Detektive kontrollieren Hartz-IV-Empfänger
Die Jobcenter kämpfen gegen den Sozialmissbrauch durch Hartz-IV-Empfänger. Dafür schickten sie sogar Detektive los. Doch nach heftiger Kritik bahnt sich eine Kehrtwende an.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Bundesagentur für Arbeit (BA) haben auf den Vorwurf, "Hartz IV"-Empfänger zu überwachen, reagiert. Ein umstrittener Passus in einer Dienstanweisung an die BA soll nun gestrichen werden, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme vom Donnerstag.
"Observationen von Leistungsempfängern waren auch bislang keine gängige Praxis und sind nur in wenigen Ausnahmefällen bei schwerem Missbrauchsverdacht eingesetzt worden", räumten das Ministerium und die Behörde ein. Dabei wiesen sie auf die gesetzliche Pflicht der BA hin, Leistungsmissbrauch zu bekämpfen.
Die Bundesagentur habe jedoch das Ziel, "in persönlichen Gesprächen Verdachtsmomente abschließend zu recherchieren".
Deutliche Kritik an den Vorkommnissen äußerte der Bundesdatenschutzbeauftrage Peter Schaar. Es sei nicht zutreffend, dass die BA ihn über die neuen Regeln informiert habe, stellte Schaar am Donnerstag klar. "Wegen der erheblichen Intensität solcher Eingriffe ist es fragwürdig, ob hierfür derzeit überhaupt eine Rechtsgrundlage besteht.
Heimliche Überwachungsmaßnahmen kommen allenfalls als ultima ratio in Betracht und bedürfen klarer rechtlicher und verfahrensmäßiger Begrenzungen", betonte Schaar die seit dem 20. Mai geltende Vorschrift weiter. In seiner Pressemitteilung begrüßte der Datenschutzbeauftragte zugleich die Absicht des Ministeriums und der BA, den entsprechenden Passus zu streichen.
Der Diskussion vorausgegangen war die Information der BA, dass Jobcenter im Kampf gegen Sozialmissbrauch von Hartz-IV-Empfängern bei besonders schwerwiegenden Fällen auch Detektive einsetzen würden.
Im bestimmten Fällen würden zudem Erkundigungen bei Banken, Bildungsträgern und Nachbarn über Verdächtige eingeholt, berichtete die Bundesagentur für Arbeit (BA) auf Anfrage. Die Kontrollen seien seit Jahren üblich.
Die BA-Sprecherin hatte mit der Aussage auf jüngste Vorwürfe des Erwerbslosenforums Deutschland in Bonn reagiert. Dieses hatte der BA vorgehalten, bei der Kontrolle Verdächtiger verstärkt zu "nachrichtendienstlichen Methoden" zu greifen. Damit maße sich die Bundesagentur Kompetenzen an, die selbst Strafermittlungsbehörden nicht besäßen.
"Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, Leistungsmissbrauch zu bekämpfen", sagte eine BA-Sprecherin in Nürnberg. Jedes Jobcenter verfüge zu diesem Zweck über einen Außendienst, der Verdachtsfällen nachgehe und auch Betroffene in ihrer Wohnung aufsuche. Zudem würden Banken nach den Vermögensverhältnissen der Hartz-IV-Empfänger befragt. Ebenso komme es vor, dass bei Nachbarn oder Bildungsträgern Erkundigungen über Verdächtige eingeholt würden.
Ausgelöst wurde die jüngste Debatte, nachdem die Bundesagentur am 20. Mai eine ältere Handlungsempfehlung für Hartz-IV-Kontrollen für verbindlich erklärt hatte. Damit liege es nicht mehr im Ermessen eines Jobcenters, wie es bei einem Verdacht auf Leistungsmissbrauch vorzugehen habe, erläuterte eine BA-Sprecherin. "Die Kontrollen werden dadurch aber nicht zunehmen. In einem Punkt haben wir die früheren Handlungsempfehlungen sogar abgeschwächt: Observationen sind jetzt nur noch mit Zustimmung des Jobcenter-Leiters möglich."
Die Umwandlung der Handlungsempfehlung war notwendig geworden, weil der Bundesrechnungshof den Katalog in einem Prüfbericht als zu unverbindlich gerügt habe. Daraufhin habe sich die Bundesagentur in enger Abstimmung mit dem Bundesarbeitsministerium dazu entschlossen, dem Empfehlungskatalog eine größere Verbindlichkeit zu geben, sagte die BA-Sprecherin. Auch an dem Katalog selbst habe das Berliner Ministerium mitgearbeitet. Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums erklärte am Donnerstag: "Wir prüfen das gerade und sind im Gespräch mit der BA".
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