffthatten, reagierten zurückhaltend. Die EU zeigte sich besorgt angesichtsdes Ausbruchs von Gewalt in Teheran und Vorwürfen vonUnregelmäßigkeiten. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußertesich kritisch.
Israel betonte die Gefahr einer nuklearenBedrohung durch den Erzfeind. "Die Vereinigten Staaten und die freieWelt müssen die Politik in Bezug auf die nuklearen Ambitionen Teheransüberdenken", sagte Vize- Ministerpräsident Silvan Schalom in Jerusalem.
Erhabe die Wahl klar gewonnen, betonte Ahmadinedschad. Der Präsidentkritisierte erneut ausländische Medien für ihre Berichterstattung. Dasändere aber nichts daran, dass die große Mehrheit der Iraner ihn amFreitag wiedergewählt habe, sagte Ahmadinedschad. Nach offiziellenAngaben wurde er mit 62,63 Prozent im Amt bestätigt, Mussawi erhieltdanach 33,75 Prozent der Stimmen. Zuvor war von einemKopf-an-Kopf-Rennen ausgegangen worden. Die Wahlbeteiligung lag beieinem Rekordwert von 85 Prozent.
Bei der Siegesfeier am Sonnntagattackierte Ahmadinedschad den Westen. Im Gegensatz zu anderen Ländern,wo nur zwei oder drei Parteien das Sagen hätten, gebe es im Iran eineechte Demokratie, rief Ahmadinedschad seinen Anhängern zu. Zudem würdendie Politiker im Ausland um Homosexuelle und anderen "Bodensatz"buhlen, um "ein paar Prozent" mehr Stimmen zu bekommen.
InternationaleMedien beklagten erhebliche Behinderungen. Die Chefredakteure von ARDund ZDF, Thomas Baumann und Nikolaus Brender, protestierten beimiranischen Botschafter in Deutschland gegen massive Einschränkungen beider Berichterstattung über die Wahl. Das iranische Innenministeriumwies am Sonntag den arabischen Fernsehsender Al-Arabija an, sein Büroin Teheran eine Woche lang zu schließen. Ein Grund für die Entscheidungwurde nicht genannt. Ein Kameramann des öffentlichen italienischenFernsehens RAI 3 wurde von der Polizei mit Schlagstöcken am Rückenverletzt. Der Sender beklagte einen "inakzeptablenEinschüchterungsversuch".
Auch sonst gab es starke Behinderungen.Zeitweise konnten Nutzer in Teheran weder mit Handys telefonieren nochSMS-Kurznachrichten verschicken. Oppositionelle befürchteten, dass dasInternet komplett lahmgelegt werden könnte. Das von Mussawi-Anhängernzur Koordinierung ihrer Aktivitäten genutzte soziale Netzwerk Facebookwurde blockiert.
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