Die Bahn offenbart ihre alten Schwächen
Mit Überheblichkeit reagierte die Bahn auf die neuesten Pannen. Der Ausfall der Klimaanlagen in mehreren ICE-Zügen wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand des Unternehmens, meint Michael Pohl.
Der totale Ausfall der Klimaanlagen in mehreren ICE-Zügen am heißesten Wochenende des Jahres wirft in vielerlei Hinsicht ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der Deutschen Bahn. Auch wenn der Bahnchef nicht mehr Hartmut Mehdorn, sondern Rüdiger Grube heißt: Im Umgang mit der Öffentlichkeit, dem Kundenservice, der technischen Wartung, dem Krisenmanagement, ja sogar in der Sicherheit seiner Passagiere hat das Staatsunternehmen Bahn noch immer erheblichen Nachholbedarf.
Nachdem Dutzende Reisende medizinisch versorgt werden mussten, mehrere sogar im Krankenhaus landeten, sprach ein Bahnsprecher in der Tagesschau davon, dass nur drei von 1400 Zügen betroffen gewesen seien, und fügte hinzu: "Man sieht, der absolute Großteil der Reisenden kommt sicher, bequem und komfortabel an." Als logische Konsequenz dieser Überheblichkeit meldeten sich zahlreiche Passagiere und berichteten von reihenweise ausgefallenen Klimaanlagen in anderen Zügen, die aktuell unterwegs waren. Denn fast jeder, der viel mit der Bahn unterwegs ist, hat derartige Pannen in einzelnen Wagen erlebt, die in hermetisch abgedichteten ICE- und IC-Zügen an Sommertagen rasch zu Treibhäusern werden.
Dass es am Wochenende gleichzeitig drei Züge des gleichen Typs ICE-2 betraf und die Klimaanlage im ganzen Zug ausfiel, offenbart, dass es sich nicht um Zufall handelte, sondern die Ursachen tiefer liegen. Die 15 Jahre alten Züge wirken nicht nur seit Langem renovierungsbedürftig. Sie entstammen auch der alten Bundesbahn-Ära, deren Züge heute zwar als robust, aber sehr wartungsintensiv gelten.
Doch hier spart die Bahn AG seit den Plänen für einen Börsengang seit Jahren. Viele frühere Bahnbetriebs- und Ausbesserungswerke wurden stillgelegt oder entvölkert. Neue, von der Industrie in Eigenregie entwickelte Fahrzeuge sollten weniger Wartung erfordern, brachten aber in der Praxis neue Probleme mit sich. So führten eklatante Mängel an Achsen der ICE-3 und ICE-Neigetechnikzüge zu Beinahe-Katastrophen. Und auch hier versagten die Klimaanlagen im Jahrhundertsommer 2003.
Inzwischen hat die Politik den Börsengang auf Eis gelegt. Aber was bei Weitem bedauerlicher ist - auch der Wettbewerb auf der Schiene wurde vertagt: Auf den meisten Strecken und im Fernverkehr gibt es für die Kunden keine Alternative zur Deutschen Bahn.
Deshalb ist es endlich Zeit für einen Bewusstseinswandel: Nicht der für den Staat lukrative Umbau der Deutschen Post zu einem international beachtlichen Weltkonzern sollte das Vorbild für die Bahnpolitik sein, sondern eher das kleine, aber von den Kunden geschätzte Schweizer Bahnsystem. Michael Pohl.
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