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Interview
02.02.2020

Diakonie-Chef warnt Koalition vor Wortbruch im Kampf gegen Einsamkeit

Ulrich Lilie, 62, hat ein Rezept gegen Einsamkeit: „Wir müssen schauen, dass wir echte zwischenmenschliche Kontakte haben.“
Foto: Thomas Meyer/OSTWERK

Exklusiv Diakonie-Chef Ulrich Lilie warnt vor einer zunehmenden Vereinsamung mitten in der Gesellschaft.

Herr Lilie, die Diakonie widmet sich verstärkt dem Thema Einsamkeit. Vielleicht klären wir erst einmal, wie sich Einsamkeit definiert. Wer alleine ist, ist nicht automatisch einsam, oder?

Ulrich Lilie: Einsamkeit ist ungewolltes Alleinsein. Die Statistiken belegen, dass 55 Millionen Menschen in Europa sozial isoliert leben. Aber nicht alle sind unbedingt einsam. 30 Millionen sagen, dass sie sich einsam fühlen. Das zeigt, dass man ungewollt allein sein kann, weil man isoliert lebt. Aber genauso kann man sich allein fühlen, obwohl man objektiv von vielen Menschen umgeben ist. Die Zahlen sind schon alarmierend. Viele Fachleute reden inzwischen von der verborgenen Epidemie. Das ist ein Thema, um das wir uns unbedingt kümmern müssen. Denn es ist bekannt, dass Einsamkeit ein Gesundheitsrisiko ist.

Auf welche Weise macht Einsamkeit den Menschen krank?

Lilie: Wir wissen aus der Stress- und Gehirnforschung, dass Einsamkeit auf die gleichen Zentren wirkt, wie das Schmerzempfinden. Einsamkeit ist ein genauso starker Risikofaktor wie etwa Fettleibigkeit oder dauerhaftes Rauchen. Gleichzeitig ist es auch ein erheblicher Risikofaktor in der psychischen Entwicklung. Immer mehr Menschen leben ja in Einpersonenhaushalten, in Deutschland sind es rund 20 Prozent. Und es gibt Studien, nach denen Menschen, die in dieser Situation leben, ein um das eineinhalb- bis zweifach höheres Risiko haben, an einer Depression zu erkranken oder auch an Schizophrenie. Und bei älteren Leuten steigt das Risiko für Demenzerkrankungen. Manche sagen da, „mach Sudoku“, doch das ist eben nicht das Richtige. Es geht darum Kontakt mit anderen zu haben, sich auszutauschen und etwas mit anderen zu unternehmen.

Aber das müssten schon Leute sein und nicht Pflegeroboter, oder?

Lilie: Es müssen Menschen sein, echte Kontakte von Angesicht zu Angesicht. Es ist ja ein altes Wissen in unserer christlichen Tradition, dass man Christ nicht allein sein kann. Der Einzelne ist ein Gemeinschaftswesen. Der jüdische Philosoph Martin Buber sagt dazu: Am Du wird der Mensch zum Ich.

Betrifft Einsamkeit hauptsächlich ältere Menschen?

Lilie: Nein, und es ist dramatisch, dass gerade auch bei den Jungen die empfundene Einsamkeit steigt, dass etwa immerhin fünf Prozent der Elf- bis 17-Jährigen sagen, sie fühlen sich allein. Dabei entwickeln wir uns doch durch Vorbilder und Freundschaften. Wenn ich das als junger Mensch nicht habe, ist das für meine Entwicklung eine Katastrophe.

Die sogenannten Sozialen Netzwerke versprechen zwar Zweisamkeit und Gesellschaft, aber so richtig scheint das nicht zu funktionieren? Oder sind Facebook, Twitter und Co. womöglich gar der Grund, dass auch Jugendliche von Einsamkeit betroffen sind?

Lilie: Das glaube ich nicht und wir sollten da auch nicht mit Schwarz und Weiß argumentieren. Wir wissen zum Beispiel aus der Arbeit der Telefonseelsorge, dass gerade die Jüngeren immer häufiger per E-Mail oder Chat Hilfe suchen. Aber wir müssen auch schauen, dass wir echte zwischenmenschliche Kontakte haben. Wir sind biologisch auf Gemeinschaft angelegt. Wenn das wegfällt und wir nur noch im Netz sind, dann wird es eine Katastrophe. Jugendliche, die nur in Chats oder Ballerspielen unterwegs sind, steuern direkt in die soziale Isolation, sie merken gar nicht, wie einsam sie werden. Dazu kommt: wir leben ja in einer sehr anspruchsvollen Gesellschaft. Jeder muss heute etwas Besonderes sein, das misst sich dann an der Zahl der Follower in sozialen Medien. Aber Jesus hatte Freunde und keine Follower.

Welche Faktoren spielen beim Anstieg der Einsamkeit noch eine Rolle?

Lilie: Es gibt einen großen Trend in die Städte, das führt dazu, dass auf dem Land viele Alte allein zurückbleiben. Aber auch viele, die in die Städte gehen, finden dort eben nicht die Kontakte, die sich wünschen. Die Leute, die mit im Haus wohnen, arbeiten woanders, im Treppenhaus begegnet man sich kaum. Und auch das geänderte Einkaufsverhalten führt zu mehr Einsamkeit. Viele kaufen nur noch im Netz, niemand trifft sich mehr im Tante-Emma-Laden um die Ecke. Die klassischen Orte, an denen man sich trifft, die gibt es nicht mehr. Das ist auch eine Herausforderung für Stadtplaner. Wir brauchen gemeinsame öffentliche Orte für Veranstaltungen, Stadtteilzentren, Stadtteilbibliotheken oder Museen und Schwimmbäder. Es geht darum, unterschiedliche Gruppen von Menschen zusammenzubringen. Und auf dem Land müssen wir die Leute dorthin bringen, wo etwas geschieht und neue Netzwerke schaffen.

