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Foto: Michael Kappeler, dpa
Foto: Michael Kappeler, dpa

Ein Mann, zwei Ämter: Im Moment ist der Oberbayer Alexander Dobrindt Verkehrsminister und Chef der CSU-Landesgruppe in Berlin in Personalunion. „Ministerien kann man erst verteilen, nachdem man sich auf Inhalte geeinigt hat“

Interview
07.10.2017

Dobrindt vor Unionstreffen: "Das werden äußerst schwierige Verhandlungen"

Von Rudi Wais

Als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe ist Alexander Dobrindt einer der einflussreichsten Männer im Koalitionspoker. Droht Deutschland eine lange Hängepartie mit ungewissem Ausgang?

Herr Dobrindt, Die Flüchtlingszahlen sind zurückgegangen. Warum ist die Obergrenze für die CSU trotzdem unverhandelbar?

Alexander Dobrindt: Uns geht es darum, für die Zukunft Regelungen zu schaffen. Weltweit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Wir müssen Vorsorge treffen, dass sich ein Jahr wie 2015 nicht wiederholen kann.

Die Kanzlerin lehnt eine strikte Begrenzung ab. Wie wollen Sie da bei Ihrem Treffen am Sonntag eine gemeinsame Linie für die Gespräche mit Liberalen und Grünen finden?

Dobrindt: Auch in der CDU gibt es nach der Wahl einen Erkenntnisprozess. Wir wollen, dass CDU und CSU zu einer gemeinsamen Sichtweise kommen. Das gilt nicht nur für die Flüchtlingspolitik, sondern auch für Fragen der sozialen Sicherheit oder der künftigen Europapolitik. Erst wenn wir untereinander die substanziellen inhaltlichen Punkte geklärt haben, können wir Sondierungsgespräche mit den Grünen und der FDP beginnen.

Wenn Sie sich mit der CDU nicht einigen, zum Beispiel auf eine Obergrenze: Ist Jamaika dann schon vor der ersten Sondierungsrunde gescheitert?

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Dobrindt: CDU und CSU sind eine Schicksalsgemeinschaft und wir wollen gemeinsam erfolgreich sein. Dazu dient das Treffen am Sonntag. Ob darüber hinaus noch weitere Gespräche nötig sind, wird sich zeigen.

Bei keinem Thema sind die vier Parteien, die sich jetzt auf eine Jamaika-Koalition einigen sollen, so weit auseinander wie in der Flüchtlingspolitik. Kann das überhaupt gut gehen?

Dobrindt: Wir werden die Gespräche mit FDP und Grünen mit großer Ernsthaftigkeit angehen – das erwartet der Wähler auch von uns. Aber natürlich werden das äußerst schwierige Verhandlungen, von denen ich noch nicht weiß, ob sie am Ende erfolgreich sein werden. Schließlich trennt uns viel mehr, als uns verbindet.

Wenn Sie auf einer Obergrenze von maximal 200.000 Menschen pro Jahr bestehen: Rechnen Sie die Familienangehörigen, die Flüchtlingen noch nach Deutschland folgen, da bereits mit ein?

Dobrindt: Ja. Die Obergrenze ist deutlich komplexer als ihre Verengung auf ein Wort. Sie hat einen thematischen Unterbau, zu dem das Bekämpfen von Fluchtursachen genauso gehört wie das Sichern von Grenzen, das Beschleunigen von Rückführungen oder das Ausweiten der sicheren Herkunftsstaaten. Kurz gesagt: Es geht um ein umfassendes Regelwerk.

Nun weichen Sie etwas aus. Die Zahl 200.000 steht ja im Raum und die CSU selbst hat sie dorthin gestellt.

Dobrindt: Die Integrationsfähigkeit unseres Landes hat eine Obergrenze. Wir können unserem Land keine Lasten zumuten, die nicht zu bewältigen sind. Deswegen halte ich auch die aktuelle Regelung, nach der der Familiennachzug für einen Teil der Flüchtlinge ausgesetzt ist, für gerechtfertigt. Wir sollten das Aussetzen des Familiennachzugs über den März 2018 hinaus verlängern.

Bisher ist noch nicht einmal klar, wann die Gespräche mit den anderen Parteien beginnen. Nach dem Treffen der Union am Sonntag? Oder erst nach dem CSU-Parteitag im November?

