SPD lässt ihren Mitgliedern die Wahl
Bis Dezember steht fest, wer auf Nahles folgt. Doch wer könnte sich überhaupt zur Wahl stellen?
Als die kommissarischen Parteichefs Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel am Montagnachmittag mit einiger Verspätung vor die Presse treten, wirken sie verschwitzt, aber auch erleichtert. Am bislang heißesten Tag des Jahres lieferten sich Vorstand und Präsidium der krisengeschüttelten SPD über Stunden hitzige Diskussionen. Schließlich geht es im Berliner Willy-Brandt-Haus darum, auf welchem Wege nach dem Rücktritt von Andrea Nahles die künftige Spitze der Partei bestimmt wird. Nach einem „außergewöhnlich intensiven Austausch der Argumente“, so berichtet Dreyer, habe sich der Vorstand darauf geeinigt, dass der neue Parteivorsitz nach einer Mitgliederbefragung auf einem Parteitag im Dezember gewählt wird. Ausdrücklich seien sowohl Zweierteams, denen zwingend mindestens eine Frau angehören muss, wie auch Einzelkandidaten erwünscht.
Bis zu 30 Regionalkonferenzen
Das Modell der Doppelspitze, von den Grünen seit Jahren praktiziert, sei kein Allheilmittel, sagt Dreyer: „Aber die SPD braucht Kraft.“ Bis zum 1. September könnten sich die Bewerber melden, so Dreyer. In den Wochen darauf, fügt Thorsten Schäfer-Gümbel an, werde es bis zu 30 Regionalkonferenzen geben, bei denen sich die Kandidaten den Genossen in der ganzen Republik präsentieren können. Denn die 440000 Parteimitglieder sollen anschließend die Wahl haben, sagt Manuela Schwesig. Sollte es im ersten Durchgang des Mitgliederentscheids keinen Sieger geben, komme es zur Stichwahl. Das Team oder der Einzelkandidat das den Mitgliederentscheid gewinnt, werde dann vom Vorstand beim für den 6. bis 8. Dezember angesetzten Parteitag als Vorschlag zur Wahl empfohlen.
Wer könnte überhaupt auf Nahles folgen?
Nachdem in Sachen künftiger SPD-Spitze die Fragen nach dem „Wie“ und „Wann“ gelöst sind, fokussiert sich die Diskussion auf das „Wer“. Die drei Übergangs-Vorsitzenden Dreyer, Schäfer-Gümbel und Schwesig hatten bereits erklärt, nicht zur Verfügung zu stehen. Abgewunken haben auch Arbeitsminister Hubertus Heil und Finanzminister Olaf Scholz. Franziska Giffey hat ihre Bereitschaft signalisiert, doch die beliebte Familienministerin steht im Zentrum einer schwebenden Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit. Außenminister Heiko Maas ist im Gespräch, ebenso Noch-Justizministerin Katarina Barley. Ambitionen nachgesagt werden Generalsekretär Lars Klingbeil.
Und was ist mit Kevin Kühnert?
Durch die Möglichkeit einer Doppelspitze sind nun auch Genossen im Gespräch, die als alleinige Vorsitzende kaum mehrheitsfähig wären. Allen voran Kevin Kühnert. Der Juso-Chef und lauteste GroKo-Gegner hält sich eine Kandidatur weiter offen. Allerdings sind die Vorbehalte gegen den 29-Jährigen im konservativeren SPD-Lager extrem. Konsensfähiger wäre wohl Matthias Miersch, der Sprecher der „Parlamentarischen Linken“ in der SPD-Bundestagsfraktion. Er gilt noch dazu als profilierter Umweltpolitiker. Viele in der SPD fordern, die Suche nicht auf Figuren aus dem Berliner Politikbetrieb zu beschränken. In diesem Zusammenhang fällt immer wieder der Name Stephan Weil. Niedersachsens beliebter Landesvater hat nicht ausdrücklich dementiert, bundespolitische Ambitionen zuvor aber stets verneint. Weitere Landespolitiker, denen zumindest Außenseiterchancen eingeräumt werden, sind die saarländische Verkehrsministerin Anke Rehlinger und der Chef der rheinland-pfälzischen SPD-Landtagsfraktion, Alexander Schweitzer. Hamburgs SPD-Chefin Melanie Leonhard und die designierte hessische Parteichefin Nancy Faeser sind ebenfalls im Gespräch.
Blick in die Bürgermeisterstuben
Auch im Kreis erfolgreicher sozialdemokratischer Kommunalpolitiker wird nach möglichen Kandidaten gesucht. Simone Lange, aus Thüringen stammende Oberbürgermeisterin von Flensburg, hatte bereits 2018 als Parteivorsitzende kandidiert. Und gegen Andrea Nahles immerhin fast 28 Prozent der Delegiertenstimmen geholt. Manche SPD-Insider blicken auch nach Kiel, wo Ulf Kämpfer als Oberbürgermeister beliebt ist. Mit seiner lockeren Art erinnert er viele an Robert Habeck, den Chef der Grünen. An denen sich die SPD ja nun schon beim Modell der Doppelspitze orientiert.
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