Welche Rolle spielt dabei die Kirche?

Lilie: Beim Organisieren von Gemeinschaft können auch wir als Diakonie und Kirche noch deutlich besser werden. Noch sind wir ja in der Fläche vertreten und können uns für die immer unterschiedlicher werdenden Menschen öffnen. Und die Herausforderungen an Netzwerke der Zugehörigkeit sind im ländlichen Franken ganz andere, als im Ruhrgebiet. Da müssen die Menschen vor Ort zusammen den richtigen Weg finden, da gibt es kein Patentrezept. Ein konkreter Ansatz ist etwa auch der Ausbau von Freiwilligenzentralen. Viele Menschen suchen ja nach Möglichkeiten, sich einzubringen. Wir werden dieser Epidemie der Einsamkeit als Kirchen aber auch nicht alleine Herr werden. Da braucht es eine gemeinsame Anstrengung von Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik.

Manche Länder scheinen dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Die britische Regierung etwa hat 11,5 Millionen Pfund für einen Fonds zur Verfügung gestellt, um Projekte gegen Einsamkeit zu unterstützen. Sogar ein Ministerium für Einsamkeit gibt es bei den Briten. Ein Vorbild für Deutschland?

Lilie: Zumindest ist Einsamkeit dem Verantwortungsbereich des Ministeriums für Sport und Zivilgesellschaft zugewachsen. Es wäre sicher sinnvoll darüber nachzudenken, ob das bei uns eine Aufgabe für das Bundesfamilienministerium wäre. Aber auch das Bundesgesundheitsministerium ist angesprochen. Zudem reden wir gerade intensiv über die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, da liegt die Zuständigkeit beim Innenministerium. Es geht darum, dass das Thema Einsamkeit als Querschnittsthema ressortübergreifend und über ein breites Netzwerk gut koordiniert angepackt wird. Nur einen neuen Beauftragten zu schaffen, wird der Herausforderung nicht wirklich gerecht. Auch die Ministerien müssen also aus ihrer Vereinsamung herausfinden. Wir brauchen eine abgestimmte Strategie und einen langen Atem.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist vereinbart, Strategien und Konzepte zu entwickeln, die der Einsamkeit in allen Altersgruppen vorbeugen und die Vereinsamung bekämpfen. Die Bundesregierung prüft derzeit, inwieweit bisherige Strategien und Konzepte hierzu ausreichen. Diese Prüfung ist offenbar nicht beendet. Reicht Ihnen das, was die Bundesregierung macht?

Lilie: Bisher ist zu wenig passiert, und das muss sich nun ändern. Wir brauchen eine breite Debatte zwischen allen Beteiligten aus Politik und Wohlfahrtsverbänden. Denn wenn wir im Kampf gegen die Einsamkeit nicht vorankommen, werden wir erleben, wie sich die Kliniken und Psychiatrien mit kranken Menschen füllen. Wir werden weniger Menschen haben, die im Erwerbsleben stehen und das bedeutet auch einen hohen volkswirtschaftlichen Schaden. Auch der gesellschaftliche Zusammenhalt wird leiden. Menschen, die sich einsam oder abgehängt fühlen, sind empfänglicher für extreme Parteien, die etwa Ausländer als Sündenböcke abstempeln.

Wie hängen die wachsende Einsamkeit und der Rückgang familiärer Bindungen zusammen?

Lilie: Familie war noch nie ein Idyll , und man kann sich auch sehr einsam fühlen, wenn drei Generationen unter einem Dach leben. Es gab auch früher schon Einsamkeit. Aber die Individualisierung verstärkt das Risiko, dass man an die Abbruchkante kommt und plötzlich nicht mehr dazu gehört. Heute gibt ein Drittel gutqualifizierter Menschen mit guten Chancen die Trends vor. Da sind auch die mit den Tausenden von Followern im Internet dabei. Wer da nicht mit im Bus sitzt, weil er oder sie nicht besonders sein kann oder darf, fühlt sich schnell nicht mehr zugehörig, am Ende einsam. Früher war die Mitte stärker ausgeprägt, und die zerbröselt gerade. So fühlen sich viele auch politisch verlassen.

Vielen Menschen fehlt schlicht das Geld, um sich mal ins Café zu setzen oder ins Theater zu gehen. Ist Einsamkeit auch ein finanzielles Problem?

Lilie: Ja, vieles deutet etwa darauf hin, dass Langzeitarbeitslosigkeit und Einsamkeit eng zusammenhängen. Auch alleinerziehende Mütter sind oft betroffen, sie kümmern sich um ihre Kinder und um die Arbeit, viele haben dann schlicht nicht mehr die Kraft, ihre eigenen Sozialkontakte zu pflegen. Und natürlich hat das mit den finanziellen Möglichkeiten zu tun, deshalb müssen wir auch über die Regelsätze reden. Auch die Möglichkeit, sich etwa in einem Verein zu engagieren, zählt zu den menschlichen Grundbedürfnissen.

Was raten Sie Menschen, die sich einsam fühlen?

Lilie: Scheuen Sie sich bitte nicht, darüber zu reden. Es ist ehrenwert, das zu thematisieren. Suchen Sie bei Wohlfahrtsverbänden, Vereinen, Kirchen oder kommunalen Einrichtungen einen Ort, wo Sie das ansprechen können. Haben Sie den Mut, Ihre Einsamkeit zu thematisieren.

Zur Person: Der evangelische Theologe Ulrich Lilie, 1957 in Rhumspringe (Niedersachsen) geboren, ist seit 2014 Präsident der Diakonie Deutschland. Seit 2017 leitet er zudem das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung.

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