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Auslandsreport
08.04.2019

Die Schande der Weltgemeinschaft

Bilder von Opfern in der Völkermord-Gedenkstätte von Kigali: Innerhalb von 100 Tagen hatten Hutu hunderttausende ihrer Nachbarn, Freunde, Fremde und sogar Ehepartner und Kinder getötet.
2 Bilder
Bilder von Opfern in der Völkermord-Gedenkstätte von Kigali: Innerhalb von 100 Tagen hatten Hutu hunderttausende ihrer Nachbarn, Freunde, Fremde und sogar Ehepartner und Kinder getötet.
Foto: Y. Chiba, afp

Es gilt als eines der dunkelsten Kapitel der Vereinten Nationen: Unter den Augen von UN-Blauhelmen fielen 800000 Menschen dem Völkermord in Ruanda zum Opfer. Warum ein Vierteljahrhundert später Hoffnung das Land prägt

Marie-Jane und Jean Giraneza sind seit mehr als zehn Jahren verheiratet. Sie leben im Süden Ruandas im kleinen Dorf Rweru, in dem einfache einstöckige Häuser mit kleinen Vorgärten feinsäuberlich aneinandergereiht stehen. Sie haben vier Kinder. Auf den ersten Blick ist ihr Leben nicht weiter ungewöhnlich. Genauer betrachtet aber schon: Denn vor 25 Jahren war Jean Opfer eines brutalen Völkermords geworden – in dem die Familie seiner Frau zu den Tätern zählte. Eine tiefe Narbe auf seinem Kopf erinnert noch heute an eine Machete, die ihm im Juni 1994 in den Schädel getrieben worden war.

Jean, der der Volksgruppe der Tutsi angehört, überlebte knapp. Die Familie seiner Frau – allesamt Hutu – ist für den Tod von den meisten von Jeans Verwandten verantwortlich. „Mein Vater zog nachts in einer Gruppe los, um Tutsi zu töten“, sagt Marie-Jane. Damals, während des Völkermords vor 25 Jahren, war sie zwölf Jahre alt. Sie erinnert sich gut: Macheten, Speere und Knüppel hätten sie dabeigehabt. Sie jagten auch Jean und dessen Familie. Als Jean Jahre später um Marie-Janes Hand anhielt, wusste er das.

Das Paar wohnt in einem sogenannten Versöhnungsdorf. Einem von den Behörden und Organisationen geschaffenen Ort, in dem Überlebende und Täter des brutalen Genozids als Nachbarn leben. 110 Familien wohnen in dem verschlafenen Dorf, zusammen betreiben sie Landwirtschaft. Jean und Marie-Jane sind der Inbegriff der bemerkenswerten Versöhnung, die Ruanda seit dem Völkermord vollbracht hat – so präsentiert sich Ruanda gerne der Welt. Doch um das Volk zusammenzuschweißen, wurden in puncto Freiheiten und Menschenrechte große Abstriche gemacht. Und die Frage bleibt: Wie sehr hat das Land den Genozid, an den am 7. April erinnert wird, wirklich verarbeitet?

Innerhalb von 100 Tagen im Jahr 1994 hatten Hutu ihre Nachbarn, Freunde, Fremde und sogar Ehepartner und Kinder getötet, verstümmelt und vergewaltigt. Die Opfer waren vorwiegend Tutsi, aber auch viele gemäßigte Hutu. Angezettelt wurde das Schlachten vor allem von der damaligen Regierung und einer regierungsnahen paramilitärischen Organisation. Rund 800000 Menschen wurden getötet.

Der Völkermord war vorbereitet: Radiosender verbreiteten Hassparolen, Macheten wurden gehortet, Milizen gegründet. Und Ruanda gilt bis heute als Schande der Weltgemeinschaft und eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Vereinten Nationen: Rund 2500 UN-Blauhelme sahen dem Gemetzel tatenlos zu und wurden nach zehn Tagen abgezogen. Die einzige große Mühe setzten die UN und der Westen darauf, rechtzeitig alle weißen Ausländer und Bewohner aus dem Land mit einer Luftbrücke auszufliegen, das tausendfache Flehen der Tutsi übergingen die UN vor Ort.

Die UN-Friedenstruppe im Land wurde sogar auf wenige hundert Soldaten reduziert. Bis heute dröhnt der Vorwurf des Rassismus angesichts des Versagens der Weltgemeinschaft. Kofi Annan, späterer UN-Generalsekretär, brauchte Jahre, um als damaliger Verantwortlicher für die UN-Mission in Ruanda zumindest einen Teil der Verantwortung zu übernehmen. Auch der damalige US-Präsident Bill Clinton entschuldigte sich später mehrfach für die Passivität der USA während des Genozids.

