Der Friseurbesuch von Nancy Pelosi wird zur Staatsaffäre
Nancy Pelosi ist eine erbitterte Gegnerin von Donald Trump. Nun hat der Präsident etwas gegen sie in der Hand. Ein Friseurbesuch sorgt für Wirbel.
Der Videoclip ist gerade einmal zehn Sekunden lang. Eine ältere Dame mit schwarzem Friseurkittel und nassem Haar geht von einem Raum in einen anderen. Die Maske hängt unter ihrem Kinn. Mit ein paar Schritten Abstand folgt ein Stylist mit Maske. Andere Kunden sind nicht zu sehen. Die Aufnahme stammt von einer Überwachungskamera aus dem „eSalon“ im schicken Cow-Hollow-Bezirk von San Francisco. Laut ihrer Internetseite sind die „Annehmlichkeit und Zufriedenheit“ der Kunden das wichtigste Ziel von Eigentümerin Erica Kious. Doch an diesem Montag war das anders. Da ließ sich nämlich Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, ihre Haare schneiden. Das gefiel Kious offenbar gar nicht. Jedenfalls spielte sie das Video dem rechten Sender Fox News zu. Ein Geschenk für den Präsidenten.
USA: Friseure dürfen Kunden wegen der Corona-Krise nur auf der Straße bedienen
„Eine ganz große Sache“, empörte sich Präsident Donald Trump umgehend. Seitdem liegt sich das halbe Land in den Haaren – und der Scheitel verläuft, rein zufällig natürlich, exakt entlang der Parteilinien von Republikanern und Demokraten. Die große Sache ist nämlich: Offiziell ist der „eSalon“ geschlossen – und zwar aufgrund eines Erlasses des demokratischen Gouverneurs von Kalifornien, Gavin Newsom. Wegen der hohen Zahl von Covid-Infektionen in San Francisco, wo bislang bereits 9600 Fälle registriert wurden, mussten die Friseure dort im März schließen. Neuerdings dürfen sie Kunden bedienen – allerdings nur draußen auf der Straße. Kein Wunder, dass die Aufregung über die prominente Kundin so groß ist. Doch ganz so einfach ist die Geschichte nicht.
Dass die haarige Angelegenheit binnen weniger Stunden zu einer kleinen Staatsaffäre hochschießen konnte, in die sich ein Präsident mit mehreren Tweets einschaltet und ein Coiffeur einen Anwalt bemüht, lässt sich nur mit der extrem polarisierten Stimmung in den USA erklären, wo inzwischen alles Private hochpolitisch ist, heimliche Bild- und Tonaufnahmen zur Belastung von Andersdenkenden üblich geworden sind und sich die Nummer Eins des Landes im Weißen Haus sowie die Nummer Drei im Parlament in gegenseitiger Verachtung zugetan sind.
Mit ihrer scharfen Zunge und ihrem selbstbewussten Auftreten ist Pelosi für viele Republikaner eine regelrechte Hassfigur. Die vermögende 80-Jährige stammt aus dem klassischen linksliberalen Westküsten-Establishment, hat den Präsidenten mehrfach lächerlich gemacht und einmal demonstrativ seine Rede zerrissen. „Die verrückte Nancy“, nennt Trump seine Gegenspielerin nur und karikiert sie als durchgeknallte Radikale. Während ihre Partei die Geschäfte schließe und das Maskentragen predige, verstoße Pelosi dagegen, wetterte er nun.
Nancy Pelosi verweist nach Kritik an ihrem Friseurbesuch auf Zusage des Salons
Pelosi stellt den Vorgang anders dar. Demnach hat ihr der Salon zugesagt, dass er eine Ausnahmegenehmigung besitze, Kunden einzeln zu bedienen: „Wie sich jetzt herausstellt, war das eine Falle.“ Tatsächlich vermietet Salonbesitzerin Kious ihre Stühle an selbstständige Stylisten. Mit einem von ihnen machte eine Pelosi-Mitarbeiterin den Termin. Der Mann hat sich inzwischen einen Anwalt genommen. Nach dessen Aussage fragte der Figaro bei der Salonbesitzerin zunächst nach, wie er sich verhalten soll. Inhaberin Kious soll „mehrere giftige und aufstachelnde Kommentare“ über Pelosi gemacht haben, den Termin aber ausdrücklich gebilligt haben.
Nicht nur vor diesem Hintergrund wirkt die Empörung, die Kious anschließend bei Fox News zur Schau stellte, fragwürdig. Nach Angaben des Anwalts bietet die 44-Jährige bereits seit April heimlich Friseur-Dienstleistungen in ihrem Salon an. Die freiberuflichen Stylisten soll sie „aktiv ermuntert und fast gezwungen“ haben, den Kunden die Haare zu schneiden. Auch davon soll es Fotos und Videos geben, auf denen Kious zudem keine Maske trägt. „Erica ist eine Despotin und eine Trump-Kumpanin“, schreibt eine langjährige Kundin auf einem Internetportal. Genügend Stoff für die nächste Folge dieser Geschichte....
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