Der brutale Konflikt in Libyen könnte zum Stellvertreterkrieg werden
Ausländische Waffen und Soldaten lassen den Bürgerkrieg in Libyen weiter eskalieren - obwohl eine UN-Konvention das Söldnertum verbietet.
Als äußerst brutale Kämpfer verbreiteten die Mitglieder der Janjaweed-Miliz vor 15 Jahren in Darfur im Westen des Sudan Angst und Schrecken. Jetzt taucht die Gruppe wieder auf – und zwar im Nachbarland Libyen. Mit Flugzeugen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) seien Janjaweed-Truppen aus dem Sudan nach Libyen geflogen worden, berichtete die Menschenrechtsorganisation Euro-Med kürzlich. Die VAE unterstützen in Libyen den Rebellengeneral Khalifa Haftar im Krieg gegen die von den UN anerkannten Einheitsregierung. Mehr als 1500 Sudanesen kämpfen laut Medienberichten inzwischen für Haftar, der zuletzt dank der Unterstützung militärische Erfolge verbuchen konnte. Die VAE, die den Berichten zufolge für den Einsatz der Janjaweed bezahlt, sind nicht der einzige ausländische Akteur, der seine Interessen in Libyen mit der Hilfe von Söldnern durchsetzen will.
In Interviews mit der britischen Zeitung Guardian berichteten sudanesische Kämpfer, sie betrachteten sich selbst als Söldner, die für eine bestimmte Zeit in Libyen eingesetzt würden, anschließend aber in ihre Heimat zurückkehren wollten. "Es kommen eine Menge junger Männer", sagte ein sudanesischer Kommandeur in Libyen der Zeitung "Wir wissen überhaupt nicht, wie wir sie unterbringen sollen." Laut Euro-Med erhalten die Janjaweed einen Sold von umgerechnet etwa 20 Euro im Monat.
Die Türkei könnte ihr Engagement noch ausweiten
Wesentlich besser bezahlt sind Milizionäre aus Syrien, die von der Türkei ausgebildet und nach Libyen geschickt werden, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete. Die Milizionäre von pro-türkischen Gruppen im Norden Syriens erhalten demnach bis zu 2500 Dollar für einen sechsmonatigen Einsatz. Anders als die VAE steht Ankara auf der Seite der Einheitsregierung – die Syrer könnten also auf dem Schlachtfeld auf die Janjaweed treffen. Und die Türkei schickt sich an, ihr Engagement noch auszuweiten. Das Parlament beschloss mit den Stimmen der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan und ihrer nationalistischen Partnerin MHP für ein Jahr die Erlaubnis für eine Militärintervention in Libyen zu geben. Offenbar sollen zunächst aber lediglich Luftabwehrraketen und Militärausbilder in das nordafrikanische Land geschickt werden, keine Kampftruppen.
Russische Söldner kämpfen für die Rebellen
Kein Zweifel besteht an der Anwesenheit russischer Söldner in Libyen, die wie die Janjaweed für Haftar kämpfen. Nach einer Schätzung westlicher Regierungsvertreter sind seit September rund 1000 Kämpfer der russischen Sicherheitsfirma Wagner in Syrien eingetroffen. Die Regierung in Moskau bestreitet den Söldner-Einsatz in Libyen, doch laut Experten wären die Wagner-Leute ohne grünes Licht aus dem Kreml kaum dort aktiv. Söldner des Unternehmens wurden bereits in der Ukraine und in Syrien eingesetzt. Beim Vorstoß eines Wagner-Trupps in den amerikanisch kontrollierten Osten Syriens wurden im Frühjahr 2018 hunderte russische Kämpfer von der US-Luftwaffe getötet. Trotz der Opfer gab es damals keine große Krise zwischen den USA und Russland – beide Länder behandelten den Fall diskret. Die beteiligten Staaten können sich von Söldner-Einsätzen leicht distanzieren. Ausländische Akteure können ihren Einfluss in einem Land wie Libyen mithilfe der Söldner wahren oder ausweiten, ohne direkt für das Blutvergießen verantwortlich gemacht werden zu können. Außerdem müssen sie keine Soldaten ihrer regulären Armeen opfern. Für Konfliktparteien wie die in Libyen sind die ausländischen Kämpfer aus mehreren Gründen willkommen. Zum einen können Haftar und die Einheitsregierung in Tripolis die jeweils eigenen Truppen verstärken, ohne dafür bezahlen zu müssen – die Rechnung übernehmen die jeweiligen ausländischen Unterstützer. Zum anderen bringen die Profis aus dem Ausland häufig viel Erfahrung und eine moderne Ausrüstung mit.
Die Gefahren der Söldner-Einsätze scheinen niemanden zu stören
Keiner der Beteiligten scheint sich an den Schattenseiten des Söldner-Einsatzes zu stören. Der Konflikt in Libyen wird durch die Privat-Soldaten unberechenbarer, was für andere Brandherde in der Region schwere Folgen haben könnte. Wenn Söldner zur Verfügung stehen, sinkt die Schwelle für den Waffeneinsatz. Unheilvoller Trendsetter für die Entwicklung ist die US-Firma Blackwater, deren Söldner nach der Irak-Invasion von 2003 schwere Menschenrechtsverletzungen begingen: Im Jahr 2007 töteten sie 17 Zivilisten in Bagdad. Obwohl eine UN-Konvention seit dem Jahr 2001 das Söldnertum verbietet, geht der Einsatz der Privat-Soldaten weiter. Länder wie die USA, Russland oder China haben die Konvention nicht unterzeichnet.
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