Dem Gemetzel setzte die von Tutsi gegründete Ruandische Patriotische Front, RPF, ein Ende, die mit Paul Kagame an der Spitze aus Uganda einmarschierte. Das Land lag in Schutt und Asche. Häuser, Straßen und Brücken waren zerstört. Leichen verwesten auf Feldern und trieben in Flüssen. Zehntausende Waisenkinder lebten auf der Straße und Trümmern von Gebäuden. Es gab keinen funktionierenden Staat mehr. Hunderttausende Überlebende waren traumatisiert, Millionen Menschen auf der Flucht, Täter mussten bestraft werden. Wo beginnt man, so ein Land wieder aufzubauen? Wie beginnt man, Gerechtigkeit zu erzielen?

Ruanda wählte den Weg der sogenannten Gacaca-Gerichte – Laiengerichte, die von einfachen Bürgern in etlichen Gemeinden im ganzen Land geschaffen wurden. Als 2002 damit begonnen wurde, warteten rund 120000 Verdächtige im Gefängnis auf ein Verfahren, zahlreiche weitere Verdächtige waren auf freiem Fuß, wie Fidèle Ndayisaba sagt. Der Chef der Nationalen Kommission für Einheit und Versöhnung, NURC, erklärt, dies habe bei weitem die Kapazitäten der Gefängnisse und Gerichte übertroffen. Die Laiengerichte belohnten Geständnisse von Tätern mit geringeren Strafen, etwa gemeinnütziger Arbeit. Das Ergebnis: Innerhalb von zehn Jahren wurden laut Ndayisaba 1,9 Millionen Fälle behandelt. „Gacaca wurde als Lösung ausgewählt, nicht nur, um einfache Gerechtigkeit zu suchen, sondern auch, um eine Plattform für Dialog und Wahrheit zu schaffen.“

Wie tief der Schmerz noch immer auch bei der nächsten Generation sitzt, ist in den großen Rehaugen von Diane Mumararungu zu sehen, aus denen Tränen fließen. Sie ist 24 Jahre alt. Gezeugt wurde sie, als ihre Mutter, eine Tutsi, während des Genozids vergewaltigt wurde. Als junges Mädchen sei sie von Nachbarn, Bekannten, selbst von Verwandten geächtet worden, Kinder hätten sie als „Tochter eines Hutu“ beschimpft, erinnert sie sich. Bis heute würde ihre Mutter sie anschauen und sich stets an ihr Trauma von damals erinnern. Mit etlichen Programmen treibt der Staat unter Präsident Kagame die Versöhnung in großem Tempo voran.

„Die Versöhnungsarbeit im Land, die so viele Menschen mit einschließt, hat sehr früh begonnen“, sagt Hans Bretschneider, der für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, die Arbeit des Zivilen Friedensdienstes in Ruanda koordiniert. Die GIZ unterstützt seit 2001 in Ruanda viele Versöhnungsprojekte. „Es ist nicht selbstverständlich, dass so eine Auseinandersetzung mit dem Völkermord so früh stattfindet.“

Die Erinnerung wachzuhalten, ist Ndayisaba zufolge dabei das Wichtigste. Das musste Ruanda wohl auch: Nach dem Völkermord von 1994 mussten Überlebende und Täter lernen, zusammenzuleben. „Es war unglaublich schwer für mich“, sagt Giraneza. Der 45-Jährige überlebte die Schädelverletzung, weil er von RPF-Soldaten halb tot in einem Graben gefunden und ins Krankenhaus gebracht wurde. Ihm wurde später in Rweru ein Haus zugeteilt. „Ich kaufte mir eine Machete und nahm mir vor, einen von ihnen zu töten.“ Einen von ihnen, damit meint er einen seiner Nachbarn, einen Hutu. Doch in dem Dorf habe er gelernt, zu vergeben.

Das alles ist vor allem Kagame zu verdanken. Der 61-jährige ehemalige Offizier, der seit Ende des Völkermords de facto und seit 2000 als Präsident an der Macht ist, führt das Land wie eine Armee, sagen Bewunderer und Kritiker zugleich. Der wirtschaftliche Aufschwung, die gute Infrastruktur, die sauberen Straßen, das Recht und die Ordnung in Ruanda lassen nur staunen. Doch dafür wird zugleich ein hoher Preis gezahlt: Meinungsfreiheit, Oppositionsarbeit und die Zivilgesellschaft sind stark eingeschränkt, wie etwa Human Rights Watch kritisiert. Die Behörden würden Kritiker belästigen, unrechtmäßig festnehmen, sogar foltern.

Die Folgen des Regimes sind auch zwischen den Zeilen zu vernehmen. Die Begriffe „Hutu“ und „Tutsi“ sind meist nur im Flüsterton zu hören. Wenn Giraneza nach seiner Identität gefragt wird, sagt er, „wir sind alle Ruander“. Ein Satz, den seine Frau Marie-Jane auch in den Mund nimmt, der in allen Ecken des Landes immer und immer wiederholt wird. Offiziell ist das Land weitgehend versöhnt. „Friedliches Zusammenleben ist heute eine Realität in Ruanda“, sagt Ndayisaba. Das ultimative Ziel für Ruanda sei aber „die unerschütterliche Einheit“. Wie weit der Staat dafür gehen würde, lässt sich nur erahnen.

Gioia Forster, dpa; AZ

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