Dobrindt: Wir lassen uns da nicht unter Zeitdruck setzen. Die Inhalte gehen vor. Sondierungsgespräche mit anderen Parteien können erst beginnen, wenn CDU und CSU Einigkeit hergestellt haben. Eines ist klar: Die Gespräche über Jamaika werden anspruchsvoller und aufreibender sein als die über eine Große Koalition vor vier Jahren.

Das heißt: Deutschland muss sich auf eine lange Hängepartie mit ungewissem Ausgang einstellen?

Dobrindt: Regierungsbildungen brauchen ihre Zeit. 2013 stand die neue Regierung kurz vor Weihnachten. Ob das auch diesmal gelingt, daran kann man Zweifel haben.

Was die vier Parteien trennt, ist bekannt. Was verbindet CDU, CSU, Grüne und Liberale denn? Gibt es eine Art kleinsten gemeinsamen Nenner?

Dobrindt: Ich führe jetzt hier keine Koalitionsverhandlungen und nehme auch keine Ergebnisse vorweg. In einem sollten sich alle aber einig sein: Das Auftreten der AfD im Bundestag darf keine Dauereinrichtung sein. Wir müssen ein gemeinsames Interesse haben, diese Wähler zurückzugewinnen.

Dass Sie den Begriff Obergrenze inzwischen etwas weiter fassen und nicht nur über eine Zahl, sondern über ein Regelwerk reden, wird Ihnen teilweise als Schritt auf die anderen Parteien zu ausgelegt. Rückt die CSU ein Stück von ihrer bisherigen Position ab?

Dobrindt: Ein klares Nein. Ich habe die Komplexität der Aufgabe beschrieben und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um beim Flüchtlingsthema die Kontrolle zu behalten. Dazu gehört die Obergrenze mit ihrem Regelwerk.

Das macht die Gespräche mit den Grünen nicht leichter. Mal ehrlich: Eine Große Koalition wäre Ihnen lieber?

Dobrindt: Ich habe immer gesagt, dass mir eine Koalition mit der FDP am liebsten gewesen wäre – aber der Wähler hat anders entschieden und wir müssen diesen Auftrag ernst nehmen und den Versuch unternehmen, ein funktionierendes Regierungsbündnis auf die Beine zu stellen.

Thomas Oppermann von der SPD hat einen Weg jenseits von Jamaika angedeutet: Angela Merkel verzichtet auf eine vierte Amtsperiode–- und die SPD überlegt sich das mit der Großen Koalition noch einmal. Ein Ausweg?

Dobrindt: Das war ein kläglicher Versuch der SPD, ihre Verweigerungshaltung zu kaschieren. Auch wenn das SPD-Ergebnis schlecht war, hat die SPD doch einen Wählerauftrag zur Politikgestaltung. Wenn sie sich dem aus parteitaktischen Gründen entzieht und nicht einmal den Versuch unternimmt, eine Regierung zu bilden, dann ist das für mich nichts anderes als eine Flucht aus der Verantwortung.

Auch in der CSU grummelt es. Was muss Horst Seehofer mit nach München bringen, um wieder fest im Sattel zu sitzen?

Dobrindt: Wir haben die Wahl gemeinsam bestritten und tragen gemeinsam die Verantwortung. Die Gespräche über eine Regierungsbildung sind für die CSU eine der größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte. Diese Herausforderung werden wir gemeinsam mit Horst Seehofer abarbeiten.

Grüne und Liberale verteilen in Gedanken schon die Ministerien. Auf welche Ressorts hat die CSU denn ein Auge geworfen – neben dem Innenministerium für Joachim Herrmann?

Dobrindt: Ministerien kann man erst verteilen, nachdem man sich auf Inhalte geeinigt hat. Ich rate allen Beteiligten, sich hier zurückzuhalten.

Und Horst Seehofer bleibt tatsächlich in München? Gehört ein Parteichef in einer so komplizierten Konstellation nicht nach Berlin ins Kabinett?

Dobrindt: Horst Seehofer hat meine Unterstützung. Für Fragen, die sich aktuell nicht stellen, gebe ich keine Empfehlung ab.

Zur Person: Alexander Dobrindt ist seit wenigen Tagen Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Der 47-Jährige aus dem oberbayerischen Peißenberg, im Moment auch noch Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, hat Soziologie studiert und war kaufmännischer Leiter einer Maschinenbaufirma, bis er 2002 zum ersten Mal in den Bundestag einzog. Von 2009 bis 2013 war er auch Generalsekretär der CSU.

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