Die Fingernägel ausgefahren
Rachida Dati galt als Schützling von Präsident Sarkozy, bis er sie fallen ließ. Jetzt legt sie sich mit Regierungschef Fillon an
Paris Man kennt die Fingernägel von Rachida Dati. Sie sind knallrot, lang und spitz. Und die fährt sie nun aus, unnachgiebiger, als es sich ihre einstigen Mentoren wohl vorstellen konnten. Was bei ihrer Ernennung zur Justizministerin 2007 als Datis Trumpf galt, wird ihr jetzt vorgeworfen: kompromisslose, kaltschnäuzige Entschlossenheit.
Die 46-Jährige versteckt ihre Ambition, 2014 Stadtoberhaupt von Paris zu werden, nicht. Sie ist bereits Bürgermeisterin des siebten Arrondissements und wollte bei den Parlamentswahlen im Juni im entsprechenden Bezirk für die konservative Regierungspartei UMP antreten. Im Weg steht ihr jedoch Premierminister François Fillon, der dieselben Pläne hat. Mit dem populären Regierungschef rechnet sich die UMP gute Chancen aus, in zwei Jahren das Pariser Rathaus aus roter Hand zu befreien. Deshalb unterstützt sie ihn, der früher für sein Heimat-Departement Sarthe im Parlament saß, bei der Eroberung von Datis Reich – so empfindet sie das jedenfalls. Und wehrt sich so laut und heftig, dass ihre Parteifreunde einen Skandal fürchten. Sarkozy soll sie als „Wahnsinnige“ bezeichnet haben.
Die Aktion von Regierungschef Fillon kritisiert sie als ehrlosen „Fallschirmsprung“ und Rückschritt bei der Gleichstellung der Geschlechter. In Paris trete damit keine einzige Frau an. Sie repräsentiere „all jene, die eine politische Rolle nicht geerbt haben“, stilisiert sie sich als weiblichen David gegen Goliath.
Doch der Minderheiten-Bonus zieht nicht mehr, seit Sarkozy seine „Politik der Öffnung und Vielfalt“ aufgegeben hat. 2007 gelang ihm ein Coup, als er in seiner ersten Regierung nicht nur linke Politiker wie Außenminister Bernard Kouchner einsetzte, sondern auch attraktive junge Frauen mit Migrationshintergrund wie die gebürtige Senegalesin Rama Yade. Und wie Rachida Dati, zweites von elf Kindern eines marokkanischen Vaters und einer algerischen Mutter, in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und doch die glamouröseste Erscheinung in der französischen Politik. Ihre Nominierung sollte zeigen, dass es in Frankreich jeder mit Fleiß und Klugheit zu etwas bringen kann.
Dati war ein Symbol – und stand Sarkozy und seiner zweiten Frau Cécilia, die sie „Schwester“ nannte, auch persönlich nahe. Als sie Anfang 2009 ihre Tochter Zohra zur Welt brachte, ohne den Vater zu nennen, tippten viele mitunter auf den Bruder des Präsidenten.
Angebliche Urheberin von Trennungsgerüchten
Innige Feindseligkeit verbindet sie hingegen mit Sarkozys dritter Frau Carla Bruni. „Da hättest du wohl gerne gelegen!“, soll diese Dati bei einer Besucher-Visite im Schlafzimmer des Élysée-Palastes zugeraunt haben. Als im Frühjahr 2010 Gerüchte von einer Trennung des Präsidentenpaares aufkamen, galt Dati als Urheberin und Strippenzieherin. Denn Sarkozy hatte sie aus der Regierung geworfen und ins EU-Parlament nach Straßburg „abgeschoben“ – offiziell aufgrund der Kritik an ihrer Amtsführung und ihrem Umgang mit Mitarbeitern.
Als sie dennoch ihre Präsenz in Paris zeigen wollte und vorschnell die für die Regierung miserablen Ergebnisse der Regionalwahlen im Frühjahr 2010 kommentierte, folgte die Demütigung sofort: Dati verlor Chauffeur, Dienstwagen und Sicherheitsbeamte und musste ein Taxi nehmen. Sarkozy hat mit seinem Enfant terrible gebrochen und gezeigt: Man kann unter ihm hoch aufsteigen. Aber auch tief fallen.
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